- Tommi Schmitt wurde durch seinen Podcast "Gemischtes Hack", den er mit Comedian Felix Lobrecht macht, bekannt. Für seine erste eigene Fernsehshow wagte er den Schritt vor die Kamera.
- Im Interview erzählt der 32-Jährige, was ihn am linearen Fernsehen fasziniert, warum er sich niemals googelt und warum ein Podcast ein entlarvendes Medium ist.
Herr Schmitt, Sie sind mit Felix Lobrecht der erfolgreichste Podcaster Deutschlands. Jetzt haben Sie mit „Studio Schmitt“ auch den Schritt vor die Fernsehkamera gewagt. Diese Karriere hätte es so früher nicht gegeben. Da bekam man eine eigene Sendung erst mit viel Fernseherfahrung. Wie groß war das Gefühl, vom Zehner zu springen ohne zu wissen, wie es ausgeht?Schmitt: Schon sehr groß, aber mein Vorteil ist, dass ich ja immer schon beim Fernsehen gearbeitet habe. Ich weiß, wie es hinter der Bühne aussieht, das überrascht mich nicht. Aber natürlich habe ich das immer nur in beratender Tätigkeit gemacht - und jetzt steh ich im Mittelpunkt. Es wird sich noch zeigen, ob das ein Vor- oder Nachteil ist. Gefährlich oder gruselig fühlt es sich nicht an. Aber das Bild mit dem Zehner passt insofern gut, weil es irgendwann kein Zurück mehr gab. Ich habe gesagt, ich mach das, und in dem Moment klettert man auf den Zehner. Spätestens mit der ersten Pressemitteilung dachte ich, um im Bild zu bleiben, jetzt stehen die Klassenkameraden unten am Beckenrand, jetzt kann ich mir nicht die Blöße geben, nicht zu springen.
Was reizt Sie am Fernsehen?
Ich bin, was Medien angeht, eher konservativ. Ich nutze Instagram und schau ab und zu Netflix, aber ich bin ein großer Fan von Print-Zeitungen und linearem Fernsehen. Das ist keine Koketterie. Ich kaufe mir jeden Tag eine Zeitung und schau abends in 90 Prozent der Fälle lineares Fernsehen. Ich bin Fernsehfan. Menschen behaupten immer, das Fernsehen stirbt, aber geh mal ins Fernsehen und schau, was dein Puls macht und nimm im Vergleich mal ein Podcast-Mikro. Das ist ein Riesenunterschied.
Auch die mediale Aufmerksamkeit die man erhält, ist eine andere, oder?
Total. Das wird ganz anders journalistisch begleitet. Keine Podcast-Folge wird analysiert, aber die Sendung wurde es natürlich. Ich finde es kurios, wie mystisch dieses Medium immer noch ist. Es ist das letzte Medium, das eine Lagerfeuer-Atmosphäre schaffen kann, weil alle gleichzeitig gucken. Das passiert beim Streaming oder Podcast nicht. Dieses zeitlich Begrenzte beim Fernsehen, diese Verknappung, finde ich wahnsinnig cool.
Mehr Aufmerksamkeit heißt auch mehr Kritik. Gerade in sozialen Netzwerken fällt die auch mal heftig aus. Wie gehen Sie damit um?
Ich google mich nicht, ich gucke nichts von mir, ich höre nichts von mir an. Das ist natürlich auch eine Schwäche, weil ich dadurch ja besser werden könnte. Ich lese auch nichts, das kann verletzend sein und nerven. Wir Menschen sind ja so: 99 Leute sagen etwas Nettes, einer etwas Negatives, und dann fragt man sich den ganzen Tag warum.
Ich schau auch nicht, was in Social Media über mich geschrieben wird, da wird man ja verrückt. Das kostet auch viel zu viel Zeit und Energie. Aber berechtigte Kritik kommt schon bei mir an. Die analysiere ich dann auch selbstkritisch.
Nun gibt es ja viele Personality-Shows im deutschen Fernsehen. Wo sehen Sie Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Ich will da nicht das Rad neu erfinden. Ich bin aber großer Talkfan. Ich hatte immer das Problem, dass mir in Personality- und Late-Night-Shows der Talk zu kurz kam. Mir ist das zu wenig, wenn man nur mal die neue CD ins Bild hält. Jeder hat doch etwas Spannendes zu erzählen. Da wollte ich ansetzen. Der Gast soll im Vordergrund stehen. Ich will ins Gespräch kommen. Das kann man tatsächlich von der Podcast-Welt adaptieren ins Fernsehen.
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Und wie groß war der Schritt, zu Beginn Stand-up zu machen? Da ist man ja ganz auf sich gestellt.
Der Schritt ist schon krass, weil es einen hohen Peinlichkeitsfaktor gibt. Der Nachteil ist, dass es gerade kein Publikum gibt. Man macht also Witze ins Leere, das ist ein komisches Gefühl. Und ich habe ja auch keinen Sidekick. Ich mache das alles mit mir aus, die Kamera ist konsequent auf mich ausgerichtet. Das ist ein Riesenschritt, aber ich hielt den für unumgänglich. Ich habe auch Spaß dran. Aber es ist schon ungewöhnlich, dass es jemand macht, der noch nie auf einer Bühne stand.
Sie arbeiten schon lange als Autor. Aber wie kam es zur eigenen Show?
Es kamen mehrfach Anfragen im vergangenen Jahr, ob ich mir nicht vorstellen kann, auch mal etwas vor der Kamera zu machen. Ich war eigentlich super glücklich mit dem Podcast und als Autor. Das war perfekt – hinter den Kulissen, aber trotzdem konnte ich mein Sendungsbedürfnis, das schon da ist, befriedigen. Mich hat es nie ins Licht gezogen. Felix Lobrecht und ich hatten aber auch mal Bühnenauftritte und waren bei Klaas Heufer-Umlauf in der Show zu Gast, da hab ich gemerkt, dass ich die Bühnennervosität abgelegt habe und daran Spaß hatte. Hätte ich abgesagt, hätte ich mich vielleicht mein ganzes Leben lang gefragt, wie das geworden wäre. Und den Gedanken finde ich unangenehmer als zu scheitern. Ich komme ja aus Ostwestfalen und mit der dafür typischen Euphorie habe ich gesagt: Warum eigentlich nicht?
Und wie ist es, dass Sie jetzt nicht mehr Gags und Moderationen für andere schreiben, sondern Autoren und Autorinnen für Sie arbeiten?
Das ist schon kurios. Für mich ist das komisch, jetzt im Mittelpunkt zu stehen und die Entscheidung treffen zu müssen. Aber ich schreibe ja weiterhin mit. Es macht mir einfach Spaß. Als Autor ist man ein sehr beobachtender Mensch. Das nervt auch manchmal, weil man in Situationen, in denen man besser zuhören sollte, überlegt, wie der andere sich zeigt, was er trägt, welche Mimik er hat. Man ist wie der Zuschauer in einem Tennisspiel, schaut immer von links nach rechts, aber man selbst sitzt nur auf der Tribüne.Wie wird man denn überhaupt Comedy-Autor?
Ich habe mich immer schon viel mit Medien und Fernsehen beschäftigt und wusste schon früh, dass es diesen Job gibt, was ja viele Deutsche bis heute nicht wissen. Ich habe das aber nie als Ziel oder Traumjob empfunden. Ich habe Journalismus studiert und dann ein Volontariat in der Unternehmenskommunikation von Borussia Mönchengladbach gemacht. Daran hab ich ein Studium der Unternehmenskommunikation gehängt. Währenddessen habe ich aber viel Zeit in sozialen Medien verbracht und angefangen, das Tagesgeschehen im Internet zu kommentieren.
Und dann?
Das hat sich dann irgendwann so großer Beliebtheit erfreut, dass wichtige Leute aus der Medienbranche aufmerksam geworden sind und mich gefragt haben, ob ich Gags für Shows schreiben will. Später wurde ich gefragt, ob ich auch Moderationen schreiben und an Sendungskonzepten mitarbeiten will. Dann habe ich etwas gemacht, das gar nicht zu meinem Naturell passt, weil ich eher sicherheitsbedacht bin. Ich habe das Studium in Hannover geschmissen und bin zurück nach Köln gezogen. Und dann hab ich irgendwann Felix kennengelernt und wir haben den Podcast angefangen.
„Gemischtes Hack“ ist der erfolgreichste Podcast Deutschlands. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Es ist tatsächlich schwer. Man muss ja generell fragen, warum Podcasts bei uns so erfolgreich sind. Das ist ein deutsches und amerikanisches Phänomen. Das liegt an unserer Radio- und Hörspielkultur und an unserem Effizienz-Gedanken, glaube ich. Ich räume die Geschirrspülmaschine aus und brauche parallel Content. Das ist schön und gleichzeitig gruselig und traurig. Ich glaube, das ist ein Grund, warum Podcasts erfolgreich sind. Warum unserer so erfolgreich ist, ist schwer zu sagen. Vermutlich ist die Humorfarbe, die den Nerv der Leute trifft. Mehr kann ich dazu gar nichts sagen. Wir reden ja über alles und nichts – von Säbelzahntigern bis AstraZeneca. Ein Rezept gibt es da nicht.
Denken Sie dabei darüber nach, wie viel Persönliches Sie preisgeben wollen?
Währenddessen denke ich nicht darüber nach. Man unterschätzt es auch, dass sich nach so vielen Folgen Puzzleteile zusammenfügen. Klaas Heufer-Umlauf hat mal gesagt, dass ein Podcast ein entlarvendes Medium ist hinsichtlich des Charakters. Das stimmt. Man kann sich noch so cool geben, die Leute sind clever und checken, wie ich bin. Man kann das nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen. Ich merke das auch, wenn mich Leute auf der Straße ansprechen. Die behandeln mich wie einen Freund, was ich schön finde. Aber es ist auch kurios, denn ich kenne die Leute ja gar nicht.
Stört Sie das?
Sich darüber zu beschweren, wäre hirnrissig. Ich verbringe mindestens eine Stunde in der Woche mit diesen Leuten und für die ist das vermutlich wie ein Telefongespräch, bei dem sie nichts sagen können. Ich bin Teil des Lebens dieser Menschen. Wir schneiden auch nur ganz selten, weil wir ungefiltert drauflos reden möchten. Und es ist das Schöne, dass ich diese ungefilterte Welt bespielen kann und die sehr geplante Fernsehwelt. Das macht mich sehr glücklich.
Was macht die steigende Popularität mit Ihnen?
Auch da ist es ein Vorteil, dass ich schon länger beim Fernsehen arbeite und viel mit bekannten Menschen zu tun habe. Ich habe das also schon mitbekommen. Ich bin nicht komplett ins kalte Wasser gesprungen. Aber klar, es ist schon merkwürdig, durch Köln zu gehen und erkannt zu werden. Bisher nervt mich das überhaupt nicht. Das ist neu und auch witzig. Gerade Kölner kommunizieren das eher lustig und nett und nicht aufdringlich. Sie wachsen eben mit diesem Fernsehding auf, hier ist das nichts Besonderes. Jeder Zweite arbeitet beim WDR oder bei RTL. Fernsehen ist in Köln kein besonderer Berufszweig.
Sie stammen aus Ostwestfalen, wie unterschiedlich ist die Mentalität im Vergleich zu der der Kölner?
Ich bin 2009 nach Köln gezogen, war nur zwischenzeitlich mal weg. Ostwestfalen sind stiller und zurückhaltender. In Köln kann man tatsächlich allein in die Kneipe gehen und verbringt den Abend nicht allein. Man findet schnell Anschluss. Kölner sind wirklich so. Ich stand dem Karneval anfangs eher skeptisch gegenüber, dachte da an Folklore und Schützenfest. Dann wurde mir von einem Kölner der Kopf gewaschen, ich habe mitgemacht und Zack: Ich bin eine Riesen-Fan und finde es großartig. Ich kann alle Lieder auswendig, fühle mich hier sehr, sehr wohl und habe starke Heimatgefühle.