Köln – Die ersten Solidaritätskonzerte für die Ukraine gab es bereits vergangene Woche. Ensemblemitglieder der Oper Köln veranstaltete im Staatenhaus ein Programm „Singen für den Frieden“. Spenden in Höhe von mehr als 11.000 Euro gingen an den Förderverein der Lutherkirche Südstadt-Leben e.V. sowie an Unicef.
Das Benefizkonzert von Zamus Zentrum für Alte Musik „Musik gegen den Krieg“ gestalteten in der Sülzer Eventlocation Ventana Musikerinnen und Musiker verschiedener Nationen, darunter die Ensembles Concerto Köln und Kölner Akademie. Auch hier wurde für Unicef gespendet.
Das größte „Solidaritätskonzert zugunsten der ukrainischen Bevölkerung“ fand nun in der Philharmonie statt. Intendant Louwrens Langevoort unterstrich die „völkerverständigende Kraft der Musik“. Neben Werken ukrainischer Komponisten wurden daher bewusst auch solche russischer Komponisten gespielt, „die nichts dafür können, dass der russische Präsident diesen Angriffskrieg entfacht hat“.
Henriette Reker heißt alle vor dem Krieg Geflüchteten willkommen
Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärte, in Köln seien all jene Menschen willkommen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen. Momentan kommen täglich vier- bis fünfhundert aus der Ukraine. Das Podium war durch die gelb erleuchtete Orgel und die blau bestrahlten Metallsäulen in die ukrainischen Nationalfahnen gehüllt. Gemäß den noch geltenden Corona-Auflagen war das Konzert ausverkauft. Die Eintrittseinnahmen und Spenden gehen an das Bündnis Entwicklung Hilft und die Aktion Deutschland Hilft. Die Bereitschaft unter den Musikerinnen und Musikern, „ein Zeichen für Frieden und Verständigung“ zu setzen, war überwältigend. Alle traten ohne Gage auf.
Vertreten waren denkbar verschiedene Stilistiken und Epochen von Barockmusik über Romantik bis zu zeitgenössischen Werken sowie unterschiedliche Besetzungen vom Solo über Kammer- und Ensemblemusik bis zu Chor und Sinfonieorchester.
Der WDR-Rundfunkchor begann mit Valentin Silvestrovs melancholischem „Gebet für die Ukraine“. Der weltbekannte ukrainische Komponist schrieb das Stück 2014 angesichts der damaligen Maidan-Proteste in Kiew. Mit „Marevo“ der 1986 in Kiew geborenen Anna Korsun folgte ein Klagegesang permanent gleitender Tonhöhen von Streichern, Synthesizer und zwei singenden Sägen.
Ukrainische Volkslieder
Das Ensemble Modern, das dieses Konzert ursprünglich alleine bestritten hätte, brachte unter Leitung von Jonathan Stockhammer auch ein weiteres Werk der jungen Ukrainerin Anna Arkushyna zur Aufführung. Dazwischen improvisierter Pianist Vitaly Kyianytsia über drei ukrainische Volkslieder.
Das Ensemble Musikfabrik spielte unter Enno Poppe das Quintett „Echoes of Drowning Reflections“ des 1981 in Kiew geborenen Maksym Kolomiiets, der einst an der Kölner Musikhochschule studierte. Die Musik schwankt ständig zwischen Ton und Geräusch, Licht und Schatten, Ruhe und flatterhafter Hysterie. Guten Willen bekundeten auch Concerto Köln und das Klavierduo Gülru Ensari/Herbert Schuch, auch wenn Händel, Brahms, Dvořák und der türkische Komponist Oguzhan Balci nicht ins Programm passten.
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Das Gürzenich-Orchester unter Nicholas Collon glänzte mit der Streichorchesterfassung von zwei Sätzen aus Schostakowitschs achtem Streichquartett, in dem der russische Komponist die DSCH-Toninitialen seines Namens trotzig über den Stalinismus triumphieren lässt. Sehr eindrucksvoll gelang Bohuslav Martinús „Denkmal für Lidice“. Der Tscheche schrieb diese ebenso trauernde und gewaltsame wie hoffnungsvoll strahlende und kraftvolle Musik 1943 in Gedenken an das im Vorjahr von deutschen Besatzern im gleichnamigen böhmischen Dorf angerichtete Massaker.
Den Schlusspunkt setzte das WDR Sinfonieorchester unter Andris Poga. Einer Streicher-„Hymne“ von Silvestrov und der Orchesterfassung des zweiten Gesangs aus Brahmsʼ „Vier ernsten Gesängen“ mit Bariton Christian Miedl folgte das Finale von Tschaikowskys sechster Sinfonie „Pathetique“. Der russische Komponist stellte 1893 erstmalig in der Musikgeschichte dieses „Adagio lamentoso“ an den Schluss einer Sinfonie. Nach einer Steigerung zu verzweifelt-aufgewühltem „Vivace“ verebbt der Satz pianissimo im dunkelsten Trauerflor der Celli und Bässe. Ein denkbar düsteres Ende.