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Leserbriefe:Wird Lützerath zum Prüfstein für die Grünen?

Lesezeit 8 Minuten
Im Bildvordergrund ist das Ortsschild von Lützerath zu sehen; dahinter, durch eine zweispurige Straße getrennt, der Arm eines riesigen Schaufelradbaggers, der, am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler, Erdreich schaufelt.

Ein Bagger schaufelt Erdreich am Ortsrand von Lützerath.

Obwohl zwischen Landesregierung und RWE vertraglich vereinbart, polarisiert die bevorstehende Zerstörung Lützeraths weiterhin.

RWE, Politik, Protest: Darum geht es bei der Räumung Lützeraths (9.1.)

Lützerath: Sichere Energieversorgung hat Priorität

Im Dezember hatten wir mehrfach sogenannte Inversionswetterlagen ohne Wind und ohne Sonne. Die Stromversorgung konnte da nur sichergestellt werden, weil die Braunkohleblöcke in Neurath und Niederaußem auf vollen Touren liefern. Solange wir noch nicht genügend Speicherkapazität und Gaskraftwerke haben, werden wir noch einige Jahre auf die schmutzige Braunkohle angewiesen sein.

95 Prozent der Bundesbürger werden es den zuständigen grünen Ministern und Ministerinnen nicht nachsehen, wenn sie nicht in der Lage sind, die Sicherheit der Energieversorgung zu gewährleisten. Ein Blackout würde der AfD bedeutende Stimmenzuwächse liefern. Das muss bei der Diskussion um Lützerath beachtet werden. Luisa Neubauer muss nicht dafür gerade stehen, wenn es plötzlich keinen Strom mehr gibt.

Alles zum Thema Letzte Generation

Wer dafür sorgen will, dass in Zukunft möglichst wenig Braunkohle verbrannt wird, muss sich heute um den Ausbau von Erneuerbaren Energien und Speichertechnologien sowie um Gaslieferungen unabhängig von Russland kümmern. Und das machen Robert Habeck im Bund und Mona Neubaur in NRW, seit sie im Amt sind, mit Nachdruck. Roger Peltzer Kerpen

Mit ihrer Haltung zu Lützerath bringen die Grünen die Klimabewegung gegen sich auf

Es ist eingetreten, was viele nicht für möglich gehalten hätten: Ein grüner Klimaschutzminister Habeck und eine grüne Klimaschutzministerin lassen es tatsächlich zu, dass der größte Klimakiller RWE unter fadenscheinigen Gründen das Pariser Klimaschutzabkommen reißen darf. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, was dies bedeutet: Norddeutschland unter Wasser, Südeuropa Sandwüste, Temperaturen weit über 40 Grad, ausgetrocknete Flüsse, zerstörerische Wirbelstürme, die unsere Städte zerstören, Millionen Menschen auf der Flucht, Massenaufstände.

In der vom Land in Auftrag gegebenen Studie unter der Mitwirkung von RWE gibt es zum Pariser Klimaschutzabkommen kein Wort, auch nicht, dass bis 2030 in Deutschland sowieso etliche neue Windräder und Solaranlagen installiert sein werden. Der Energiekonzern RWE hat zudem, laut Gutachten, auch ohne Lützerath 280 Millionen Tonnen Braunkohle zur Verfügung – fürs Klima natürlich ebenfalls viel zu viel!

Die Grünen könnten auf dem Weg zu einer Volkspartei sein – jetzt haben sie diese Chance vertan, indem sie die Klimabewegung gegen sich aufgebracht haben. Die zukünftigen Klimaschutzmaßnahmen können nur noch als Imagerettung und „Greenwashing“ bezeichnet werden. Roman Bonitz Duisburg

Wird die Räumung Lützeraths zum Prüfstein für den Rechtsstaat?

Klima- und Umweltschutz sind zweifellos sehr wichtige Ziele, sich dafür einzusetzen verdient Respekt. Demonstrationen für diese Ziele wie auch gegen bisherige Versäumnisse unseres Landes sind grundgesetzlich verbrieft. Wohlgemerkt, friedliche Versammlungen im Rahmen der geltenden Rechtsordnung. Im Hinblick auf die bevorstehende Räumung der Ortschaft Lützerath, die übrigens sachlich begründet und demokratisch legitimiert ist, steht allerdings zu befürchten, dass es allen Beteuerungen zum Trotz keine friedliche Aktion werden wird.

Zur Verteidigung der Ortschaft „mit aller Kraft“ wird prominent aufgerufen, Widerstand wird als eine Art Notwehrrecht dargestellt, das Ganze symbolisch überhöht, als hinge das Weltklima von der deutschen Klimapolitik im Allgemeinen und der abgebaggerten Braunkohle in Lützerath im Besonderen ab. Wir sehen Vorboten für entsprechende gruppendynamische Prozesse mit Eskalations- und Gewaltpotenzial.

Wobei bereits die Ausgangssituation alles andere als rechtskonform ist: Fremder Grund wird seit Monaten widerrechtlich besetzt gehalten, Baumhäuser wurden widerrechtlich errichtet, am 2. Januar gab es brennende Barrikaden sowie Böller- und Flaschenwürfe gegen die Polizei. Der rechtstreue Bürger, der bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten augenblicklich mit Verwarnungsgeld belegt wird, kann nur irritiert sein, dass solche Rechtsverstöße quasi als normal hingenommen und toleriert werden.

Wohlwollende veröffentlichte Meinung tut das Ihrige. Angesichts des berechtigten Klimathemas wird bisweilen indirekt geradezu suggeriert, der hehre Zweck heilige die Mittel. Zumindest kann man leicht diesen Eindruck gewinnen. Die anstehende Räumung Lützeraths wird daher nicht zuletzt ein Prüfstein für den funktionierenden demokratischen Rechtsstaat und dessen Gewaltmonopol sein. Woran es allerdings bekanntlich in Deutschland mancherorts jetzt schon hapert. Roland Schweizer Leverkusen

Zwei vermummte Klimaschutzaktivisten sitzen vor einem Schaufelradbagger am Rand des Braunkohledorfes Lützerath auf dem Boden. Im Hintergrund stehen mehrere Polizeifahrzeuge.

Klimaschutzaktivisten demonstrieren am Rand des Braunkohledorfes Lützerath gegen dessen bevorstehende Abbaggerung.

Lützerath: Protestaktionen schaden der Klimabewegung

Frei von jeder Sach- und Fachkenntnis werden „gut meinende Weltretter“ in Lützerath wieder einmal vollkommen überflüssige Aktionen durchziehen, die nur viel Geld kosten, aber das Weltklima nicht retten. Es ist per Gesetz festgelegt, dass 2030 die Braunkohleverstromung beendet wird. Das ist im Vergleich zu den vorherigen Planungen ein riesiger Erfolg.

Wenn schon morgen die Bagger still gesetzt werden, bleibt ein riesiges Loch, das auch nicht geflutet werden kann, weil die notwendigen, sicheren Böschungswinkel nicht da sind. Die Strommengen, die dann nicht mehr geliefert werden können, sind durch Zukäufe aus dem Ausland nicht zu ersetzen. Privathaushalte und Industrie werden ihren Energiebedarf nicht decken können.

Letztendlich wird die für alle mit Strom versorgten Anlagen notwendige 50-Herz-Frequenz nicht gehalten werden können. Wie muss man sich eigentlich den Blick verstellt haben, um jetzt noch solche Aktionen durchzuziehen? Sie werden der Klimabewegung insgesamt nur schaden! Heinrich Schumacher Frechen

Lützerath: Nur friedlicher Protest ist akzeptabel

Es ist unstrittig, dass wir uns in der Phase einer bedrohlichen Klimaveränderung befinden. Daher ist friedlicher Protest zu tolerieren. Nicht zu tolerieren sind allerdings Proteste, sofern sie in eine Straftat oder in die Gefährdung des leiblichen Wohls Unbeteiligter münden. Hier hat sich die angebliche Klimabewegung „Letzte Generation“ in den letzten Wochen beispielhaft hervorgetan. Ebenso wenig tolerierbar und außerhalb jeglicher Legitimation ist für mich Aufwiegelung zur Gewalt unter dem Deckmantel der Klimarettung.

Nichts anderes erlaubt sich Luisa Neubauer im Zusammenhang mit der vom Gesetzgeber beschlossenen Räumung des leerstehenden Ortes Lützerath, wenn sie zum Widerstand gegen die Räumung aufruft, mit den Worten, das Dorf müsse mit aller Kraft verteidigt werden. Man darf gespannt sein, welche Folgen das für die bevorstehende Räumungsmaßnahme hat. Ob Frau Neubauer das angesichts der ohnehin aufkeimenden bedrohlichen Situation vor Ort bedacht hat? Karl Heinz Braun Köln

Unterstützung für zivilen Ungehorsam in Lützerath

Wenn Peter Berger in seinem Kommentar „Kampf um ein Relikt“ vom 3. Januar zu dem Fazit kommt, es gäbe „im Einsatz für den Klimaschutz jetzt Wichtigeres als den symbolischen Kampf um ein bloßes Relikt“, irrt er gewaltig. Bei der Auseinandersetzung um Lützerath geht es in erster Linie nicht um einige Häuser, die dort noch stehen, sondern darum, ob die vielen Millionen Tonnen klimaschädlicher Braunkohle unter dem Boden von Lützerath gefördert werden oder nicht.

Diese sind laut einer aktuellen Studie mehrerer deutscher Forschungsinstitute „energiewirtschaftlich nicht notwendig“. Die Forscherinnen und Forscher kommen zu dem Ergebnis, eine Inanspruchnahme von Lützerath sei „klimapolitisch nicht zu rechtfertigen“. Der Abbau ist für RWE allerdings höchst profitabel.

Es ist eine Bankrotterklärung für die Grünen und ihre NRW-Wirtschafts- und Klimaministerin Mona Neubaur, die sich zu Erfüllungsgehilfen eines Energiekonzerns machen. Deshalb bleibt den jungen Leuten, die sich derzeit in Lützerath versammelt haben, auch gar nichts anderes übrig als zivilen Ungehorsam gegen eine derart enorme Umweltsünde zu leisten. Meine Unterstützung haben sie jedenfalls. Uwe Hass Köln

Lützerath: Umweltschädigende Protestaktionen nicht zeitgemäß

Wenn ich die Aktionen der Umweltaktivisten gegen die Räumung von Lützerath sehe, habe ich kein Verständnis mehr für diese Leute. Sie sind jetzt gegen den Abriss von Lützerath, zünden zur Sperrung Strohballen und Autoreifen an. Sie sind in den nächsten Wochen vermutlich wieder auf der Straße, um gegen Umweltschäden und Klimawandel zu demonstrieren, gehen selber aber umweltschädigend gegen die Räumung von Lützerath vor.

Diese umweltschädigenden Aktionen passen nicht mehr in unsere Zeit, nur mit vielen friedlichen Demonstranten erreicht man etwas. Gewalt sorgt nur für Gegengewalt, nur friedliche Demonstrationen werden von der Mehrheit der Bürger angenommen. Was da zurzeit geschieht, schafft nur Entsetzen und Hass beim friedlichen Bürger. Ich habe den Traum, dass wir alle friedlich etwas erreichen werden, der Umwelt und unseren Nachkommen zuliebe. Rainer Doering Troisdorf

Lützerath: Kohlekompromiss einhalten

Jahrelang haben die sogenannten „Aktivisten“ gekämpft und nicht immer gewaltfrei auch den Hambacher Forst besetzt, verschandelt, vermüllt und teilweise kaputt gemacht. Erreicht wurde indes, dass der Kohleausstieg begrenzt und jetzt sogar auf 2030 vorverlegt wurde. Damit muss es aber gut sein.

Stattdessen darf eine Luisa Neubauer öffentlich für Widerstand gegen die Staatsgewalt aufrufen. Man bedenke: Hat doch die Landesregierung unter der Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur die Abbaggerung Lützeraths mit beschlossen. Das ist schon sehr skurril.

Vielleicht sollte Luisa Neubauer einfach nur vorleben, wie man CO₂ und Müll vermeidet. Das wäre aktiver Klimaschutz. Nach dem Motto „Tue Gutes und sprich drüber“. Aufruf zum Widerstand gegen die Polizei – hatten wir davon nicht genug an Silvester? Ulrich Molitor Erftstadt

Lützerath: Statt Konfrontation Entgegenkommen beider Seiten

Eigentlich haben beide Seiten recht: Die Gegner des Tagebaus haben das hehre Ziel Klimaschutz. RWE hat einen politisch geschlossenen Vertrag. Daran müssen sich Demokraten halten, denn Kompromisse sind ein Merkmal der Demokratie. Es scheint mir aber so, dass es nicht mehr um diese Ziele geht, sonders ums Recht behalten. Zumal zu befürchten ist, dass sich unter die Gegner auch Krawallmacher mischen, denen es nur ums Prügeln geht, vielleicht sogar – was schon vorgekommen ist – dazu aus merkwürdigen Quellen dafür bezahlt werden. Mit solchen Leute darf man sich als Demokrat nicht gemein machen.

Andererseits, liebe RWE, nimm den Wind aus den Segeln der Demonstranten und baggere doch einfach um Lützerath herum! Das gibt später eine nette Insel. Auf das bisschen Kohle kann man verzichten, und die Tagebaugegner haben ihr Gesicht gewahrt. Horst Köhlert Wiehl