Im Mai diesen Jahres soll ein damals 16-jähriger Gymnasiast einen Anschlag auf seine Schule in Essen geplant haben. Nun startet der Prozess vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht.
Massenmörder Breivik als VorbildProzess gestartet: Essener Gymnasiast plante Anschlag auf Schule
Es hat nicht mehr allzu viel gefehlt und Peter M. (Name geändert) wäre als jüngster Bombenleger in die deutsche Kriminalgeschichte eingegangen. Ein jugendlicher Rechtsextremist, der laut der Bundesanwaltschaft einen Amoklauf in seiner Schule in Essen geplant haben soll. Die Vorwürfe reichen vom Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat bis hin zu Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Am Freitag startet der Prozess gegen den 16 Jahre alten Gymnasiasten aus Essen vor dem 6. Staatsschutzsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts.
M. wollte viele Lehrer und Mitschüler töten wie möglich
Ein unbändiger Hass trieb den Essener offenbar an: Mit selbstgebastelten Sprengkörpern und anderen Waffen wollte M. nach Angaben der Ankläger aus Karlsruhe so viele Lehrer und Mitschüler seines Gymnasiums in Essen töten, wie möglich.
In seiner Kladde hatte der 16-jährige Deutsche ein Hakenkreuz eingezeichnet, das die Zahl 1488 einrahmte. Die Ziffern stehen für den rechtsextremen „Code 14“ aus den USA, in dem vom Schutz „unseres Volkes und der weißen Kinder“ gefaselt wird. Die 88 gilt als Synonym für „Heil Hitler“.
Alles zum Thema Herbert Reul
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Massenmörder Anders Breivik als Vorbild
Der Teenager hatte sich offenbar übers Internet zunehmend radikalisiert. Zu seinen Vorbildern gehörten aufgefundenen Schriftstücken und Dateien zufolge der norwegische Massenmörder Anders Breivik und der rechtsextreme Terrorist Brenton Tarrant, der in zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch ein Massaker mit 51 Toten verübte.
Nach der Festnahme am frühen Morgen des 13. Mai 2022 in seinem Kinderzimmer kam der Gymnasiast in Untersuchungshaft. Insbesondere das Internet heizte die radikale Gedankenwelt des Peter M. an. Immer wieder beschäftigte sich der Jugendliche mit Amokläufen an Schulen in den USA. So hoffte der junge Extremist, die zwölf Opfer beim Todeslauf an der Columbine High School mit mehr „Kills“ zu übertreffen. Bei der Durchsuchung fand sich zudem eine Datei mit der Überschrift „Massaker DBSG“ (Don-Bosco-Gymnasium), in dem M. seine Anschlags-Pläne skizzierte. In einer Kladde hetzte der Rechtsextremist gegen Schwarze und Muslime, denen er die totale Vernichtung wünschte.
Tagebucheinträge deuten auf labile Persönlichkeit hin
Andere Zeilen deuten auf eine labile Persönlichkeit hin. Der Tag seines Todes wäre der beste „seines Scheiß-Lebens.“ Die Ermittler werten diese Sätze als Hinweis auf einen erweiterten Suizid nach dem Anschlag. Offenbar litt der 16-Jährige unter erheblichen psychischen Problemen, die ihn auf den Gedanken brachten, einen Amoklauf an seiner Schule zu begehen.
Andreas Wieser humpelt wie ein Gefangener durch den Besprechungsraum seiner Anwaltskanzlei in Essen. Mit gespielter Leidensmiene schiebt er einen Fuß vor den anderen. „Können Sie sich vorstellen, wie das ist, mit Hand- und Fußfesseln vor den Richter zu treten?“. Der Strafverteidiger findet es „völlig absurd“, dass sein Mandant vor Gericht behandelt werden soll „wie ein IS-Terrorist“.
Sein Klient habe längst eingesehen, dass sein Weg der Falsche gewesen sei. „Zur Neo-Nazi-Szene bestanden nie Kontakte.“ Vielmehr sei die Motivlage in seinem Alter zu suchen. Pubertierend, depressiv, ein Schulwechsel zu einem anspruchsvollen Gymnasium. Peter M., der ohnehin dazu neigte, als Eigenbrötler unterwegs zu sein, fühlte sich offenbar durch eine Gruppe an der Schule gemobbt. Der Hass auf die Klassenkameraden wuchs zusehends. Aus dem Netz soll sich der Angeklagte Bombenbaupläne heruntergeladen haben. Die Sprengstoffutensilien, bestellt in Online-Shops, versteckte Peter M. in seinem Zimmer.
Während seine Eltern keinen Argwohn hegten, bastelte der junge Tüftler an seinen Rohrbomben. Zugleich kündigte er gegenüber einem seiner wenigen Freunde den Zeitpunkt zum Zuschlagen an. Letzterer informierte die Polizei. Die Festnahme beendete offenbar ein Persönlichkeitsdrama eines höchst labilen Jugendlichen. In dem Zusammenhang zitiert Anwalt Wieser NRW-Innenminister Herbert Reul. Der CDU-Politiker hatte kurz nach der Festnahme die aufgefundenen Selbstbekenntnisse als möglichen, „dringenden Hilferuf eines jungen verzweifelten Mannes“ bezeichnet.
Für den Prozess hat der Essener Verteidiger eine geständige Einlassung seines Mandanten angekündigt. Anstatt zu schweigen, stellte sich der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren den Fragen des forensischen Jugendpsychiaters. Der Gutachter attestierte Peter M. in seiner vorläufigen Expertise zwar die volle Schuldfähigkeit, schloss aber eine weitere Gefahr für die Allgemeinheit aus. Vor dem Hintergrund hatte der Haftrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) den jugendlichen Angeklagten im Sommer vom Untersuchungsgefängnis verschont.
Nach einem Monat aber setzte ein BGH-Senat auf Bestreben der Bundesanwaltschaft den Haftbefehl wieder in Kraft. Peter M. sitzt seither wieder in einer Jugendstrafanstalt ein. „Dabei braucht mein Mandant professionelle Hilfe durch eine Psychotherapie“, betont Verteidiger Wieser. Der Experte für Jugendverfahren hofft, dass der Angeklagte „eine Perspektive erhält, um wieder in die Gesellschaft integriert werden zu können".