Im neuen „Tatort“ aus Köln gerät einer naiver, junger Mann in die Fänge eines windigen Geschäftsmanns - mit fatalen Folgen.
So wird der neue „Tatort“ aus KölnWie naiv kann man sein?
Es gibt eine eigentlich simple Regel, deren Einhaltung vielen Menschen viel Leid ersparen würde: Wenn etwas zu schön aussieht, um wahr zu sein, dann ist es vermutlich nicht wahr. Der neue Kölner „Tatort“ mit dem Titel „Pyramide“ versucht sich an einer Erklärung, warum wir manchmal doch unseren Verstand ausschalten, wenn plötzlich irgendwo das ganz große Glück zu warten scheint. Und er tut das mit einer gesunden Mischung aus Empathie und der Frage „Wie kann man nur so naiv sein?“
Bei André Stamm (Rouven Israel) ist es die Hoffnung aufs schnelle Geld, die ihn alle Warnsignale übersehen lässt. Seine Frau Anja (Roxana Samadi) erwartet das erste gemeinsame Kind. Um seiner kleinen Familie etwas bieten zu können und nicht mehr jeden Euro zweimal umdrehen zu müssen, lässt es sich von seinem ehemaligen Bundeswehr-Kameraden Robert „Rocko“ Andersen (Oleg Tikhomirov) überreden, bei der Investment-Firma „Concreta“ einzusteigen. Rocko hat es dort geschafft, in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen. Und er verspricht André, dass auch auf ihn nun das süße Leben warte.
Ein Anwalt wird erschlagen
Der Haken an der Sache ist natürlich offensichtlich: Christopher Komann (Robin Sondermann), Chef der Firma, hat ein Schneeball-System aufgebaut, das ihn und vielleicht noch ein, zwei andere reich macht - und den Rest ins Unglück stürzt. Denn nach einem ersten Verkaufserfolg, der manipuliert war, muss André irgendwann Freunde und Familie für die Finanzprodukte gewinnen. Die investieren gutgläubig, und verlieren - genauso wie er selbst - alles.
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Als ein Verbraucheranwalt, der eine Sammelklage gegen Komann initiieren wollte, diese doch wegen angeblich mangelnder Erfolgsaussichten fallen lässt, scheint alles verloren. Dann wird der Anwalt erschlagen. Und André Stamm ist natürlich Hauptverdächtiger.
Das Drehbuch des erfahrenen Duos Arne Nolting und Jan Martin Scharf (unter anderem „Club der roten Bänder“) erzählt den Fall nicht chronologisch, sondern auf verschiedenen Zeitebenen. Zu Beginn des Krimis sehen wir die eingesperrte Frau von Rocko Andersen. Dann scheint dieser plötzlich Amok zu laufen und hält seinem Chef eine Pistole an den Kopf. Er soll zugeben, dass sein Geschäftsmodell auf Betrug basiert.
Wie alles mit allem zusammenhängt, erfahren wir in Rückblenden. Dass André Stamm in den Fall verwickelt ist, ist klar. Aber hat er auch den Anwalt erschlagen?
Filme und Serien, die die Gier nach dem schnellen Geld thematisieren, gibt es viele. Ob „The Wolf of Wall Street“ oder die Netflix-Serie „King of Stonks“, solche Geschichten leben davon, dass sie uns glaubhaft den Irrsinn dieser Welt vermitteln. Robin Sondermann legt seine Rolle deutlich erkennbar in Richtung von Leonardo DiCaprios Jordan Belfort an. Natürlich ist die Verführung in der Glamourwelt New Yorks glaubhafter zu verkaufen, als in einem tristen Büro irgendwo in Köln, aber Sondermann macht seine Sache gut. Den überdrehten Egozentriker nimmt man ihm durchaus ab. Auch Rouven Israel kann als Verführter überzeugen.
Die beiden Kommissare halten sich hingegen angenehm zurück, was dem Film auch deshalb guttut, weil der eigentliche Kriminalfall nicht der stärkste Teil der Verführungsgeschichte ist, die Charlotte Rolfes bei ihrem „Tatort“-Debüt souverän inszeniert.