Frank Plasberg ließ über das Thema „Heute jung, morgen arm - schuften für eine Minirente“ diskutieren.
Gäste waren Jens Spahn (CDU), Ralf Stegner (SPD), Unternehmerin Lencke Steiner (FDP), Journalist Hermann-Josef Tenhagen, Ulrich Schneider vom „Paritätischen“ sowie Krankenpflegerin Natalie Claßen.
Über die eigene Rente nachdenken. Wahrscheinlich ist das eine der trostlosesten Freizeitbeschäftigungen, die man sich so reinziehen kann. Und eine, die einen ratlos zurücklässt. Daran ändert auch ein Abend mit Frank Plasberg nichts. Obwohl am Ende von "Hart aber fair - Heute jung, morgen arm - schuften für eine Minirente" doch ein Hoffnungsschimmer am Horizont erscheint. Soviel sei vorweggenommen.
Zunächst ist da viel Empörendes. Und viel Streit darum. Weil alle Beteiligten zu wissen scheinen: So kann das nicht weitergehen. Hermann-Josef Tenhagen, Finanzexperte des Online-Magazins Finanztip eröffnet die Runde mit einem Leberhaken, der sitzt: "Wer heute Mindestlohn bekommt, muss 63 Jahre arbeiten, um mal 840 Euro Rente zu bekommen." Da ist dann auch die von Jens Spahn (CDU) in Aussicht gestellte gesteigerte Lebenserwartung kein rechter Trost.
Ob Riestern weiterhilft? Jens Spahn hält die Fahne hoch: "Das Rentenniveau wird so nicht haltbar sein. Jeder muss privat etwas dazutun". Auch die eingeladene alleinerziehende Kranken- und Altenpflegerin, die 1900 netto hat und damit über ein Durchschnittseinkommen verfügt. "Wer im Alter mehr haben will, muss heute auf etwas verzichten". Spahn hält das selbst für hart, aber ehrlich. Geringverdiener und Familien würden beim Riestern außerdem mit attraktiven Zusatzleistungen erreicht.
Kollege Ralf Stegner von der SPD hält dagegen: "Diejenigen, die zusätzliche Vorsorge bräuchten, können sie sich nicht leisten. Diejenigen, die vorsorgen, bräuchten es nicht." Hermann-Josef Tenhagen wendet ein, dass viele Geringverdiener, die sich heute das Eis für die Familie verkneifen, später doch nichts kriegen, weil Riester auf die Grundsicherung angerechnet werde.
Und Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband geht in seiner Kritik gar noch weiter: "Der Weg, dass Menschen privat vorsorgen müssen, um eine Rente zu haben, von der sie leben können, ist falsch." Ein Satz, bei dem sich der Unternehmerin Lencke Steiner (FDP) "die Fußnägel hochrollen" - was unterm Strich einer ihrer besten Redebeiträge gewesen sein dürfte (Der Vollständigkeit halber hier noch einige Vorschläge ihrerseits: "Wir müssen bei der Bildung anfangen. Wenn wir Kinder in eine super Zukunft schicken, dann können sie im besten Fall selbst vorsorgen"/"Wir Jungen wollen keine glatten Lebenswege mehr. Wir wollen uns selbständig machen, ins Ausland gehen. Auf all das muss das System flexibel reagieren.")
Schneider aus Riester ausgestiegen
Aber was stimmt? Mit 16,5 Millionen Verträgen gehört die Riesterrente zum meistverkauften Versicherungsprodukt weltweit. Haben alle auf das falsche Pferd gesetzt? Schneider ist vom wackligen Gaul übrigens wieder abgestiegen, als er in einer stillen Stunde errechnete, dass er 90 Jahre alt werden müsste, um das eingezahlte Vermögen wenigstens wieder rauszukriegen. Und jetzt? "Ich bin draußen und fühle mich besser."
Tenhagen schimpft ihn dafür, schließlich habe er durch die Kündigung, "dem Vertriebsheini die Versicherungsgebühr" geschenkt. Eine Beitragsfreistellung hätte ihm diese erhalten. Aber manchmal kommt man eben nicht aus seiner wütenden Haut.
Erhöhung des Rentenniveaus unrealistisch
In einer solchen Zeit das Rentenniveau erhöhen, wie es die SPD fordert? Hält Spahn für schwer vermittelbar. Eine Erhöhung auf 50 Prozent, über die frühere Rentner einst verfügen konnten - heute sind es 47,8 Prozent - würde 30 Milliarden Euro im Jahr kosten - und dem Durchschnittsverdiener damit 75 Euro im Monat.
Jens Spahn ist gut vorbereitet, das muss man ihm lassen. Er nimmt mit seiner Rechnung bis aufs Komma genau den Fakteneinspieler von Plasberg vorweg. Stegner fürchtet dagegen, dass sich viele Rentner ein weiteres Absinken des Rentenniveaus nicht leisten können. Ob das stimmt? Spahn findet nein, schließlich bekämen nur drei Prozent aller Rentner Grundsicherung, weil sie sonst unterhalb des Existenzminimums leben müssten. Bei der arbeitenden Bevölkerung liege der Prozentsatz derer bei neun Prozent. "Wir müssen zielgenau für die Gruppen etwas tun, die zu wenig bekommen. Nicht mit der Gießkanne verteilen."
„Das ist doch keine Rentenreform. Das ist Placebo“
Schneider ist da anderer Meinung, schließlich liege ein Sechstel der Rentner nur ganz knapp über der Grundsicherung und auch um diese müsse man sich kümmern. "Der Lebensleistungsrentner aus ihrem Koalitionsvertrag, der 45 Jahre gearbeitet hat, wenig Geld verdient hat und aber dennoch privat vorgesorgt hat, für den sie jetzt etwas tun wollen, ist so selten, dass man ihn im Zirkus ausstellen müsste. Das ist doch keine Rentenreform. Das ist Placebo."
Und was wünscht sich eigentlich Altenpflegerin Frau Claßen, die sich gegen das Riestern entschieden hat und lieber Geld für die Ausbildung ihres Sohnes zurücklegt? "Ich habe den Wunsch, dass ich von der gesetzlichen Rente leben kann und nicht privat vorsorgen muss."
Und wieder gibt es Streit in der großen Koalition. Spahn mahnt auch Durchschnittsverdiener zum Verzicht in jungen Jahren und will bei der betrieblichen Altersvorsorge nachbessern. "Da müssen Standardprodukte her, die nicht so kompliziert sind." Stegner wünscht Spahn eine ob dieser Vorschläge nicht wirklich amüsierte Frau Claßen ans Pflegebett und betont, dass er "Unsinn nicht zustimmen muss" - auch dann nicht, wenn der Unsinn vom Koalitionspartner komme. Tenhagen muss noch einen raushauen: "Wer wenig Geld verdient, kriegt in allen anderen OECD-Ländern prozentual mehr Rente. Nur in Deutschland ist er am Arsch".
Alle sollen in eine Kasse zahlen
Und am Ende? Bringt Plasberg die Idee Alle-zahlen-in-eine-Kasse ins Spiel: Selbständige, Beamte, Abgeordnete. So richtig dagegen ist da keiner. Auch wenn Stegner betont, es sei noch ein weiter Weg bis dorthin. "Aber dieses Zukunftsmodell ist fair."Bleibt noch die Frage, warum der WDR das Rentenniveau von Jens Spahn ausrechnet (3000 Euro nach heutigem Stand), nicht aber von Stegner, Schneider, Steinke oder Tenhagen. Das wiederum war nicht so fair.