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Gewaltsamer Protest in BerlinStaatsschutz ermittelt nach Angriff auf Rammstein-Zentrale

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Am Firmen-Sitz der Rammstein GbR in Berlin wurden Scheiben eingeschlagen. Der Staatsschutz ermittelt.

Am Firmen-Sitz der Rammstein GbR in Berlin wurden Scheiben eingeschlagen. Der Staatsschutz ermittelt.

Kaputte Scheiben, die Fassade mit Farbe beschmiert: Das Berliner Büro von Rammstein ist nach den Vorwürfen gegen Till Lindemann beschädigt worden.

Rund einen Monat ist es inzwischen her, dass die Nordirin Shelby Lynn ihre Erfahrung zu einem Konzert der Band Rammstein in Vilnius in den sozialen Medien teilte und darin schwere Vorwürfe, insbesondere gegen Ramstein-Frontmann Till Lindemann erhob. Inzwischen haben sich viele weitere Frauen, unter anderem die Youtuberin Kayla Shyx, zu Wort gemeldet – und die Band, die derzeit ihre Europa-Tournee unbeirrt weiter spielt, gerät zunehmend unter Druck.

Während Protestaktionen vor Konzerten in München zunächst weitgehend friedlich verliefen, griffen Rammstein-Gegner vor den anstehenden Shows in Berlin nun zu drastischen Mitteln – und riefen sogar den Staatsschutz auf den Plan.

Rammstein: Staatsschutz ermittelt nach Angriff auf Band-Zentrale in Berlin

Dieser ermittelt nun, nachdem Unbekannte mehrere Scheiben am Firmensitz der Rammstein GbR in Berlin-Pankow gewaltsam zerstört haben. Es habe in der Nacht zum Montag einen entsprechenden Einsatz gegeben, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei am Dienstagabend. „Es scheinen mehrere Scheiben eingeworfen worden zu sein.“ Zudem sollen Farbbeutel geflogen sein. Hinweise auf die Täter habe es am Ort nicht gegeben. Der Staatsschutz habe aber die Ermittlungen übernommen, weil ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden könne.

Der Staatsschutz ermittelt nach der Beschädigung mehrerer Scheiben am Firmensitz der Rammstein GbR in Berlin-Reinickendorf.

Der Staatsschutz ermittelt nach der Beschädigung mehrerer Scheiben am Firmensitz der Rammstein GbR in Berlin-Reinickendorf.

Die Rammstein GbR besteht nach eigenen Angaben aus den sechs Bandmitgliedern. Details zum Tathergang nannte der Polizeisprecher nicht, wies aber auf entsprechende Veröffentlichungen in sozialen Medien hin.

Angriff auf Rammstein-Zentrale: Gruppe weist in auf Vorfall hin

Unter anderem eine Gruppe namens „North East Antifa Berlin“ hatte auf Twitter auf den Vorfall hingewiesen. Sie bezieht sich auf die linke Internetplattform „Kontrapolis“, die sich als „offene Nachrichten- und Debatten-Plattform“ und „Teil der emanzipatorischen, anti-autoritären und revolutionären Kämpfe in dieser Stadt“ beschreibt. Dort heißt es: „Die Frontscheiben wurden eingeschlagen und unter dem hässlichen Rammstein-Logo steht nun ‚Keine Bühne für Täter‘.“ Der Polizeisprecher sagte: „Dem müssen wir natürlich nachgehen. Insofern hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.“

Des Weiteren hat die Gruppe offenbar das Ziel, die Rammstein-Konzerte in Berlin zu boykottieren. „Wir rufen alle dazu auf, die geplanten Rammstein-Konzerte in Berlin am 15., 16, und 18. Juli kreativ zu stören, zu sabotieren und zu verhindern“, heißt es. Die Band hat sich bislang nicht öffentlich zu dem Vorfall an der Zentrale der Rammstein GbR geäußert.

Proteste in Bern und München gegen Rammstein-Konzerte

Zuletzt hatten sich hunderte Frauen und Männer etwa beim Konzert in Bern gegen Till Lindemann gestellt und vor dem Konzert protestiert: „Machtmissbrauch, sexualisierte Gewalt und ihr veranstaltet trotzdem?“, war etwa auf den Bannern zu lesen. Auch in München, wo Rammstein vier Konzerte gespielt hat, kam es zu Protesten. Sogar die Polizei griff ein, weil Rammstein-Fans teilweise wohl Demonstrierende bedroht hatten.

Nach den schweren Vorwürfen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann haben nun bereits zehntausende Menschen Petitionen unterzeichnet, um die Rammstein-Konzerte in Berlin zu stoppen. Innensenatorin Spranger sowie auch Kultursenator Joe Chialo deuteten allerdings bereits an, dass sich Konzertverträge ohne rechtliche Grundlagen nicht einfach brechen lassen.

Rammstein-Frontmann: Ermittlungen gegen Till Lindemann in Vilnius eingestellt

In den vergangenen Wochen hatten mehrere Frauen – teilweise anonym – Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben. Sie schilderten Situationen, die sie teils als beängstigend empfunden hätten. Junge Frauen seien während Konzerten ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur Aftershowparty kommen wollten. Dabei soll es nach Schilderungen einiger Frauen auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Lindemann hatte Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen.

Ein Teil der Vorwürfe bezog sich auf ein Rammstein-Konzert in Vilnius. Die Polizei in Litauen entschied, keine Ermittlungen gegen die Band oder andere Personen aufzunehmen; die dortige Staatsanwaltschaft bestätigte die Entscheidung am vergangenen Freitag. Bei der Prüfung seien „keine objektiven Tatsachenbeweise“ ermittelt worden, die belegen würden, dass die Frau körperlicher oder seelischer Nötigung oder anderen Gewalttaten sexueller Natur ausgesetzt war oder dass sie zum Gebrauch von Betäubungsmitteln gezwungen oder bestohlen wurde, hieß es.

Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Till Lindemann – Anwälte präsentieren Gutachten aus Köln

Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte ein Ermittlungsverfahren gegen den Rammstein-Frontmann eingeleitet. Erhält die Staatsanwaltschaft Kenntnis vom Verdacht einer Straftat, muss sie ermitteln. Medienberichte können dafür der Auslöser sein. Bis zum Abschluss der Ermittlungen gilt die Unschuldsvermutung.

Die Anwaltskanzlei Schertz/Bergmann, die Rammstein-Sänger Till Lindemann zu Vorwürfen wegen Machtmissbrauchs vertritt, hat indes am Montag (26. Juni) die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung und eines rechtsmedizinischen Gutachten veröffentlicht. Die Stellungnahme basiert in Teilen auf Aussagen des Kölner Rechtsmediziners Markus Rothschild vom Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln und soll Lindemann entlasten. Die Analyse sei allerdings nur anhand Lynns Fotos und eines Videos, das Lynn ebenfalls veröffentlicht hatte, erstellt worden, räumte Rothschild gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein. (mit dpa)