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Cold CaseKölner Kripo greift Fall eines toten Babys in Reichshof nach 20 Jahren wieder auf

Lesezeit 4 Minuten
Eine hellblaue Häkelmütze für Babys.

Die Ermittler haben Fotos der Kleidungsstücke veröffentlicht, die der neugeborene Junge am Tag seines Todes trug.

Nachdem die DNA des Vaters rekonstruiert werden konnte, hofft die Polizei auf neue Hinweise zu dem Fall, der 2003 in Eckenhagen für Aufsehen sorgte.

Ein Ermittlerteam der Kölner Kriminalpolizei bittet die oberbergische Bevölkerung um Mithilfe bei der Aufklärung einer 20 Jahre alten Kindstötung. Bei dem sogenannten „Cold Case“, der nun wieder aufgegriffen wird, handelt es sich um den Säugling, der an einem kalten Winterabend im Dezember 2003 an der Tür eines Hauses am Höher Weg in Reichshof-Eckenhagen abgelegt wurde und an den Folgen der Unterkühlung starb. Der Fall sorgte für großes Aufsehen und gab den Anstoß dafür, dass im Gummersbacher Kreiskrankenhaus eine Babyklappe eingerichtet wurde.

In dem aktuellen Aufruf an die Bevölkerung erinnert die Kölner Polizei an den traurigen Tag: „Es ist Freitag, der 12. Dezember 2003. Das dritte Adventswochenende steht kurz bevor. Die Frau, die am frühen Abend eigentlich nur eine ältere Dame in dem Wohnhaus pflegen und besuchen will, wählt sofort den Notruf, als sie den in einer bunten Babydecke eingewickelten Jungen entdeckt.“

Alle Rettungsversuche sind aber vergebens, nur wenige Stunden später stirbt das Kind im Krankenhaus. „Damit er nicht anonym auf seine letzte Reise geht, wird er auf den Namen Dominik ‚getauft‘“, berichtet das Ermittlerteam. Der Fall ist immer noch ungeklärt.

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Auch wenn die DNA der Mutter damals an der Haustürklingel gesichert werden konnte, gibt es bislang keine Hinweise auf die Herkunft des Kindes. Selbst eine DNA-Reihenuntersuchung ergab damals keine neuen Hinweise auf die Eltern. Alle Eckenhagener Frauen im Alter von 14 bis 50 Jahren, insgesamt 520 Personen, wurden im Februar 2004 zu einem freiwilligen DNA-Test eingeladen. 433 nahmen teil, eine Übereinstimmung gab es nicht.

Kölner Ermittler wurden in den DNA-Datenbanken nicht fündig

20 Jahre später greift ein Ermittlerteam den Fall wieder auf. Inzwischen ist es möglich, mit den gesicherten Spuren die DNA des Vaters zumindest teilweise zu rekonstruieren, berichtet die verantwortliche Ermittlerin Kerstin Nolte. Ein Abgleich mit den Datenbanken führte jedoch zu keinem Ergebnis. Auch erneute DNA-Tests von einer Frau und einem Mann halfen nicht weiter, woraufhin die Polizei nun noch einmal die Öffentlichkeit hinzuzieht.

Ermittlerin Nolte sagt: „Unsere Hoffnung ist, dass sich ein Mann angesprochen fühlt, der als Vater in Frage kommt. Oder jemand, so jemanden kennt.“ Vielleicht könne er sich heute durchringen, das Schicksal aufzuklären, hofft die Polizistin. „Das Kind hat es verdient.“

Unsere Hoffnung ist, dass sich ein Mann angesprochen fühlt, der als Vater infrage kommt. Oder jemand, der so jemanden kennt.
Kerstin Nolte, verantwortliche Ermittlerin der Kölner Kripo

Vielleicht verberge sich hinter der Aussetzung ein ungeahnt tragischer Fall, mutmaßt Nolte. „Zum Beispiel der Missbrauch eines jungen Mädchens.“ Oder aber es handele sich bloß um die sträfliche Nachlässigkeit einer überforderten Mutter. „Das gilt es zu klären.“

Die Eltern müssen sich in Eckenhagen ausgekannt haben

Kriminologen sprechen von „Neonatizid“, wenn Mütter oder Väter ihr Neugeborenes innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt gewaltsam töten. Oder sterben lassen, indem sie es nicht versorgen. Einer Studie des Landeskriminalamts NRW zufolge haben die meisten Mütter ihre Schwangerschaft zuvor verdrängt und vor Freunden und Angehörigen verheimlicht.

Sicher ist, dass das zwischen 16 und 21 Uhr ausgesetzte Neugeborene Babykleidung trug, die für das nach etwa 32 Wochen zu früh geborene Kind viel zu groß war. Auch wenn der Junge damit für den drei Grad kalten Abend völlig unzureichend gekleidet war, geht die Polizei auch heute davon aus, dass das Kind gefunden werden und nicht sterben sollte. „Sonst hätten der oder die Menschen, die es abgelegt haben, nicht geklingelt“, meint Nolte.

Aus Sicht der Polizei spricht der abgelegene Eingang des Bauernhauses am Höher Weg dafür, dass sich die für das Kind Verantwortlichen in Eckenhagen auskannten. „Sie haben dort gelebt oder hatten zumindest einen Ankerpunkt“, sagt Kerstin Nolte. Sie hätten aber offenbar nicht gewusst, dass die mit 98 Jahren hochbetagte Hausbewohnerin nicht in der Lage war, an die Tür zu kommen, um das Kind sofort ins Warme zu holen. „Aber sie wussten vielleicht, dass später eine Frau zu Besuch kommt, die sich um das Kind kümmern würde.“ Die heute 88-jährige Reichshoferin, die das Baby damals dann tatsächlich, aber eben zu spät fand, sei als „gute Seele“ unter den russlanddeutschen Aussiedlern bekannt gewesen.

Dieser Zeitung berichtete die Reichshoferin damals, dass sie der bettlägerigen Hausbewohnerin am Nachmittag noch einen Kaffee gemacht hate. Als sie um 21 Uhr zurückkam, lag „ein Bündel“ vor der Tür. Sie nahm das Kind mit ins Haus, „und da war ich froh, dass das Kindlein noch lebte“. Sie nahm das Kind und legte es in die Nähe der Heizung. „Es hat mich angeschaut, aber es hat nicht geweint, es war ganz still.“


Polizei bittet um Hinweise

Die Polizei fragt: Wer kann Angaben zu den Kleidungsstücken machen? Wer hat an diesem Abend auf dem Höher Weg verdächtige Beobachtungen gemacht? Wer kennt eine Frau, bei der eine Schwangerschaft bestand, die aber später kein Kind vorweisen konnte? Hinweise nimmt das Kriminalkommissariat 11 entgegen unter (0221) 229-0, E-Mail: poststelle.koeln@polizei.nrw.de, Adresse: Walter-Pauli-Ring 2-6, 51103 Köln.