Jeanine De Bique brachte mit dem hierzulande wenig bekannten Liederzyklus „Honey and Rue“ die Lyrik der Nobelpreisträgerin Toni Morrison zum Klingen.
Philharmonie KölnJeanine De Bique verleiht Toni Morrisons Lyrik eine Stimme
Das Kunstlied ist eine ausgesprochen „weiße“ Musikgattung - nicht nur in Europa. Auch in den USA besteht das einschlägige Repertoire fast ausschließlich aus Werken weißer Komponisten, die weiße Dichter vertonten. Als André Previn 1992 auf Anregung der Sopranistin Kathleen Battle Gedichte der schwarzen Literatur-Nobelpreisträgerin Toni Morrison zu einem Liederzyklus verband, fanden erstmals Lebenswirklichkeit und lyrische Traditionen der afroamerikanischen Bevölkerung auf prominenter Ebene Einzug in das Genre.
„Honey and Rue“ („Honig und Bitternis“) ist in seiner Verbindung von gemäßigter Moderne und Jazz-Elementen ein typisches Produkt des US-amerikanischen Klassik-Mainstreams. Und doch bietet gerade diese Mischung eine stimmige musikalische Folie für Toni Morrisons wunderbare Gedichte, die komplexe Metaphorik und schlichten Gospel-Ton auf einen bezwingenden poetischen Nenner bringen.
Jeanine De Bique mit hierzulande unbekanntem Liederzyklus
In den USA hat der Zyklus schnell Einzug ins Liedrepertoire gefunden; hierzulande hört man ihn nur selten. Im Rahmen der philharmonischen Liedreihe machte sich nun die aus Trinidad stammende Sopranistin Jeanine De Bique für die sechs teils sehr ausgedehnten Lieder stark. Die Interpretation beeindruckte in ihrer technischen Souveränität ebenso wie in ihrer intensiven musikalischen Gestaltung. Die leicht überdrehte Betriebsamkeit des urbanen Nachtlebens in „The town is lit“ vermittelte sich ebenso eindringlich wie das zwischen Erotik und Frömmigkeit changierende „Do you know him“. Mit diesem unendlich zarten, teils gesummten, teils auf einem feinen Stimmfaden gesungenen a-Capella-Stück schuf Jeanine De Bique einen Moment äußerster Verdichtung und Spannung. Das große Schlussstück („Take my mother home“) wiederum war von einer sanften hymnischen Würde durchglüht, die ganz unmittelbar berührte.
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Dem belgischen Pianisten Aaron Wajnberg fiel die nicht sehr dankbare Aufgabe zu, die original für Orchester gesetzten Lieder auf dem Klavier darzustellen. Es gelang ihm ganz vorzüglich, das harmonisch teils sehr dichte Stimmengewebe sinnig zu entflechten; wo Previns Orchester allerdings zur Jazzband mit Schlagzeug und Wah-Wah-Dämpfer mutiert, musste er notgedrungen passen.
Bei Benjamin Britten war pianistisch nichts zu gewinnen
Auch den zweiten großen Liederzyklus des Abends begleitete Aaron Wajnberg aus dem Klavierauszug: Zwar zieht Benjamin Britten für seine Auswahl-Vertonung der „Illuminations“ von Arthur Rimbaud nur ein Streichorchester heran, aber gerade diese tänzerisch pulsierende, klassizistisch durchlüftete Klangwelt ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Werkes. Pianistisch war hier für Aaron Wajnberg nichts zu gewinnen; und auch Jeanine De Biques Bemühen um Differenzierung in Farbe und Artikulation machte die Sache nicht viel besser.
Mit fünf Volksliedern aus ihrer karibischen Heimat heizte die Sängerin den Saal zum Ende hin noch einmal mächtig auf. Kaum hilfreich indes war (leider nicht zum ersten Mal in der Liedreihe) ihre weitgehend konzeptfreie Moderation des Abends, die im Grunde nur dokumentierte, was ihr Singen sehr viel stärker vermittelte: dass ihr die Stücke eine unbedingte Herzenssache waren.