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Wenn Kunst im Weg stehtWird auch der „Leuchtturm“ am Rheinauhafen ein Opfer des Verkehrs?

Lesezeit 5 Minuten
Ein rotes Quadrat auf einer Stele steht vor der Silhouette der Häuser am Rheinauhafen.

Der „Leuchtturm“ von Lutz Fritsch im Kölner Rheinauhafen.

Der Künstler Lutz Fritsch streitet mit der Stadt Köln um den Erhalt seiner Skulptur „Standortmitte“. Jetzt soll offenbar ein zweites seiner Werke dem Ausbau des Stadtverkehrs zum Opfer fallen.

Zunächst habe er an einen makabren Scherz gedacht, sagt Lutz Fritsch, und tatsächlich könnte man meinen, der Kölner Künstler sei in eine absurde Komödie geraten, deren Verfasserin die lokale Stadtverwaltung ist. Am 27. April, so erzählt es Fritsch, habe er einen Termin mit dem Dezernat für Mobilität gehabt, wo ihm der Beigeordnete Ascan Egerer über den jüngsten Stand beim Ausbau der Stadtbahn Süd berichtete. Die geplante Trasse führt über den Verteilerkreis und damit direkt an Fritsch‘ ikonischer Skulptur „Standortmitte“ vorbei. Der Künstler sieht sein Kunstwerk durch die Pläne „bedroht“ und hat die Verwaltung für ihr, wie er findet, „rücksichtsloses“ Vorgehen kritisiert.

Am Rheinauhafen soll eine Brücke für Radfahrer und Fußgänger errichtet werden

Ascan Egerer habe ihm beim Treffen keine großen Hoffnungen für die „Standortmitte“ gemacht, so Fritsch. Demnach prüft die Stadt derzeit eine weitere Tunnellösung, aber auch diese werde wohl das angrenzende Wasserschutzgebiet so sehr beeinträchtigen, dass sie nicht infrage komme. Schlechte Nachrichten ist Fritsch mittlerweile von der Stadt gewohnt. Die folgende überrumpelte ihn aber doch: Man plane, so Egerer, am Rheinauhafen eine Brücke über den Rhein zu bauen. Genauer gesagt: am Elisabeth-Treskow-Platz. Dort steht seit 2008 der „Leuchtturm“, ein Kunstwerk von Lutz Fritsch.

Wer den Elisabeth-Treskow-Platz am Rheinauhafen kennt, kann sich ausmalen, dass der „Leuchtturm“ in unmittelbarer Nachbarschaft einer weit geschwungenen Rheinquerung für Radfahrer und Fußgänger viel von seiner Wirkung verlieren würde. Er wäre ein Licht, das man nicht mehr richtig sieht. Die Skulptur besteht aus einer langen, silbergrau lackierten Stahlstele, auf deren Spitze sich in Höhe von 26 Metern ein Quadrat im Wind dreht. Dieses Quadrat hat eine grüne und eine rote Seite, in der Schifffahrt dienen diese Signalfarben dazu, die Fahrrinne zu markieren. Grün steht für Steuerbord (rechts), Rot für Backbord (links).

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Es gibt in der Stadtverwaltung weder ein Bewusstsein für die Kunst noch für die Qualität von Plätzen
Lutz Fritsch

Um Markierungen geht es auch Lutz Fritsch in seinem Werk. Er setzt Landmarken, Orientierungspunkte, in die städtische „Natur“, um ihren besonderen und manchmal auch gefährdeten Charakter zu betonen. Seine „Standortmitte“, zwei rote Stahlstelen, verbindet die Endpunkte der Autobahn zwischen Köln und Bonn miteinander wie riesige Stecknadeln auf einer Landkarte; der „Leuchtturm“ reklamiert das durch große Bauprojekte urbanisierte Hafengebiet symbolisch für den Schiffsverkehr, er beschwört den historischen Geist des Orts.

Mit dem „Leuchtturm“ gewann Fritsch im Jahr 2007 einen öffentlichen Wettbewerb. Sein Kunstwerk hat er für den Ort geschaffen und dessen Maße auf die Silhouette der umliegenden Bebauung abgestimmt – es lässt sich also nicht „einfach so“ versetzen. Das kommt einem bekannt vor: Es sieht alles danach aus, als würde sich das Spiel um die „Standortmitte“ nun am Rheinauhafen wiederholen. Und auch wenn Fritsch betont, er habe am Ausbau von Stadtbahn und Radverkehr nicht das Geringste auszusetzen, ist es für ihn ein böses Spiel.

Der Kölner Künstler Lutz Fritsch steht neben einer leuchtend roten Riesen-Stele im Kölner Verteilerkreis.

Der Kölner Künstler Lutz Fritsch posiert in Köln vor seinem Kunstwerk 'Standortmitte'.

Es gehört zu den bitteren Pointen dieses Wiederholungsfalls, dass in der Kunststadt Köln ausgerechnet die Kunst immer wieder dem ökologischen Ausbau des Stadtverkehrs im Weg steht. Wie bei der „Standortmitte“ wurde offenbar erneut der für solche Konflikte geschaffene Kunstbeirat nicht vorab informiert, bei einem Projekt, das der Stadtrat bereits im Jahr 2020 beschlossen hat. Fritsch hält die Art und Weise, wie die Verwaltung ihre Projekte angeht, daher für „indiskutabel“. „Es gibt dort weder ein Bewusstsein für die Kunst noch für die Qualität von Plätzen.“ Auch vom Elisabeth-Treskow-Platz bliebe vor lauter Brückenrampen möglicherweise nicht viel übrig, befürchtet Fritsch. Auf die Weisheit der Architekturentwürfe wagt er jedenfalls nicht zu hoffen.

Die Stadt Köln sieht das alles naturgemäß anders. Auf Anfrage dieser Zeitung teilte sie mit, der „Leuchtturm“ werde „im Rahmen des vorgesehenen wettbewerblichen Dialogs Beachtung finden“. Eine konkrete Planung gebe es zurzeit noch nicht, die Unterlagen würden „aktuell finalisiert“ und sollen im Sommer 2023 veröffentlicht werden. „Für die Auslobung des Wettbewerbs“, heißt es in der Antwort weiter, „wurden die zu berücksichtigenden Randbedingungen ermittelt. Eine dieser zu berücksichtigenden Randbedingungen ist das Kunstwerk.“

Man kann verstehen, dass dies die Sorgen des Künstlers nicht zerstreut; wer möchte sein Werk schon als „Randbedingung“ gewürdigt sehen? Auch die Versicherung, seine Skulptur werde „allenfalls mit Abstand tangiert“, da „die vorgesehene Achse der neuen Brücke außerhalb des Leuchtturms“ liege, dürfte für Fritsch ein wenig höhnisch klingen. Ähnlich argumentiert die Stadt bei der „Standortmitte“. Auch in diesem Fall heißt es, die geplante Straßenbahntrasse führe mit ausreichendem Abstand am Kunstwerk vorbei. Doch dass eine Stele nicht gefällt werden muss, schließt ja nicht aus, dass ihre Wirkung rustikal gekappt wird.

In anderen Bereichen als der Kunst beweist die Stadtverwaltung bei der Brückenplanung bislang größere Sensibilität. In einer Mitteilung an den Rat heißt es, bei einer verwaltungsinternen Abstimmung hätten sich Vorbehalte des Denkmal- und Landschaftsschutzes „insbesondere bezüglich der Rampenausbildung im Bereich der Rheinufer“ gezeigt. Bedenken des Kulturdezernats gab es hingegen anscheinend nicht.

In gewisser Hinsicht wird Fritsch ein Opfer seines besonderen Gespürs für exponierte Orte. Der Verteilerkreis ist das Kölner Südportal der automobilisierten Stadt, der Elisabeth-Treskow-Platz die Verlängerung des Ubierrings. An dieser Stelle hatte Albert Speer in seinem 2008 vorgestellten städtebaulichen Masterplan für Köln eine Rheinquerung vorgesehen, als Gegenstück zu einer Brücke, die von der Bastei auf die rechte Flussseite übersetzt; ein maßgeblicher Verkehrsring würde also für Radfahrer und Fußgänger auf die andere Rheinseite verlängert werden. Im großen Maßstab sieht das wie eine bessere Zukunft aus. Doch der Teufel steckt wie immer im Detail.