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Hochwasser im SaarlandWarum ein kleines Tief so große Regenmengen bringen konnte

Lesezeit 4 Minuten
Man sieht eine überschwemmte Straße. Ein Polizeiwagen steht quer. Vor ihm liegen ein gelbes und ein orangenes Schlauchboot bereit.

Schlauchboote liegen an einer Absperrung der Polizei in der Fischbachstraße in Saarbrücken.

100 Liter pro Quadratmeter und mehr fielen mancherorts im Katastrophengebiet im Südwesten Deutschlands binnen 24 Stunden.

Schuld an diesen Regenmengen hatte ein kleinräumiges Tief, erklärt der Meteorologe Stefan Zender. Unter normalen Bedingungen hätte man es vielleicht kaum bemerkt. Im Saarland aber herrschte eine besondere Wetterlage.

Herr Zender, was ist im deutschen Südwesten in den letzten Tagen meteorologisch gesehen passiert?

Da war ein sogenanntes kleinräumiges Tief unterwegs. Dabei handelt es sich um ein kleines Tief am Rande eines ausgedehnten Tiefdruckgebietes, in diesem Fall eines Tiefs über dem Westen Frankreichs.

„Klein“ klingt für Laienohren erst einmal harmlos.

Ja, ein „normales“ Tiefdruckgebiet kann schon einen Durchmesser von rund 2000 Kilometern haben. Dieses Randtief war dagegen deutlich kleiner. Und vor allem: Es hat sich sehr langsam bewegt, wodurch die Niederschläge geballt in einer vergleichsweise kleinen Region herunterkommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts, SPD) und die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (links, SPD) besuchen den vom Hochwasser betroffenen Ort Kleinblittersdorf und werden von Anwohnern begleitet.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD)besuchen den vom Hochwasser betroffenen Ort Kleinblittersdorf.

Was heißt „schnell“ und „langsam“?

In diesem Fall hat sich das Tief über mehr als zwölf Stunden nur wenig bewegt. Normalerweise zieht ein Tief über die Dauer eines Tages schon etwa 1000 Kilometer und mehr.

Kam noch etwas Erschwerendes hinzu?

Wir hatten insgesamt eine feuchtwarme Wetterlage, es war sehr viel Wasserdampf in der Atmosphäre.

Von zum Teil mehr als 100 Litern Niederschlag pro Quadratmeter in 24 Stunden war zu lesen. Wusste man, wo es heftig wird?

Es gab Warnungen vorher, die Lage war im Grunde klar. Auch dass es den Südwesten treffen wird. Die Unsicherheit besteht darin, bei so einem kleinräumigen Tief die Position vorherzusagen, an der genau es besonders gravierende Niederschläge geben wird. Die Regenmenge, die da insgesamt herunterkommen würde, stand aber schon am Tag vorher fest.

Es ist das Verkehrszeichen „Durchfahrt verboten“ zu sehen, mit einem Schild darunter, auf dem „Hochwasser“ steht.

Ein Verkehrsschild verbietet die Durchfahrt mit der Warnung „Hochwasser“ (Symbolbild)

Wie früh weiß man überhaupt über so ein extremes Ereignis Bescheid?

Das ist von Wetterlage zu Wetterlage unterschiedlich. Grob würde ich sagen, dass man spätestens einen Tag vorher Bescheid weiß, je nach Lage auch schon zwei oder drei Tage vorher. Wie viel Niederschlag es im Einzelnen gibt, wie die Zugbahn des Ereignisses genau verläuft, ob 50 Kilometer weiter nördlich oder südlich, das müssen die Modelle dann allerdings nach und nach berechnen.

Wie wurde gewarnt?

Der Deutsche Wetterdienst hat das Tief „Ildikó 2″ in die offiziellen Warnungen aufgenommen, und das wurde auch rechtzeitig überall verbreitet.

Wie wird konkret gewarnt? Man kann ja schlecht sagen: „Im Saarland wird irgendwo etwas sehr Schlimmes geschehen. Geht mal alle vorsichtshalber alle woanders hin.“

Der Deutsche Wetterdienst gibt in Warnlageberichten Warnungen heraus – je näher das Ereignis rückt und absehbar ist, beziehen sich diese Wetterwarnungen auch auf Landkreise und einzelne Gemeinden. Die werden dann auch in den entsprechenden Portalen für Feuerwehren und Ähnliches bereitgestellt.

Das verantwortliche Tief löst sich allmählich auf, zieht auch in Richtung Norden weg.
Stefan Zender, Meteorologe beim Wetterkontor Ingelheim

Es war zu hören, alle 20 bis 50 Jahre gebe es in den betroffenen Regionen ein solches Wetterereignis. Wenn man etwa in Nordbayern am Maindreieck unterwegs ist, stößt man in Dörfern am Fluss über alte, gemauerte Hochwassertore, an deren Bögen sich viele historische Markierungen über zum Teil meterhohe Überflutungen finden. Hat es solche Wetterlagen immer gegeben? Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Da laufen Forschungen. Es ist so, dass im Zuge des Klimawandels mit höheren Temperaturen generell mehr Wasserdampf in der Atmosphäre gespeichert wird. Und wenn heutzutage so etwas wie im Saarland passiert, kann man schon sagen, dass deutlich mehr Wasser herunterkommen wird als früher. Natürlich hat es solche Lagen auch in der Vergangenheit hin und wieder gegeben. Aber wir müssen in der Zukunft häufiger mit ihnen rechnen.

Die Pegelstände sinken jetzt wieder. Wie geht es weiter? Dürfen die Bewohner der überfluteten Gebiete dauerhaft mit Entspannung rechnen?

Das verantwortliche Tief löst sich allmählich auf, zieht auch in Richtung Norden weg. Insofern entspannt sich alles, was den Dauerregen angeht. Über Pfingsten haben wird es eher mit kräftigen Schauern und Gewittern zu tun. Und natürlich kann es durch so ein Gewitter auch noch einmal zu viel Regen an einem Ort kommen – aber zeitlich begrenzt und nicht über eine so riesige Fläche. Insgesamt geht es jetzt in eine wechselhafte sommerliche Lage über.

Auch weiter im Norden kann das Tief keinen Schaden mehr anrichten?

Wir haben jetzt noch ein Regenband, das sich von Rheinland-Pfalz bis Nord- und Mittelbayern erstreckt. Da sind weitere Regengüsse unterwegs. Aber kein Vergleich zu gestern.


Stefan Zender (50) ist Meteorologe beim Wetterkontor. Die WetterKontor GmbH mit Sitz in Ingelheim am Rhein, gegründet von ehemaligen leitenden Mitarbeitern der Firma Weathernews Deutschland, ist einer der führenden privaten Wetteranbieter in Deutschland. Die Vorhersagen der dort arbeitenden Diplom-Meteorologen basieren auf Daten internationaler Wettermodelle, Satellitenbilder und Radarinformationen.