Berlin – Selten hat ein TV-Auftritt eines Politikers in Deutschland solche Reaktionen ausgelöst: Nach seinem Gespräch mit Sandra Maischberger laufen Twitter-Nutzer gegen Robert Habeck Sturm. Der Grund dafür ist besonders eine Aussage über Insolvenz, die der Wirtschaftsminister im ARD-Talk tätigte.
In den sozialen Netzwerken wird der Grünen-Politiker nun verspottet.Den Stein ins Rollen brachte der Bundeswirtschaftsminister selbst, als er sich zu drohenden Problemen für mittelständische Unternehmen aufgrund der horrenden Energiepreise im Winter äußerte.
Habeck erklärt bei Maischberger, warum er keine Insolvenzwelle befürchtet
Danach gefragt sagt Habeck, er rechne nicht mit einer Insolvenzwelle, er könne sich aber vorstellen, „dass bestimmte Branchen einfach erstmal aufhören zu produzieren und zu verkaufen.“ Das wäre keine klassische Insolvenz, erklärte der 53-Jährige.
Als Beispiel nannte er einen Bäcker, der aufgrund der hohen Energiepreise keine Brötchen mehr verkaufen könnte, seine wirtschaftlichen Tätigkeiten daraufhin einstellen und diese – wenn die Zeiten wieder besser seien – wieder aufnehmen könnte, erläuterte Habeck seinen Standpunkt.
Sandra Maischberger irritiert: „Antwort noch nicht gefallen“
Die Talkmasterin reagierte auf diese Aussagen irritiert – und hakte nach. „Wenn ich aufhöre zu verkaufen, dann verdiene ich kein Geld mehr. Dann muss ich die Insolvenz anmelden“, sagte Maischberger, die dem Wirtschaftsminister nicht folgen konnte. „Die sind dann pleite, weil sie nicht mehr arbeiten können, aber melden nicht Insolvenz an. Ich glaube, den Punkt muss man sich tatsächlich noch mal überlegen, aber ich habe das Gefühl, die richtige Antwort ist da noch nicht gefallen bei Ihnen.“
Die Reaktionen im Netz über die irreführenden Bemerkungen zum Thema ließen nicht lange auf sich warten. Noch am Dienstagabend äußerten zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer ihr Unverständnis, am Mittwoch folgten tausende weitere kritische Reaktionen, darunter viele Posts von Politikern verschiedener Parteien.
FDP-Politiker „sprachlos“ nach Habeck-Auftritt bei „Maischberger“
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer postete ein Video des entsprechenden Ausschnitts der Sendung und schrieb dazu, Habeck habe „einfach keine Ahnung, wovon er redet“.
Viele ihrer Parteikolleginnen und Kolleginnen taten es ihr gleich. Michael Kruse, Landesvorsitzender der FDP in Hamburg, twitterte, er sei angesichts Habecks Aussagen „sprachlos“. Gerhard Papke, ehemaliger FDP-Fraktionschef und Landtagsvizepräsident in NRW, ging gar noch einen Schritt weiter. „Dieser Unfug ist unfassbar! Und der Mann entscheidet als Wirtschaftsminister über unsere Energieversorgung?“, schrieb Papke.
Unionspolitiker reagieren sarkastisch und mit persönlicher Kritik
Kritik muss Robert Habeck aber nicht nur vom Koalitionspartner FDP einstecken, auch für die Oppositionsparteien war sein Auftritt im ARD-Talk ein gefundenes Fressen. „Es ist ein Segen, dass wir in dieser schwierigen Lage einen so hochkompetenten Wirtschaftsminister haben“, kommentierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul sarkastisch.
Die CSU twitterte über ihren offiziellen Partei-Account ebenfalls zum Hashtag #Habeck und bezeichnete dessen Auftritt als „weltfremd, abgehoben, planlos. Wirtschaftsminister #Habeck hat keine Ahnung vom Wirtschaften, er steht fürs Abwirtschaften. Was Franz Josef Strauß als Narrenschiff Utopia befürchtete, wird mit der Ampel bittere Realität.“
Persönlich wird der Ton beim Generalsekretär Martin Huber, der die Meinung äußert, Habeck gehe „in intellektuelle Insolvenz“.
Merz greift Debatte in Bundestag-Rede auf und greift Habeck an
Am Ende schafft es die Debatte sogar bis in den Bundestag, wo CDU-Chef Friedrich Merz bei seiner angriffslustigen Rede bei der Generaldebatte am Mittwochmorgen auch Habeck attackierte und ihm aufgrund des Auftritts bei Maischberger „Hilflosigkeit“ vorwarf.
„Man kann nur hoffen, dass ein Großteil der deutschen mittelständischen Unternehmer und vor allem der Bäckerinnen und Bäcker um diese Uhrzeit schon im Bett gelegen haben und geschlafen haben und das nicht mit ansehen mussten“, so Merz. Habeck reagierte mit stoischer Miene auf die Vorwürfe.
Vertreter mittelständischer Unternehmen melden sich auf Twitter
Doch nicht nur bei den politischen Gegnern stoßen die Aussagen auf Kritik, auch das Handwerk selbst äußert sich in aller Deutlichkeit zur Dienstagausgabe von „Maischberger“. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks gibt sich auf Twitter fassungslos. „Herr Minister, meinen Sie das ernst Wenn Bäcker nicht mehr produzieren, ruht einfach der Betrieb? Löhne, Verträge laufen weiter, man wischt mal kurz durch, und wenn der Krieg vorüber ist, laufen die Öfen wieder an?“
Ins gleiche Horn bläst auch Gitta Connemann in ihrer Rolle als Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion: „Sein Ernst“, schrieb sie auf Twitter empört. „Der Mittelstand in der Hand eines Dilettanten – in der Krise. Robert Habeck ist untragbar“, findet Connemann.
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Während die meisten der Reaktionen zum Twittertrend Nummer Eins am Mittwoch negativ ausfallen, gibt es auch Fürsprecher für den Wirtschaftsminister. Unternehmer Thomas Wüst besipielsweise nimmt Habeck in Schutz: „Habe mir das Habeck-Interview bei Maischberger in voller Länge angeschaut. Rund um die verkürzte Inflation-Passage, die hier oft geteilt wird, ging’s um Staatshilfen wie in Zeiten von Corona, wo auch Betriebe ihre Produktion eingestellt haben, ohne insolvent zu gehen. #justsaying“, so Wüst.
Robert Habeck, der gerade dem Mittelstand bei Sandra Maischberger Unterstützung zusagte, hat sich bislang nicht zu dem Auftritt geäußert oder in die Debatte eingeschaltet. Auf Twitter besitzt der Bundeswirtschaftsminister ohnehin keinen eigenen Account.