Yotam Ottolenghi hat den Deutschen beigebracht, dass man in der Küche ruhig mal etwas wagen kann. Nun war er bei der lit.Cologne zu Gast.
Yotam Ottolenghi in KölnWarum der Starkoch kölsche Küche liebt
Gerichte, die nach Zuhause und Geborgenheit schmecken, verspricht der in England lebende israelische Koch Yotam Ottolenghi in seinem neuen Buch „Comfort - Rezepte, die du lieben wirst“ (Dorling Kindersley Verlag, 38 Euro). Besonders heimelig war die Atmosphäre bei seinem Auftritt im Rahmen der lit.Cologne Spezial am Dienstagabend allerdings nicht. 2500 Menschen waren in die Confexhall der Kölner Messe gekommen. Wer mit dem Auto anreiste, brauchte sehr viel Geduld, wer Durst und Hunger hatte, auch. Die Schlangen vor den Bars waren schier endlos, und die riesige Halle war auch nicht gerade eine Wohlfühloase.
Ottolenghi und Moderatorin Marie-Christine Knop gaben dann aber alles, die schwierigen Rahmenbedingungen vergessen zu lassen. Zumal die Freude des 55-Jährigen über den großen Zulauf ansteckend war: „Ich glaube, ich war noch nie in einem Raum mit so vielen Menschen - zumindest nicht, wenn ich auf der Bühne war.“
Drei deutsche Städte besucht er auf seiner Tour; dass die lit.Cologne es schaffte, ihn im Rahmen ihrer Herbst-Spezial-Ausgabe nach Köln zu holen, war ein Glücksgriff. Nun sind Kochbücher im engeren Sinne keine Literatur, aber eine Kunst kann das Handwerk durchaus sein. Und Ottolenghi ist es über die Jahre gelungen, zu einer weltweiten Marke zu werden. Allein in Deutschland verkauften sich seine bisherigen acht Kochbücher über zwei Millionen Mal.
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Essen führt Menschen zusammen
Er besitzt sechs Delis und zwei Restaurants in seiner Wahlheimat London, wo er mit Mann und zwei Kindern lebt - die im Übrigen längst nicht alles mögen, was ihr Vater kocht. Seit langem ist er außerdem wöchentlicher Kolumnist für den „Guardian“ und schreibt regelmäßig für die „New York Times“.
Ottolenghi ist der Koch, der es geschafft hat, sogar den ja oft nicht sehr experimentierfreudigen Deutschen Lebensmittel näherzubringen, die man früher in hiesigen Küchen vergeblich suchte, seien es Gewürze wie Kreuzkümmel und Harissa oder Zutaten wie Berberitzen, Granatapfel und Kichererbsen.
Im Gespräch mit der souveränen und bestens vorbereiteten Marie-Christine Knop machte Ottolenghi dann aber vor allem deutlich, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, vermeintlich besonders außergewöhnliche Zutaten zu verwenden, sondern uns einfach erst einmal wieder zu vergegenwärtigen, dass Kochen und gemeinsames Essen Menschen zusammenführen kann. „Das ist wichtig für unsere Spezies, das hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt.“
Erstaunlich entspannt präsentierte sich der Gastronom und Autor. „Comfort Food ist der Definition nach gesund“, sagte er, Lebensmittel in gute und schlechte einzuteilen, hält er für falsch: „Gesundes Leben ist, darauf zu schauen, was dir guttut.“ Es sei wichtig, den eigenen Instinkten wieder mehr zu vertrauen.
Klingt simpel, aber in einer Welt, in der uns jeden Tag eine neue Studie präsentiert wird, die nun aber angeblich endgültig und abschließend verkündet, welche Ernährung die gesündeste ist, sind solche Worte aus dem Mund von jemandem, der professionell kocht, Balsam für verunsicherte Verbraucher.
Er verteidigt Jamie Oliver
Ottolenghi, der in Israel als Sohn einer Deutschen und eines Italieners geboren wurde, ist ein Meister darin, Neues zu erschaffen und gleichzeitig Traditionen zu würdigen. Dass auch Kochen ein sensibles Feld sein kann, ist ihm klar. Es braucht Respekt vor Lebensmitteln und dem Comfort Food der anderen. In seinem Kochbuch findet sich etwa das Bolognese-Rezept seines Vaters, das dieser aber ganz ohne Tomaten kochte, für viele Italiener undenkbar.
Wer geliebte Gerichte aus anderen Kulturen neu interpretiere, müsse schon erklären, wie er dazu gekommen ist. Gleichzeitig verteidigte er seinen Kollegen Jamie Oliver, der vor einigen Jahren für Aufregung in Spanien sorgte, weil er Chorizo zur Zutat in einer Paella machte, was für viele Spanier einen echten Affront darstellte.
Essen und Kochen als Social-Media-Trend kann er durchaus etwas abgewinnen, man lerne dort viel Neues kennen. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass die, die sich Kochvideos bei Instagram anschauen, nicht zwangsläufig die sind, die auch wirklich kochen.
Ein bisschen gekocht wurde in der Confexhall auch, wobei Kochen vielleicht etwas hochgegriffen ist. Moderatorin Knop belegte einen Crêpe nach den Vorgaben des Publikums, das über die Zutaten per App abstimmen durften, Ottolenghi einen mit den nicht gewählten Produkten. Zwei Zuschauerinnen durften am Ende darüber urteilen, welcher besser war - und einigten sich auf ein Unentschieden.
Seiner aus Deutschland stammenden Mutter verdankt er ein besonderes Verständnis für die Liebe zu Kaffee und Kuchen. Und auch das Essen im Brauhaus bei seinem ersten Besuch in Köln weckte Kindheitserinnerungen. Sehr viel Schweinefleisch finde sich in der kölschen Küche, da müsse er ebenfalls an seine Mutter denke. Die habe den Vater, der aus einer traditionellen jüdischen Familie stammte, vom Pfad der Einhaltung der Essensvorschriften abgebracht. Das Fleisch bekam sie in Jerusalem, wo Ottolenghi aufwuchs, bei einem Metzger, der es heimlich unter der Ladentheke in braunen Tüten verkaufte.
Neben Himmel und Ääd hat es ihm aber besonders ein anderer Klassiker angetan - Halver Hahn. Die Kombination aus Käse, Zwiebeln, Butter und Röggelchen sei perfekt. Dem müsse man nichts mehr hinzufügen. Wobei er sich eine Scheibe Mortadella durchaus dazu vorstellen könne. Da war sie dann doch wieder, die Lust, aus Altbekanntem etwas Neues zu erschaffen.