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Tom Buhrows Abschied als WDR-IntendantDas Ende eines Missverständnisses

Lesezeit 6 Minuten
Tom Buhrow

Tom Buhrow

Tom Buhrow startete 2013 mit viel Liebe und Optimismus im Gepäck als WDR-Intendant. Er musste schmerzhaft lernen, dass Geselligkeit und gute Laune nicht ausreichen, um die größte ARD-Anstalt zu leiten.

Wer beim Sommerfest der Filmstiftung NRW in der Wolkenburg im vergangenen Juni nicht so genau hinschaute, konnte den grauhaarigen Herren im Freizeitoutfit mit Jeanshemd und heller Hose glatt übersehen: Man sah Tom Buhrow an diesem Abend nicht so recht an, dass er einer der mächtigsten Männer in der ARD ist, der WDR-Intendant erweckte vielmehr den Eindruck, schon da auf großer Abschiedstournee und seinem Amt in gewisser Weise entrückt zu sein.

Wenn man sich Fotos von Tom Buhrow aus seiner Anfangszeit als Chef der größten ARD-Anstalt im Jahr 2013 anschaut und sie mit Aufnahmen von heute vergleicht, muss man zwangsläufig an die Fotografien denken, die Herlinde Koelbl über viele Jahre von Angela Merkel machte. Jeder altert im Laufe einer Dekade, aber Buhrow haben sich der Stress und die sicher vielen langen Arbeitstage besonders deutlich ins Gesicht geschrieben.

Tim Buhrow steht im Studio der Tagesthemen. Er trägt einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd.

Buhrow während seiner letzten Moderation der „Tagesthemen“ im Juni 2013

Den jugendlichen Charme, den er einst versprühte, hat der 66-Jährige verloren. Es ist verständlich, dass er kürzlich im Abschiedsinterview mit „Der Journalist“ sagte, er brauche jetzt erst einmal Abstand. Für ein Abschiedsgespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ fand Buhrow in den letzten zwei Monaten seiner Amtszeit keine Zeit.

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Was bleibt also von einem Journalistenleben, das sich bis auf die Anfänge vollständig im WDR abspielte? Man vergisst es heute leicht, aber als Buhrow 2013 Nachfolger von Monika Piel wurde, war er ein beliebter Nachrichtenjournalist. Viele Jahre hatte er als Korrespondent in Washington gearbeitet, zuletzt leitete er das dortige ARD-Studio. 2006 wurde er als Nachfolger von Ulrich Wickert Moderator bei den „Tagesthemen“.

Er kannte den WDR gut und fühlte sich ihm verbunden, als er 2013 als Überraschungskandidat für den Intendantenposten ins Rennen ging. Schon damals wurden allerdings Stimmen im Rundfunkrat und auch im Sender laut, dass er nicht der richtige Mann für den Posten sei, weil er über keinerlei Managementerfahrung verfügte.

Doch was bei jedem großen Konzern undenkbar ist, wurde im WDR Realität: Der ausgebildete Journalist wurde gewählt und führte fortan die größte ARD-Anstalt, die zum Zeitpunkt seines Ausstiegs mit 1,6 Milliarden Euro Aufwendungen für 2025 rechnet.

Mit Optimismus und guter Laune

Doch Buhrow schien zu glauben, dass mit Optimismus und guter Laune schon viel zu bewegen sei. Und dann hatte er ja auch noch die Liebe im Gepäck, wie er zum Einstieg verkündete. Dass er mit dem ehrlichen Willen angetreten war, den WDR in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, nahm man ihm ab. Dennoch wird er diesen Satz oft bereut haben, im Laufe seiner gut elf Jahre als Intendant.

Er hatte das Pech, in einer Zeit an der Spitze des WDR zu stehen, in der der Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beständig wuchs. Kritisiert wurde er schon immer, aber heute sitzt eine Partei im Bundestag, die ihn am liebsten abschaffen würde. Auch viele Politikerinnen und Politiker anderer Parteien wissen, dass scharfe Kritik an der ARD bei vielen Wählerinnen und Wählern gut ankommt.

Tom Buhrow versuchte, den drohenden Finanzierungslücken vorzubeugen und verordnete dem WDR ein Sparprogramm. 500 Planstellen wurden im Haus in den vergangenen Jahren abgebaut. Doch das ändert nichts daran, dass der WDR gigantische Rückstellungen für die Renten seiner Mitarbeiter bereithalten muss, allein für Buhrow, seit Jahren Bestverdiener in der ARD, sind es rund 4,5 Millionen Euro.

Das sorgt auch im Sender für viel Unverständnis, zumal Einsparungen oft das schwächste Glied der Kette trafen, die freien Journalistinnen und Journalisten, die das Programm des WDR maßgeblich inhaltlich prägen. Das offenbart sich auch gerade in den Tarifverhandlungen. Außerdem waren es oft Kulturprogramme, bei denen gespart und zusammengelegt wurde.

Fehlendes Fingerspitzengefühl

Mit Personalentscheidungen wie der Verpflichtung von Valerie Weber, die vom Privatfunk kam und Hörfunkdirektorin wurde, befeuerte Buhrow die Kritik noch. Launige Doppelmoderationen und kurze Beiträge mögen bei der privaten Konkurrenz sinnvoll und notwendig sein, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte eigentlich in die Tiefe gehen. Das Personal dafür hat er, aber es gab wenig Unterstützung für die, die nicht seichter und populärer werden wollten.

Buhrow fehlte das nötige Fingerspitzengefühl bei solchen Entscheidungen, was überrascht, wenn man bedenkt, wie gut er den WDR kennt. Der heute 66-Jährige kann sehr lustig und charmant sein, wenn er in der Öffentlichkeit auftritt. Er lacht gern und laut, hat eine gewinnende Art. Doch intern sah das offenbar oft anders aus. Er sei wenig entscheidungsfreudig, ducke sich weg, stärke seinen Leuten nicht den Rücken, sagen Menschen, die mit ihm zusammenarbeiteten. Es fehle ihm in Konfliktsituationen an Haltung. Der Sender rühmte sich früher seiner Streitkultur, doch davon ist nicht mehr viel übrig geblieben, glaubt man den Kritikern.

Der Kulturwandel blieb aus

Das Versprechen eines Kulturwandels, den der Intendant dem Haus nach einem MeToo-Skandal im Jahr 2018 verordnet hatte, schien nur ein Lippenbekenntnis gewesen zu sein. Die Gewerkschafterin Monika Wulf-Mathies hatte auf Buhrows Bitte ein Gutachten über das Betriebsklima vorgelegt. Die Ergebnisse waren so eindeutig wie erschreckend. „Es hat sich sehr schnell gezeigt, dass das Thema sexuelle Belästigung nur die Spitze des Eisbergs ist, hinter dem sich Machtmissbrauch, vielfältige Diskriminierungserfahrungen und eine Unzufriedenheit mit dem Betriebsklima verbergen“, resümierte Wulf-Mathies. Geändert hat sich indes in den kommenden Jahren nur wenig.

Tom Buhrow mit seiner Nachfolgerin Katrin Vernau.

Tom Buhrow mit seiner Nachfolgerin Katrin Vernau.

Das schwierige Verhältnis von Geschäftsführung und Belegschaft zeigte sich auch bei der Kontroverse um ein eigentlich harmloses Satire-Video. 2020 sorgte die satirische Umdichtung des Kinderliedes „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“, aus dem ein Kinderchor „Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau“ machte, für einen auch von Rechten befeuerten Shitstorm. Buhrow meldete sich reumütig vom Krankenbett seines Vaters, bat öffentlichkeitswirksam um Entschuldigung. Viele im WDR nahmen ihm übel, dass er sich damals nicht schützend vor die Redaktion stellte.

Und wenn Buhrow dann mal versuchte, in einer Debatte mutig voranzugehen, verhob er sich mitunter. Zuletzt, als er im November 2022 eine Grundsatzrede im Hamburger Übersee-Club hielt. Er war damals Interimsvorsitzender der ARD, nachdem rbb-Intendantin Patricia Schlesinger den Posten abgegeben hatte. „Wir müssen die große Reform wagen“, sagte er damals und warf die richtigen Fragen auf – aber zum völlig falschen Zeitpunkt. Schließlich hätte er viele Jahre Zeit und Macht genug gehabt, eben diese Themen anzugehen.

Dazu ist es nicht gekommen, am 13. Januar wird Tom Buhrow offiziell verabschiedet, seine Nachfolgerin Katrin Vernau ist seit 1. Januar im Amt. Er werde sich vielleicht ein E-Bike kaufen, hat er kürzlich angekündigt. Keine schlechte Idee. Dann hätte er bei langen Fahrradtouren ausgiebig Zeit, über das unglückliche Ende einer Beziehung nachzudenken, die einst so vielversprechend gestartet war.