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Deutsches Start-up-UnternehmenRakete soll in den nächsten Tagen in Australien abheben

Lesezeit 5 Minuten
Dieses von HyImpulse zur Verfügung gestellte Foto zeigt die SR75 des Unternehmens HyImpulse aus Baden-Württenberg, die in der kommenden Woche von Australien aus abheben sol

Die Rakete SR75 kann ganz schön qualmen! Als Treibstoff dient Kerzenwachs und flüssiger Sauerstoff.

Erstmals seit Jahrzehnten soll eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens starten. Die Rakete wird in Australien getestet.

In der privaten Raumfahrt sind vor allem Menschen wie Elon Musk und Jeff Bezos bekannt. Doch auch private Raketenbauer aus Deutschland wollen derzeit auf den Markt. Der erste Start einer Trägerrakete eines dieser deutschen Start-ups ist nun für frühestens Mittwoch im australischen Koonibba geplant. Er war wetterbedingt verschoben worden – das Startfenster reicht bis 6. Mai. Die zwölf Meter lange Rakete soll mit Kerzenwachs und Sauerstoff fliegen, aber die Grenze zum Weltraum nicht überschreiten. Es ist nicht der erste Start einer privaten Trägerrakete eines deutschen Unternehmens.

Was genau soll da in die Luft fliegen?

60 Kilometer in die Höhe will das Unternehmen HyImpulse, das in der Nähe von Heilbronn seinen Sitz hat, die Trägerrakete SR75 schicken. Die Rakete könne eine Nutzlast von 250 Kilogramm transportieren und sei auch in der Lage ins All zu fliegen, sagt Co-CEO und Mitgründer Christian Schmierer. Im Rahmen der vorliegenden Genehmigung sei das diesmal nicht geplant.

Die Ingenieure wollen das Triebwerk der Rakete testen. Das Antriebskonzept sei etwas Besonderes. Die Rakete fliege mit Paraffin, also Kerzenwachs, und flüssigem Sauerstoff. An dem Triebwerk werde mittlerweile seit mehr als zehn Jahren gearbeitet. Die Technik sei schon bekannt, habe sich aber bei Startraketen bisher nicht durchgesetzt, sagt Martin Tajmar, Experte für Raumfahrttechnik an der TU Dresden. „Es gibt keine kommerzielle Rakete, die so eine Technologie in groß verwendet.“

Welchen Zweck hat das Ganze?

Die Idee sei, mit der Trägerrakete ein besseres Angebot für Kleinsatelliten zu machen, sagt Schmierer. „Bisher gibt es vor allem Raketen auf dem Markt, die man sich wie Busse oder Züge vorstellen kann. Sie laden die Satelliten nur an bestimmten Orten im Orbit ab - wie an einer Haltestelle. Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi.“

Die Raketen seien durch das hybride Triebwerk aus festem und flüssigem Treibstoff günstiger, da weniger Bauteile nötig seien als bei herkömmlichen Antrieben. Die nächsten Starts seien bereits geplant, sagt der 36-Jährige.

Die Rakete sei das erste Produkt von HyImpulse. Man arbeite auch an einer zweiten, größeren Rakete, die auch größere Kapazitäten habe. Die Raketen sollen in etwa eineinhalb Jahren Satelliten ins Weltall transportieren.

Wie ist der Start in einem internationalen Kontext zu bewerten?

Die Welt schaue zwar nicht auf den Start, aber für Deutschland sei er ein wichtiges Event, sagt Raumfahrtexperte Tajmar. Im Ganzen betrachtet sei es ein Nischenmarkt. Doch für Europa relevant, weil es im Moment niemanden gebe. In Europa spielen bislang die Raketen des Unternehmens Arianespace eine entscheidende Rolle beim Transport von Satelliten. Ein Ariane-Launcher, der etwas ins All bringen könne, sei aber gerade nicht im Betrieb.

In anderen Ländern ist die private Raumfahrt viel stärker, oder?

Die Raketen von Tech-Milliardär Elon Musk seien in diesem Jahr für rund 90 Prozent aller weltweiten Raketenstarts zuständig, erklärt Tajmar. Danach folge China. Das Übrige falle auf den Rest der Welt. „Das ist sowas von unwichtig.“ In China gebe es jede Menge privater Start-ups, die auch schon ins All geflogen seien.

Der SpaceX-Gründer habe den Maßstab hochgelegt. „Da schauen alle nur ehrfürchtig zu und die Chinesen versuchen es zu kopieren.“ Sonst tue sich aktuell nicht viel. Musk habe auch mit einer kleinen Rakete angefangen. Doch er sei relativ schnell zu größeren Modellen übergegangen, die dann auch wiederverwendbar wurden, ein enormer Vorteil für Preis und Verfügbarkeit. Aber: „Man muss irgendwo anfangen“, sagt Tajmar mit Blick auf die deutschen Start-ups.

Was erwartet der Anbieter langfristig?

Dass es in den USA und China schon entsprechende Anbieter von kleinen Raketen gibt, ist Schmierer bewusst. Aber die seien viel zu teuer, sagt er. HyImpulse wolle preislich deutlich attraktiver sein.

Ein Start der größeren kommerziellen Rakete koste etwa sechs Millionen Euro. Pro Kilogramm Nutzlast wolle man etwa 6500 Euro berechnen.  Man habe bereits viele Kundenanfragen, die Auftragsbücher seien ordentlich gefüllt. Auch die Politik hofft auf Kostensenkungen durch die Nutzung privater Anbieter.

Wer braucht solche Satelliten-Taxis?

Zu den Kunden gehört laut Schmierer etwa die Automobilindustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren bräuchten. Man wolle den Markt nicht China und den USA überlassen. „Wir brauchen auch als Europäer Unabhängigkeit von den Amerikanern, auch wenn sie unsere Partner sind.“

Auch der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Die Satelliten werden nach seinen Aussagen immer kleiner werden. Die neuen Kleinraketen-Anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man schon zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagte der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München. Deshalb halte er die Ideen der Start-ups für richtig.

Bereits in den späten 1970er-Jahren hat eine deutsche Firma laut Walter schon eine Privatrakete entwickelt, die eine günstigere Alternative sein sollte. Es habe einige Raketentests des Unternehmens Otrag in Afrika gegeben. „Nach heutigem Sprachgebrauch würde man Otrag als Start-up bezeichnen.“ Die Firma Otrag (Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft) sei jedoch in den 80er-Jahren eingegangen.

Welche deutschen Firmen stehen noch in den Startlöchern?

HyImpulse ist nicht das einzige Start-up in Deutschland, das derzeit an der Entwicklung von sogenannten Microlauncher arbeitet. Im Nachbarbundesland Bayern gibt es zwei Mitbewerber: Rocket Factory in Augsburg und Isar Aerospace nahe München. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren gegründet. Sie arbeiten alle an Trägerraketen, mit denen Satelliten ins All befördert werden können und planen demnächst erste Testflüge.

So viele deutsche Anbieter werde es trotz der Größe des Marktes aber nicht brauchen, ist sich Walter sicher. Es werde sich noch zeigen, welches Start-up sich durchsetzen könne. (dpa)