Weihnachtsoratorium mit dem brtischen Chordirigenten Simon Halsey in der Philharmonie.
WeihnachtskonzertHalsey lädt 200 Kölner zum Mitsingen ein
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Dirigent WDR Rundfunkchor
Probe mit dem WDR Rundfunkchor im KVB Saal
Foto:WDR/Ben Knabe"
Simon Halsey dirigiert den WDR-Rundfunkchor
Copyright: WDR/Ben Knabe
Let the People sing! Keine Frage, für dieses Motto einer begeisternden Aktivierung von Laien für klassische Musik steht in diesen Tagen kaum ein anderer Name so ein wie der des britischen Chordirigenten Simon Halsey. Seit der Spielzeit 2023/24 verantwortet er beim WDR so aufsehenerregende wie spektakulär erfolgreiche Mitsing-Projekte, deren Reihe soeben durch die Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium im Rahmen der Kontrapunkt-Konzerte in der Kölner Philharmonie fortgesetzt wurde. Klar, unten auf dem Podium, stand hinter dem (abgespeckten) WDR Sinfonieorchester die Profi-Mannschaft des WDR Rundfunkchors. Aber den kompletten Block Z füllte ein Projektchor aus nahezu 200 Amateursängerinnen und -sängern, die aus einer noch viel größeren Schar von Bewerbern ausgesucht worden waren.
So eine Masse in Bewegung zu setzen und mit ihr ein Klangergebnis zu erzeugen, das auch der anspruchsvolle Konzerthörer als satisfaktionsfähig akzeptieren kann – dafür braucht der Mann am Pult ein „Händchen“. Dieses Händchen ist schwer zu beschreiben, man stößt da schnell an eine Grenze: Es handelt sich um eine Mischung aus unbestechlicher und auch kaltblütiger Professionalität, Begeisterung und Begeisterungsfähigkeit, Charisma.
Simon Halsey vereint kaltblütige Professionalität mit Begeisterungsfähigkeit
Über all das verfügt Halsey offensichtlich in hohem Maße, und dass Eindrucksvolles dabei herauskommt, zeigte gleich der Eingangschor („Jauchzet, frohlocket“) des hier auf den Kern der ersten drei Kantaten reduzierten Bach'schen Großwerks. Da rollte keine diffuse Dampfwalze an, sondern da kam es gerade aus dem Block Z, mit freudevoller Präsenz und Agilität, bemerkenswert frisch in Figurenzeichnung, Artikulation und Intonation. Vor allem aber: Halsey hatte es geschafft, in kurzer Zeit aus vielen Sängern mit jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen einen homogenen Klangkörper zu schmieden. Das muss ihm erst mal einer nachmachen!
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Wo viel Licht ist, gibt es allerdings auch Schatten – und das gilt gleichfalls für diese respektheischende Aufführung. Dabei hatten die Schattenaspekte mit der Lichtseite zum Teil ursächlich zu tun: Halsey konnte zum Beispiel unter den gegebenen Umständen keineswegs jene sportiv-agilen Tempi wählen, mit denen die historische Aufführungspraxis gerne (übrigens nicht immer zum Vorteil des Werkes) brilliert. Und unmöglich hätte man für die Chöre eine gemächliche Gangart wählen und in den solistischen Mittelnummern dann aufdrehen können. So geriet das Ganze dann doch zu einer flächigen, etwas profil- und spannungsarmen, expressiv gedeckelter Darbietung mit wenig Binnendifferenzierung. Von diesem Manko waren dann leider auch die Choräle betroffen.
Klar, das schön aufspielende Orchester besteht nicht aus Bach-Experten, da fehlt es von Haus aus ein wenig an Metier. Trotzdem wäre es möglich gewesen, den Schlusschor der zweiten Kantate („Ehre sei Gott in der Höhe“) anders herüberzubringen. Der verlangt an der überwältigenden Stelle „Und Friede auf Erden“ einen kompletten Ausdruckswechsel, da darf einfach nicht so geschäftsmäßig abgewickelt werden, wie es hier geschah.
Meist, aber nicht durchweg Anlass zur Freude gab das Solistenquartett mit Julia Duscher (Sopran), Helen Charlston (Alt), Kieran Carrel (Tenor) und Jonas Müller (Bass). Jenseits vieler Trefflichkeiten haperte es da in unterschiedlicher Gewichtung an Intensität, Volumen und Aussagekraft. Den Vogel mit strahlender Verkündigungsstimme schoss wohl Carrel als Tenor (und damit Evangelist) ab.