Lambert T. Koch ist Rektor der Uni Wuppertal und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz.
Im Interview warnt er vor der kirchlichen „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT). Sie biete keinen Mehrwert.
Kardinal Woelki schmücke sich bei der Verwendung von Begriffen wie „Exzellenz“ mit fremden Federn.
Herr Professor Koch, die Universität Bonn ruft zum Widerstand gegen die von Kardinal Rainer Woelki protegierte kirchliche „Katholische Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT) auf. Wie steht die Landesrektorenkonferenz (LRK) dazu?Lambert T. Koch: Was in der Hochschullandschaft Nordrhein-Westfalens geschieht, ist für die LRK naturgemäß von besonderem Interesse und Belang. So verfolgen wir seit geraumer Zeit mit wachsendem Befremden, was sich um den Aufbau der KHKT ereignet.
Was befremdet Sie?
Normalerweise wird ein neues Hochschulangebot mit vielen Beteiligten sorgfältig und mit gehörigem Vorlauf abgewogen – unter anderem mit Blick auf bereits Vorhandenes, auf die Finanzierbarkeit und mögliche Kooperationsoptionen. Im Falle der KHKT indes tritt ein einzelnes Bistum mit einem eigenen Studienangebot auf den Plan, offensichtlich ohne rechtzeitig vorher in kooperative Gespräche eingetreten zu sein, ohne hinreichende Kosten-Nutzen-Analyse und ohne die Hochschulgründung mit der bundesweiten katholischen Fakultäten- und Institutslandschaft abgestimmt zu haben.
Aber es gab doch Kooperationsanfragen – an die Kölner Universität, aber auch an Ihre Uni Wuppertal.
Tatsächlich hat der Kölner Erzbischof in der Gründungsphase der KHKT Ideen zur Kooperation bei der Lehrerausbildung an uns herangetragen. Damit verband er offenbar die Hoffnung auf eine staatliche Co-Finanzierung der KHKT. Doch was ist heute der angemessene Rahmen für die Ausbildung von Lehrkräften, die junge Menschen für den Religionsunterricht inmitten einer multikulturellen, weltanschaulich pluralen und säkularen Gesellschaft qualifizieren sollen? Mein Kölner Kollege Axel Freimuth und ich können, wie die LRK insgesamt, nicht erkennen, dass eine theologische Ausbildung unter den artifiziellen Bedingungen einer rein kirchlichen Einrichtung den Herausforderungen an künftige Religionslehrerinnen und -lehrer Rechnung tragen kann.
Warum nicht?
Weil es nicht zuletzt darum geht, durch eine solide Ausbildung satisfaktionsfähige Antworten auf die großen ethischen Fragen unserer Zeit entwickeln zu können. Und dies klappt nur im interdisziplinären Austausch zwischen den verschiedenen Fakultäten. Zudem studieren die künftigen Lehrkräfte für katholische Religion in aller Regel noch weitere Fächer, für die sie ohnehin an die Universität gehen müssten. Eine Doppelstruktur macht hier erst recht keinen Sinn.
Es geht hier um eine kirchliche Hochschule. Das muss Sie als Vertreter staatlicher Institutionen doch gar nicht kümmern.
Das ist so nicht richtig. Im Bereich des Erzbistums Köln gibt es für das Fach katholische Theologie allein drei etablierte Ausbildungsstätten: allen voran die hochangesehene Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn und dann die Bereiche für Lehrerausbildung an den Universitäten Köln und Wuppertal. Diese Einrichtungen haben einen rechtlich abgesicherten Auftrag für ihre Angebote, die dort vorhandenen Studienplatz-Kapazitäten sind absolut ausreichend, die Lehrangebote vielfältig, hochwertig und nachgefragt. Schon aus wirtschaftlicher Vernunft wird man zu dem Schluss gelangen müssen, dass ein weiteres Angebot überflüssig ist und die Kirche sich hier in einer ohnehin angespannten Haushaltslage jährlich Millionen an Kirchensteuermitteln sparen könnte.
Das Erzbistum behauptet, es fließe kein Geld aus der Kirchensteuer in die KHKT.
Es ist evident, dass die Mittel aus einem bischöflichen Sondervermögen mittel- und langfristig für den laufenden Betrieb einer theologischen Hochschule mit diesen Ambitionen nicht ausreichen werden – zumal ja offenbar beim KHKT-Dozentenkollegium bereits Festanstellungen mit entsprechenden Altersversorgungsansprüchen begründet wurden.
Jetzt zerbrechen Sie sich wieder den Kopf von Kardinal Woelkis Finanzchef.
Wenn eine verfasste Religionsgemeinschaft – hier in Gestalt des Erzbistums Köln – öffentliche und für jedermann zugängliche Ausbildungsangebote vorhält, ist in unserem Land nach guter Tradition der Staat nicht außen vor. Es gibt zum Beispiel eingeübte, bewährte Verfahren etwa im Rahmen der erforderlichen Akkreditierung von Studiengängen, für die qualitative und quantitative Gewährleistungen gegeben werden müssen. Da geht es vor allem auch um eine nachhaltige finanzielle Tragfähigkeit.
Im Fall der KHKT ist von einem jährlichen Etat von acht bis zehn Millionen Euro die Rede.
Sollte dieses Geld auf Dauer aus Kirchensteuermitteln kommen, ist das für die nicht-kirchliche Öffentlichkeit in der Tat von geringerem Interesse als für die Kirchensteuerzahler im Erzbistum Köln. Dennoch sieht die LRK die Notwendigkeit, seitens des Landes Vorkehrungen zu treffen, dass nicht am Ende die öffentliche Hand und damit alle Steuerzahler einspringen müssen, um den Lehrbetrieb einer kirchlichen Hochschule aufrecht zu erhalten, die sich auch um an staatlichen Universitäten eingeschriebene Studierende bemüht. Von einer von manchen politischen Parteien zumindest erwogenen Abschaffung der Kirchensteuer wollen wir gar nicht sprechen. Es geht hier aber wirklich um mehr als nur um Geld.
Nämlich worum noch?
Für die Ausbildung von Theologinnen und Theologen gibt es staatskirchenrechtliche Verträge mit einer klaren Aufgabenverteilung. Es ist eben nicht nur schlechter Stil, für den Aufbau der KHKT Studierende von einem Standort an einen anderen ziehen zu wollen, konkret von Bonn nach Köln. Vielmehr bestimmt das Konkordat von 1929 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Preußen, dessen Verbindlichkeit vom Land Nordrhein-Westfalen als Rechtsnachfolgerin Preußens völkerrechtlich anerkannt ist, die Universität Bonn zum Ausbildungsort für die Priesteranwärter des Erzbistums Köln.Wir stellen mit Erstaunen fest, dass eine solche Vereinbarung vom Erzbistum Köln offenbar einseitig unterlaufen werden soll – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz. Im Übrigen: Wenn das Erzbistum partout eine eigene Hochschule aufbauen und erhalten will, dann hätte das wenigstens ein attraktives, ergänzendes Angebot zu den existierenden staatlichen Strukturen sein müssen.
Und das ist die KHKT nicht?
Es ist wahrscheinlich nicht mehr allen gegenwärtig. Aber es gab in Sankt Augustin über lange Jahre die international ausgerichtete Hochschule der Steyler Missionare. Deren besonderes Profil quasi als „Eine-Welt-Hochschule“ mit sehr zeitgemäßen, spannenden Schwerpunkten wie Postkolonialismus-Forschung, Interkulturalität und Interreligiosität, Missionsgeschichte, christliche Entwicklungszusammenarbeit oder China-Studies hätte es verdient gehabt, auch nach der Übernahme durch das Erzbistum Köln im Jahr 2020 erhalten und gepflegt zu werden. Stattdessen hat sich das Erzbistum nur der institutionellen Fassade bedient, das grenzüberschreitend angesehene Profil jedoch fallen gelassen und durch eine neue, bislang gesichtslose Struktur ersetzt. Darin sehen wir keinerlei Mehrwert.Was sollte diese kleine rein kirchliche Einrichtung mit ihren derzeit gerade einmal fünf Professuren leisten, wozu staatliche Universitäten mit voller Personalausstattung nicht im Stande wären? Das erschließt sich uns als Landesrektorenkonferenz bislang nicht, so dass die Frage bleibt: Warum der Aufwand? Sollte dem Ganzen am Ende doch ein Mangel an Vertrauen in die Ausbildung an öffentlich-rechtlichen Institutionen wie den Universitäten zugrunde liegen?
Es war zu lesen, mit der KHKT solle ein lehramtstreues Gegengewicht zur angeblich viel zu liberal ausgerichteten Theologie der Bonner Fakultät geschaffen werden.
Zugunsten des Kölner Erzbischofs, der in Personalunion Großkanzler der KHKT ist, möchte ich annehmen, dass dies nicht seiner Auffassung entspricht. Andernfalls begäbe er sich wissenschaftspolitisch auf ein gefährlich glattes Eis. Wenn der Erzbischof, der bei der Errichtung der KHKT mit dem Hirtenstab vorneweg schreitet, sich in Fragen der Qualität von Forschung und Lehre einmischen und theologische Wissenschaft an ideologischen Kriterien messen wollte, würde er eindeutig die Kompetenzen, die ihm staatskirchen- und verfassungsrechtlich zustehen, überschreiten. Leider wurden hier schon in der Vergangenheit bei der Erteilung des sogenannten „Nihil obstat“, der kirchlichen Lehrerlaubnis für Professorinnen und Professoren an staatlichen Universitäten, Grenzen verletzt, was uns als Universitätsrektoren ebenfalls auf den Plan rufen muss.Eine ideologische Clusterung von Forschung und Forschenden, Lehre und Lehrenden verbietet sich für einen seriösen Umgang mit Wissenschaft. Es mutet merkwürdig an, hieran ausgerechnet den Erzbischof von Köln erinnern zu müssen, der in der Deutschen Bischofskonferenz an der Spitze der Kommission für Wissenschaft und Kultur steht.
Inwieweit sehen Sie nun das Land Nordrhein-Westfalen betroffen?
In der Diskussion über die KHKT überlagern sich, wie zu sehen ist, verschiedene Themen: die Finanzierung, die Qualitätskontrolle und dann nicht zuletzt auch die Reputation des Hochschulstandorts Nordrhein-Westfalen. Nach den beispielsweise in der Exzellenz-Initiative des Bundes manifestierten Erfolgen hat die LRK – wie auch das Wissenschaftsministerium in Düsseldorf – ein vitales Interesse am weiteren Ausbau dieser Spitzenposition. Die Anwendung des Begriffs „Exzellenz“ auf die KHKT in Verlautbarungen des Kölner Erzbischofs wirkt hier – Entschuldigung! - wie der Versuch, sich mit fremden Federn zu schmücken.
Was erwarten Sie dann vom Land?
In den zurückliegenden Jahren hat die LRK die Landesregierung und speziell das Wissenschaftsministerium stets als sehr verlässlichen Partner der Universitäten und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen erlebt, auch und gerade unter den schwierigen Bedingungen der Corona-Pandemie. Wir hegen daher die begründete Hoffnung, dass die Landesregierung die vom Erzbistum Köln heraufbeschworenen Probleme im Zuge des Aufbaus der KHKT nicht nur sieht, sondern alles dafür tut, dass sie nicht ohne Not zu einer Gefahr für den Wissenschaftsstandorts NRW werden.
Lambert T. Koch, geb. 1965, ist noch bis September Rektor der Bergischen Universität Wuppertal. Dieses Amt hat der Professor für Wirtschaftswissenschaften seit 2008 inne. Koch ist auch Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz. Sie ist der Zusammenschluss der 14 Universitäten in Trägerschaft des Landes NRW sowie der Universität Witten-Herdecke. (jf)