Eine große Fensterfront lässt das Café Fleur auf der Lindenstraße auch im Winter noch hell und freundlich wirken. Schon von der Straße aus gibt sie den Blick frei auf den halbmondförmigen Raum. Es war der besondere Charme dieses Cafés, die Mischung aus Nostalgie und Offenheit, die es Kevin Kader und seinen Kommilitonen vor fünf Jahren angetan haben. Sie waren damals auf der Suche nach einer Location für ihr Projekt, das sie ins Leben rufen wollten: Land in Sicht – eine monatliche Lesereihe für junge Literatur in Köln. Alle selber junge Autoren und Autorinnen, wollten Kader und seine Freunde einen Ort in Köln schaffen, an dem sich die junge Literaturszene treffen und vernetzen könnte.
Von der Ursprungserzählung, wie die Initialidee zustande kam, einfach selber einen solchen Ort zu schaffen, gibt es mittlerweile mehrere Versionen, erzählt Kader. „Wir haben eine solche Veranstaltung vermisst, wo es regelmäßig junge Literatur zu sehen gibt, wo wir also selber gerne hingehen würden. Von der ersten Veranstaltung an waren dann die Resonanz und die positiven Reaktionen unglaublich hoch, was uns gezeigt hat, dass der Bedarf auch bei vielen anderen da war.“
„Junge Literatur“ definiert Kader dabei keineswegs als eine Frage des Alters. Jeden Monat laden er und sein Team vier Autoren und Autorinnen ins Café Fleur ein, lesen darf dabei prinzipiell jeder, wichtig ist nur, dass er oder sie sich noch am Anfang ihrer literarischen Laufbahn befinden. Für etablierte Schriftsteller gebe es, so Kader, in Köln schließlich bereits genug Räume, zu Wort zu kommen, sei es das Literaturhaus Köln oder die lit.Cologne.
Doch es blieb nicht lange allein bei der Lesereihe: „Wir haben bei Land in Sicht festgestellt, dass szenische Lesungen beim Publikum sehr gut ankommen. Dadurch ist uns dann auch aufgefallen, dass der szenische Text, auch in Abgrenzung zur Autorenlesung, relativ wenig Raum hat, sich zu präsentieren.“ Kurzerhand stellten Kader und Co. gemeinsam mit der NRW-weiten Theaterinitiave Cheers for Fears also ein Festival auf die Beine, bei dem der szenische Text ganz im Zentrum stehen darf: Das Auftakt-Festival. Auch dem Hörspiel verschaffen sie seit nun zwei Jahren mit der Hörspielwiese einen Platz im öffentlichen Raum der Stadt Köln.
Ebenfalls seit zwei Jahren vergeben er und sein Verein Land in Sicht darüber hinaus einen eigenen Förderpreis. Das diesjährige Thema des Preises lag Kader selbst besonders am Herzen: „Klassenlos. Wer zahlt? Wer zählt? Wer nicht?“ Obwohl sich der Literaturbetrieb mit vielen unterschiedlichen Diskursen befasse, stelle die soziale Marginalisierung leider immer noch eine Art blinden Fleck in der deutschsprachigen Literaturlandschaft dar. An den Unis studierten noch immer kaum Menschen, deren Eltern keinen akademischen Abschluss haben. „Das führt häufig einfach dazu, dass Stimmen im literarischen Diskurs fehlen, die etwas anders machen oder etwas anders sehen. Es kann nur bereichernd sein, diese Stimmen zuzulassen“, so Kader. Mit dem Preis wollte Kader genau an dieser Stelle einhaken und Autoren fördern, die sich literarisch mit diesem Problem befassen.
Neben seinem Engagement hat Kader sich zu Anfang dieses Jahres darüber hinaus mit seinem eigenen Craft Beer Tasting selbstständig gemacht. Und findet daneben auch noch Zeit, selber den neuen Masterstudiengang mit dem etwas sperrigen Namen „Theorien und Praktiken des professionellen Schreibens“ an der Uni Köln zu studieren. Aus Köln wegzugehen, kann er sich derzeit nicht vorstellen. „Mir kommt Köln Jahr für Jahr, was die Literaturszene im Besonderen und die Kulturszene im Allgemeinen betrifft, lebendiger vor. Außerdem habe ich noch vieles vor, hier umzusetzen.“
ZUR PERSON UND ZUR REIHE
Jede Kulturszene ist auf den Nachwuchs angewiesen, damit neue Impulse entstehen. Welche Ausbildungsmöglichkeiten und Perspektiven findet dieser in Köln vor, was sind Anreize, hierzubleiben und nicht nach Berlin abzuwandern?
Kevin Kader wurde 1988 in Frechen geboren und studiert Deutsche Sprache und Literatur in Köln. Mitinitiator von Land in Sicht, einer Lesereihe für junge Literatur. 2015 Gewinner des Regiewettbewerbs der Studiobühne Köln.