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„Haben Sie das nicht durchgerechnet?“Klamroth bringt CDU-Politikerin beim Thema Nettoverdienst in Bedrängnis

Lesezeit 5 Minuten
Gitta Connemann (CDU) geriet beim Thema Nettoverdienst bei „Hart aber fair“ in Bedrängnis. (Bild: WDR/Dirk Borm)

Gitta Connemann (CDU) geriet beim Thema Nettoverdienst bei „Hart aber fair“ in Bedrängnis. (Bild: WDR/Dirk Borm)

Der Investitionsstau bremst die Wirtschaft und schadet KMUs. Wo holen wir den Aufschwung her? An der Frage bissen sich Klamroths Gäste in der Folge vom 27. Januar die Zähne aus.

Seit dem 6. November 2024 ist die Elbebrücke der B 172 im sächsischen Bad Schandau gesperrt. Die nächste Brücke ist eine Stunde entfernt. Ein Umweg, der für örtliche Betriebe eine Herausforderung darstellt. „250 bis 350 km mehr pro Tag“ müsste die Landbäckerei Schmidt berücksichtigen, erzählte der Firmeninhaber und Moderator Louis Klamroth bei dessen Besuch vor Ort in der neusten Folge von „Hart aber fair“. So entstünden 250.000 Euro Mehrkosten pro Jahr. Entsprechend „perspektivlos“ schätzte er die Lage der deutschen Wirtschaft ein und wünschte sich „Schwung und Aufbruchstimmung“.

Franziska Brantner bei „Hart aber fair“: „Die Riesensumme kriegen wir aus dem Haushalt nicht heraus, da brauchen wir Kredite“

Ähnlich ginge es auch Mareike Boccola vom Maschinenhersteller Hauschild Speedmixer GmbH & Co KG. Eines stellte die Unternehmerin aber klar: „Angst vorm Abstieg“ - zitierte sie den Titel der Sendung - hätte sie nicht. Stattdessen lieferte sie eine Antwort für den zweiten Teil: „Wer bringt die Wirtschaft wieder in Schwung?“ Als Unternehmerin würde sie sich der Verantwortung stellen und wäre bereit, mit der Politik zusammenzuarbeiten. Deutschland wäre noch immer ein anerkanntes Industrieland. „Wir haben etwas zu bieten und da Ressourcen zu binden“, war sie überzeugt und richtete ihr Plädoyer an die Politik: „Bitte macht uns das Leben leichter und nicht schwieriger.“

Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) wollte bei „Hart aber fair“ auf Lücken im Wahlprogramm der CDU aufmerksam machen - doch das ging nach hinten los ... (Bild: WDR/Dirk Borm)

Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) wollte bei „Hart aber fair“ auf Lücken im Wahlprogramm der CDU aufmerksam machen - doch das ging nach hinten los ... (Bild: WDR/Dirk Borm)

Ausgerechnet Letzteres hätte die Politik in den letzten 25 Jahren getan, lautete das vernichtende Urteil von Marcel Fratzscher (Präsident Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin): Der Staat hätte nicht nur falsche Prioritäten gesetzt, auch der „scheiternde Föderalismus“ wäre eine Ursache für die verheerende Situation der Wirtschaft. Während es im Süden leistungsfähige Kommunen gäbe, wären viele im Norden überschuldet und hätten keine Kapazitäten, Infrastruktur aufzubauen.

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„Herr Fratzscher hat einen wichtigen Aspekt vergessen: Überlange Planungs- und Genehmigungsverfahren“, stimmte Gitta Connemann (CDU, Bundesvorsitzende Mittelstands- und Wirtschaftsunion) der Analyse in anderen Punkten zu, „wir müssen schneller werden“.

Genau das hätte die Ampelregierung getan, betonte Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen, Bundesvorsitzende) und sprach von massiven Investitionen. 2024 sei bei der Deutschen Bahn das erste Jahr gewesen, wo „mehr repariert wurde als kaputtgegangen ist, weil wir Milliarden in die Bahn geschoben haben“. Generell müsste Deutschland „sparen, wo es geht“, gab sie den Forderungen der Unternehmerin recht. Es stünde jedoch fest: „Die Riesensumme (Anmerkung: Laut Städte- und Gemeindebund fehlten 186.2 Milliarden Euro) kriegen wir aus dem Haushalt nicht heraus, da brauchen wir Kredite“, merkte sie unter Applaus aus dem Publikum an.

Anne-Catherine Beck bei „Hart aber fair“: „Vielen wäre es lieber, dass wichtige Investitionen in Zukunftsbereiche getätigt werden“

Dass die Grünen die Schuldenbremse reformieren wollten, das hätte er verstanden. Wie die CDU zum umstrittenen Thema stünde, das konnte Connemann Louis Klamroth trotz mehrfachem Nachfragen nicht deutlich machen: „Wir halten an der Schuldenbremse fest“, betonte sie zwar und wollte ein Missverständnis aus dem Weg räumen: „Der Staat nimmt jedes Jahr Kredite auf - trotz Schuldenbremse“, verwies sie auf 50 Milliarden Euro in den Jahren 2023 und 2024, „und diese Schulden von heute kosten etwas, das sind Zinsen“. 2021 hätten diese drei Milliarden Euro ausgemacht, 2024 fast 40 Milliarden Euro „doppelt so viel wie in Bildung und Forschung investiert wurde“.

Moderator Louis Klamroth sprach in der neusten Folge von „Hart aber fair“ mit seinen Gästen über die Wirtschaft in Deutschland. (Bild: WDR/Dirk Borm)

Moderator Louis Klamroth sprach in der neusten Folge von „Hart aber fair“ mit seinen Gästen über die Wirtschaft in Deutschland. (Bild: WDR/Dirk Borm)

„Deutschland hat prinzipiell kein Schuldenproblem“, erklärte Fratzscher und fügte hinzu: „Jedes Unternehmen weiß, dass man Kredit aufnehmen muss, um wachsen zu können. Der Staat muss das Gleiche tun.“ Angesichts der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung und den gigantischen Herausforderungen der Infrastruktur pochte er auf Prioritätensetzung: „Sparen und nicht investieren oder in Zukunft investieren und kurzfristig höhere Schulden machen“, stünden zur Wahl. Es ginge um die wichtige Unterscheidung zwischen Konsum und Investition.

Die Schuldenbremse wäre auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, sprach die 28-jährige Anne-Catherine Beck (ARD-Finanzredaktion und Reporterin „Börse im Ersten“) für ihre Altersgenossen, „vielen wäre es lieber, dass wichtige Investitionen in Zukunftsbereiche getätigt werden, damit ein gewisser Wohlstand erhalten bleiben kann“. Man dürfte nicht nur von Wahl zu Wahl denken, richtete sie die Botschaft an die Politiker, vielmehr müssten die großen Probleme der Jungen angegangen werden. Das Thema Wohnen oder Inflation.

Gitta Connemann (CDU): „Den Leuten hilft nicht der Bruttolohn, was sie brauchen, ist mehr Netto im Geldbeutel“

Zu Letzterem hatte auch Manuela Valdivieso (selbstständige Reiseberaterin) etwas zu sagen: Vor zwei Jahren hatte sich die Mutter zweier erwachsener Töchter bei Klamroth über hohe Gaspreise beschwert. Zwar wären diese zwischenzeitlich gefallen, finanziell besser ginge es der mittelständischen Familie aber nicht: „Das, was wir bei Gas eingespart haben, fressen andere Sachen“, klagte Valdivieso und kannte den Wunsch vieler Menschen im Land; „Wenn ich arbeite, dann will ich genug haben, um auszukommen, um mein Leben leben zu können.“

Hatte die Reiseberaterin gerade noch geklagt, um die Mitte würde sich keiner kümmern, überschlugen sich die beiden Politikerinnen Brantner und Connemann förmlich, ihr das Gegenteil zu beweisen: „Das Leben bezahlbar machen - das ist eine der Hauptaufgaben, die die nächste Bundesregierung hat“, bedankte sich Brantner überschwänglich bei Valdivieso, „Sie sind meine Priorität.“ Das ließ sich auch die CDU-Politikerin nicht zweimal sagen: Natürlich stünde die Mitte - „die Arbeitnehmer und Arbeiternehmerinnen, die mittelständischen Betriebe und damit die Hochsteuerzahler in diesem Land“ - auch in ihrem Wahlprogramm im Fokus: Denn „den Leuten hilft nicht der Bruttolohn, was sie brauchen, ist mehr Netto im Geldbeutel“.

Wer den Leuten genau dieses Mehr nicht nur verspräche, sondern auch gäbe, hatte das Leibnitzer Zentrum für Wirtschaftsforschung berechnet: Ein Ehepaar mit zwei Kindern und dem Bruttojahresverdienst von 40.000 Euro profitierten bei der Union mit 300 Euro mehr pro Jahr, bei den Grünen gäbe es 870 Euro. Besser kämen Spitzenverdiener mit 180.000 Euro Bruttoeinkommen weg: Bei der Union gewännen sie 5.840 Euro jährlich. „Haben Sie das nicht durchgerechnet?“, wollte Klamroth von Connemann wissen. Statt einer klaren Antwort erhielt der Moderator jedoch nur ausweichende Plattitüden.

Mit ähnlich unklaren Aussagen musste er sich auch zufriedengeben, als er Brantner auf den Vorschlag vom Grünen-Spitzenkandidaten Robert Habeck ansprach. Dieser wollte Besserverdiener zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Kapitaleinkünfte zur Kasse bitten. Nur wen das beträfe, das konnte - oder wollte - ihm die Politikerin nicht verraten. „Wir machen Vorschläge, wie wir kürzen und den Topf der Beitragszahler insgesamt größer machen“, ging sie auf Angriff über: „Am meisten ärgert es mich, wenn Kritik von einer Partei kommt, die nichts tut, um die Frage der Generationengerechtigkeit anzugehen.“

Ihr weiterer Ablenkungsversuch, auf Lücken im Unions-Wahlprogramm hinzuweisen, ging nach hinten los: „Jetzt kritisieren Sie die CDU, dass sie kein klares Konzept hat“, stellte Klamroth trocken fest: „Sie haben auch keine klaren Zahlen.“ (tsch)