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„Weltstars auf dem Roncalliplatz“Lindsey Stirling tanzt durchs Pop-Konzert auf der Geige

Lesezeit 4 Minuten
28.07.2023, Köln: Konzert der Musikerin Lindsey Stirling auf dem Roncalliplatz.

Foto: Michael Bause

28.07.2023, Köln: Konzert der Musikerin Lindsey Stirling auf dem Roncalliplatz. Foto: Michael Bause

Die Geige spielende und tanzende Bühnenkünstlerin Lindsey Stirling hielt das Publikum auf dem Roncalliplatz im Bann ihrer eigensinnigen Fantasywelt.

Ein Battement mit gestrecktem Bein bis zum Kopf ist nicht leicht, geschweige denn mit einem Instrument in der Hand. Lindsey Stirling hat damit scheinbar keine Mühe. Sie tanzt am Freitagabend, während des Sonnenuntergangs, über die Bühne auf dem Roncalliplatz. Und spielt dabei Geige.

Eine ungewohnte Darbietung. Anfangs jubeln aus dem bestuhlten Schatten des Doms nur die meist jungen und weiblichen Fans mit. Dabei tanzen die singenden statt streichenden Stars doch auch während ihrer Performanz – zumal mit häufig deutlich weniger Beweglichkeit. Im Laufe des Abends beweist Stirling, dass sie sich mit ihrer Geige genauso auf die großen Bühnen stellen kann, wie eine Sängerin.

Und sie zeigt vor allem: Eine einzelne Geige kann alles andere als langweilig sein. Deshalb ist sie auch bei jungen weiblichen, vermutlich oft selbst Instrumente spielenden, Mädchen und Frauen so beliebt. Über Youtube zeigt sie ihnen seit 2007, dass es einen nicht zum Außenseiter machen muss, wenn man täglich sein Instrument übt. In Milliarden Videoaufrufen von Millionen Abonnentinnen und Abonnenten verbreitet sie ihre quirlige Lebensfreude.

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Lindsey Stirling ist ein eigensinniger „Weltstar auf dem Roncalliplatz“

Die packt auch auf dem Roncalliplatz das Publikum immer mehr. Mit vielen Motiven in höheren Tonlagen spielt sie gegen das dunkle Schlagzeug in „Artemis“ an. Ein Bein gestreckt, ein Bein gebeugt, neigt sie sich dabei nach unten. Bei „Moon Trance“ dreht sie sich wie eine Ballerina (in Turnschuhen) in einer Schneekugel, so suggeriert es der Hintergrund-Screen. Sie lebt in einer eigensinnigen Fantasywelt.

Zieht sie den Bogen bei langen Noten genussvoll über die Saiten, lehnt sie ihren Rücken gerne nach hinten, ganz weit. Die lila und später die silbern glitzernde E-Violine ist dabei fest um ihre Schultern und den Brustkorb gebunden.

Ihr erstes Kostüm des Abends, mit drei Augenpaaren auf dem Bauch und Paradies-Vogelschweif hinten, sieht fast selbstgebastelt aus. Doch das macht sie so nahbar. Ihre zwei Tänzerinnen tragen unter eleganten Clowns-Tutus eine kurze rote Pumphose. Dazu im nächsten Lied nicht mal mehr das Tutu-Kostüm, sondern ein weites T-Shirt, das auch aus dem Kleiderschrank ihrer Väter hätte stammen können und am Vorabend bemalt worden sein. Trotzdem bietet Stirling eine große Show, eben ohne zu viel Glamour.

So zeigt sich die Star-Geigerin auch in den sozialen Medien authentisch. Nach dem Konzert veröffentlicht sie ein Video, wie sie die Kostüme ihrer Tänzerinnen im Hotelzimmer selbst wäscht.

Auch auf der Bühne von Stirling sind die Akteurinnen und Akteure glaubwürdig. Besonders verschmitztes Charisma strahlt die 37-Jährige aus, währende sie am Ende eines Liedes in Pizzicato das Motiv ihrer Eigenkompositionen noch einmal wiederholt.

So ruhig zeigt sich Lindsey Stirling selten: Die Geigerin überzeugt in Köln auch mit Akustik-Versionen

Zwar rundet die Choreografie die Musik ab, irritiert aber auch mitunter. Den Bogen schwingt sie manchmal kreisend um sich herum, das erinnert doch eher an fuchteln. Aber natürlich ist Tanzen schwierig, wenn beide Arme mit Spielen beschäftigt sind. Umso eindrucksvoller, dass Stirling ihr Ding einfach durchzieht, gerade weil es auf ihrem Erfolgsniveau einzigartig ist.

Wer sich jetzt fragt, ob die Tanzshow von Stirlings Können ablenken soll, der wird in Köln eines Besseren belehrt. Sie spielt zwei Songs in einer Akustik-Version nur mit Gitarrenbegleitung, das ist ungewöhnlich für sie. Stirling ist nämlich krank, sagt sie, sitzt hustend auf einem Barhocker auf der Bühne. So ruhig kennt man sie sonst nicht. Das Konzert am Dom habe sie sich trotzdem nicht entgehen lassen wollen: „Das ist eine einmalige Gelegenheit – in den USA gibt es solche Orte nicht.“

Also bekommt das Publikum „The Arena“ und „Masquerade“ auf der ursprünglichen Violine zu hören. „Rohe Geige“ nennt Stirling das Instrument, das sie bis zu ihrem 20. Lebensjahr ausschließlich spielte. Das passt auch besser zum sitzenden Setting der Kölner Konzertreihe „Weltstars auf dem Roncalliplatz“. Stirlings Show, andernorts sogar mit Trapez und Akrobatik, ist für eine dynamischere Atmosphäre ausgelegt.

Eine letzte Ermächtigung des Abends schenkt sie der Violine mit ihrem Led Zeppelin-Cover von „Kashmir“. Es muss auf der Geige nicht immer Klassik sein. Ein letzter Beweis, dass die Vermischung von Klassik mit Elektronik und diesmal auch Rock, wie Stirling sie vorantreibt, hervorragend funktioniert. Und dass auch Lieder nach modernem Kompositionsmuster keinen Vokalpart brauchen.