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Habeck und Neubauer zur Flut„Menschen mussten erleben, wie fragil ihr Wohlstand ist“

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Luisa Neubauer

Die Bilder und Schicksale nach der Flutkatastrophe lassen keinen kalt. Betroffenheit und Dringlichkeit legen auch Grünen-Chef Robert Habeck und Klimaaktivistin Luisa Neubauer in ihre Worte zum verheerenden Geschehen in der Region. Er empfinde „große Beklommenheit“, sagte Habeck am Donnerstag im Rahmen eines „Nationalen Waldgipfels“, einer zweitägigen Konferenz, zu der Förster und Autor Peter Wohlleben in seine „Waldakademie“ in Wershofen im Kreis Ahrweiler eingeladen hatte.

Er habe eine „schizophrene Gleichzeitigkeit“ der Ereignisse wahrgenommen, da er selbst zum Ereigniszeitpunkt Sonnenschein erlebte. Seinen Besuch in der Region dieser Tage trete er mit „schwerem Herzen, nicht dabei gewesen zu sein“ an.

Fragiler Wohlstand

Fridays For Future-Aktivistin Luisa Neubauer hat nach eigener Aussage selbst bei Stolberg in der Nähe von Aachen bei der Nothilfe mitgemacht, sobald die Zugänglichkeit gesichert war. „Es ist auf so vielfältige Art tragisch, was hier passiert ist. Die Menschen, die Jahrzehnte dafür gearbeitet haben, ein Haus zu haben, sich ein Auto zu leisten, mussten in wenigen Stunden erleben, wie fragil dieser Wohlstand ist“, sagte Neubauer.

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Luisa Neubauer ist das Gesicht der Bewegung Fridays for Future. 

Sie kritisierte das Geschehen auch als Konsequenz politischen Versagens. „Man wusste, dass die Warnsysteme nicht funktionieren, man wusste, dass diese Menschen nicht geschützt sind und dass diese Gebiete Risikogebiete sind. Und man hat sich dagegen entschieden, die Menschen dort zu schützen, sowohl kurzfristig durch Warnsysteme als auch langfristig durch angemessenen Klimaschutz.“

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Am Wochenende will Neubauer erneut Betroffene in der Region treffen, wenn sie im Rahmen einer Demonstration gegen Umsiedlung im Rheinland sein wird. Besonders betonte sie ihre persönliche Wahrnehmung der Ungerechtigkeit. „Ich habe auf einem Campingplatz geholfen bei Menschen, die kein anderes Zuhause haben als diesen Campingplatz, der komplett überspült war – ohne Ausweichmöglichkeit. Ich habe mitgeholfen, Trümmer so umzuorganisieren, dass man an die Wohnwagen rankam. Man sieht, dass die Menschen, die eh wenig haben, ganz besonders von diesen Katastrophen getroffen werden. Und 100 Prozent davon abhängig sind, wie wohltätig der Staat mit ihnen ist. Das hat mich sehr traurig gemacht.“

Schützende Rolle der Wälder

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck betonte mit Hinweis auf das Flutgeschehen die klimatische und schützende Rolle der Wälder und mahnte weniger Waldnutzung an. Das Ziel, mindestens fünf Prozent der Waldfläche in Deutschland als Naturwälder ohne menschlichen Eingriff zu bewahren werde schon jetzt nicht erreicht, obwohl große Waldflächen Bund oder Ländern gehörten.

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Robert Habeck trifft auf Peter Wohlleben

Vor allem die Bewirtschaftung von Wald müsse sich ändern, wenn dieser Naturraum als Klimaschutzraum erhalten werden solle. Wenn Wälder intakt gehalten würden, sagte Habeck auch mit Blick auf die Flutkatastrophe in der Region und die Perspektive, dass Wetterextreme in den kommenden Jahren zunehmen werden, könnten die Böden mehr Wasser aufnehmen und bildeten auch mehr Humus.

Bodenversiegelung fördert Überschwemmungen

Luisa Neubauer wies darauf hin, dass die Überschwemmungen teilweise auch auf Bodenversiegelung und kaputte Wälder zurückzuführen sei. „Die Bedeutung eines gesunden Waldes ist jetzt nochmal dramatisch an die Oberfläche getreten. Wo der Wald intakt ist, wo der Boden durchlässig ist, wo Ökosysteme lebendig und gesund leben können, wird aktiv Katastrophenschutz betrieben“, sagte sie.

Der Wald werde in den nächsten Jahren weiter starkem Stress ausgesetzt sein, weshalb die Nutzung reduziert werden müsse, forderte Robert Habeck. Er schlug dazu die Einrichtung eines „Waldzukunftsfonds“ vor. Daraus sollten Waldbewirtschafter entschädigt werden, wenn sie die Nutzung deutlich und dauerhaft reduzierten. Auch mit Bezug auf die großen Schäden in Flusstälern der Region erklärte der Grünen-Vorsitzende: „Wir müssen auch an den Niederungen wieder neue Waldflächen schaffen und gleichzeitig den Flüssen mehr potenziellen Raum geben. Es geht beim Klimaschutz nicht nur um Artenschutz. Diese Maßnahmen sind Menschenschutz.“