Clankriminalität war Thema einer Sondersitzung im Innenausschuss. Minister Reul sprach von einem „High Noon“ in Ruhrgebietsstädten. Einem Clan-Treffen auf Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erteilt er eine verärgerte Absage.
Nach Massenschlägereien im RuhrgebietReul sagt Treffen zu Clankriminalität verärgert ab
Seit Tagen brodelt es im Ruhrgebiet. Kurdisch-libanesische Clans bekämpfen sich mit syrischen Großfamilien auf offener Straße. Mobs rotten sich in Castrop-Rauxel, Essen oder Gelsenkirchen zusammen, um den Gegner mit Baseballschlägern, Macheten und Messern zu attackieren. Großaufgebote der Polizei versuchen, die Tumulte zu schlichten.
Die Einsatzkräfte registrierten Dutzende Verletzte, darunter auch ein 23-jähriger Syrer, der mit lebensgefährlichen Stichwunden notoperiert wurde. Auch einige Polizeibeamte mussten sich ärztlich behandeln lassen, so lautet das vorläufige Fazit, das NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwochmorgen in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag präsentierte.
Angriffsparolen in den sozialen Netzwerken peitschen die Streitigkeiten an
Reul sprach von einem „High Noon“ in den Städten und von einem „gehörigen Gewaltpotenzial“. Ein Szenario, das an eine Art Echo erinnere. Sobald die kurdisch-libanesischen Clans mobil machten, versammelte sich die Gegenseite, um entsprechend zu reagieren – immer wieder aufgepeitscht durch Angriffsparolen in den sozialen Netzwerken.
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Die bisherige Bilanz: 700 Beamte sowie Polizeihubschrauber und Diensthunden waren im Einsatz, 141 Angriffswaffen wurden sichergestellt, darunter 43 Messer und eine Maschinenpistole. 44 Menschen wurden in Gewahrsam genommen, 224 Platzverweise ausgesprochen, mindestens 37 Ermittlungsverfahren laufen.
Auslöser für die ausufernden Streitigkeiten zwischen zwei verfeindeten arabischen Familien soll ein Streit zwischen zwei elfjährigen Jungen aus beiden Communities in Castrop-Rauxel gewesen sein. „Offensichtlich haben wir es mit einer Pulverfass-Mentalität zu tun – mit einem Konflikt, der nichts auf den Straßen in deutschen Großstädten zu suchen hat“, sagte Reul. Dieser Umstand erinnere vor allem daran: „Die Kriminalität, die aus Familienstrukturen heraus begangen wird, findet nicht immer nur als organisierte Kriminalität im Hinterzimmer statt. Auch diese spontanen Gewaltausbrüche auf der Straße gehören zum Phänomen der Clankriminalität dazu“, sagte der Innenminister.
Reul adressierte diesen Hinweis an den grünen Koalitionspartner. Schließlich streitet der CDU-Hardliner seit geraumer Zeit hinter den Kulissen mit den Grünen über das Thema Clans. Geht es nach den Grünen, soll sich das jährliche Clan-Lagebild nur auf das organisierte Verbrechen beschränken. Tumultlagen wie sie sich jüngst bei den Massenschlägereien in Castrop-Rauxel und Essen ereigneten, fielen dann heraus.
Schließlich wolle man eine generelle Stigmatisierung der kurdisch-libanesischen Großfamilien vermeiden, so der Tenor, den auch Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) befördert. Der ermittelnde Dortmunder Oberstaatsanwalt hatte tags zuvor gegenüber der Dpa noch betonte, dass er bei den Konflikten in Castrop-Rauxel und in Essen keine Bezüge zur Clankriminalität sehe. Das Innenministerium widersprach dem im Innenausschuss und sieht in den Aufrufen im Netz auch die entsprechenden Zusammenhänge.
Bund-Länder-Treffen zum Thema Clans: Reul sagt verärgert ab
Nun haben die Vorkommnisse im Revier und das Thema Clankriminalität auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mobilisiert. Sie hat die Länder zu einem Gipfeltreffen eingeladen, um eine Allianz gegen die Clans zu schmieden.
NRW-Amtskollege Reul erteilte dem Ansinnen eine Absage: „Jahrzehntelang lag die SPD bei der Bekämpfung der Clankriminalität im Tiefschlaf“, sagte der CDU-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Jetzt, wo das Problem in aller Munde sei, werde man plötzlich wach und „gründe irgendwelche Allianzen“.
Deutlich verärgert sagte der Innenminister: „Frau Faeser hat dabei allerdings vergessen, ihr vermeintliches Großprojekt mit den zuständigen Ministern zu besprechen.“ Stattdessen habe Berlin zu einem fachlichen Austausch auf Arbeitsebene eingeladen. „Für solche unabgestimmte PR-Shows kann die NRW-Polizei leider nicht zur Verfügung stehen“, so Reul.