AboAbonnieren

Bilanz zur HalbzeitPunk-Protestcamp auf Sylt bislang friedlich – einige Sylter sind verärgert

Lesezeit 4 Minuten
Bis Anfang September wollen die Mitlgieder des Punk-Protestcamps auf Sylt bleiben.

Bis Anfang September wollen die Mitglieder des Punk-Protestcamps auf Sylt bleiben.

Das 9-Euro-Ticket zog 2022 unzählige Punks auf die Nordseeinsel. Dieses Jahr findet das Protestcamp zum dritten Mal auf Sylt statt.

Freudig johlend hüpfen sie mit pink-grünen Stachelhaaren und Dosenbier in der Hand in die Nordsee, sammeln in Springerstiefeln im Sonnenuntergang Muscheln am Sylter Strand und spielen Gitarre in der Fußgängerzone in Westerland. Im inzwischen dritten Sommer in Folge mischen Punks aus ganz Deutschland das Straßenbild auf der Insel der Reichen und Schönen auf.

„Wir sind sehr zufrieden und mehr Menschen als letztes Jahr, gerade arbeiten wir an weiteren Aktionen - geplant ist ein CSD und eine Aktion in Kampen“, sagte Protestcamp-Anmelder und -sprecher Marvin Bederke (24) aus Frankfurt der Deutschen Presse-Agentur. Eine Verlängerung des Camps sei, anders als im vergangenen Jahr, 2024 nicht geplant. 

Camp auf Sylt ist zum Mini-Festival geworden

Rund drei Wochen nach dem offiziellen Start ihres dritten Punk-Protestcamps auf der größten deutschen Nordseeinsel, haben die rund 170 Bewohner hier im August eine Art Mini-Festival etabliert - mit Konzerten, Workshops, Lesungen und politischen Aktionen. Unter dem Motto „Protestcamp für ein solidarisches Miteinander - Klimagerecht und inklusiv in eine gemeinsame Zukunft ohne Gentrifizierung“ üben die Teilnehmer aus ganz Deutschland nach Angaben der Gruppe „Aktion Sylt“ Kritik am Kapitalismus. Bis zum 1. September wollen sie auf der Festwiese im Gewerbegebiet nahe dem Flughafen in Tinnum bleiben.

Alles zum Thema Christopher Street Day

Das Protestcamp auf der Urlaubsinsel geht bereits in die dritte Runde. Mit dem Neun-Euro-Ticket hatte auf der Nordseeinsel im Sommer 2022 alles begonnen. Damals campierten rund 100 Punks in Zelten vor dem Rathaus in Westerland. Die dritte Auflage, außerhalb des touristischen Zentrums der Insel, ist deutlich professioneller: Es gibt Toiletten, ein Küchenzelt und eine Bühne.

Polizei: Lage zur Halbzeit überwiegend friedlich

„Das Camp hat eine Selbstfindungsphase hinter sich. Letztes Jahr wusste niemand so richtig, was erwartet wird - in diesem Jahr hat sich die Masse homogenisiert: Wir haben eine bessere Struktur insgesamt, aber auch für Konzerte“, sagte Mit-Organisator Jonas Hötger (24) aus Frankfurt. Ein Punk-Camp 4.0 im kommenden Jahr schließe er nicht aus. Mit-Organisator Pissrinne (21) ist vom Bodensee angereist und stimmt Hötger zu: „Wir haben in diesem Jahr mehr Technik und einen Stromanschluss, das heißt, wir können richtige Konzerte geben“, sagte er.

Die Lage rund um das Protestcamp sei zur Halbzeit überwiegend friedlich, teilte Philipp Renoncourt, Sprecher der Polizeidirektion in Flensburg, mit. „Die hauptsächlichen Einsatzgründe sind Ruhestörungen und Streitigkeiten wie beispielsweise aggressives Betteln.“ Die Zahl der Einsätze im und rund um das Protestcamp liegen demnach derzeit „im mittleren zweistelligen Bereich“. 

Einige Sylter sind sauer, andere bleiben gelassen

Bei einigen Syltern sorgen das Camp 3.0 und seine Bewohner für wachsenden Unmut. Öffentlich wollten sich die befragten Passanten gegenüber dpa am Dienstag aber nicht äußern. 

„Grundsätzlich nehmen wir als Gemeinde Sylt einen gewissen Unmut in Teilen der Bevölkerung hinsichtlich des Protestcamps wahr“, teilte Florian Korte, Sprecher der Gemeinde Sylt, der dpa mit. Den Beschwerden im Kontext des Camps gehe die Gemeinde nach und leite solche, für die sie nicht zuständig ist, an die Polizei oder den Kreis Nordfriesland weiter.

Das Protestcamp verlaufe bisher friedlich. Die Toilettenversorgung sowie die Müllentsorgung laufen demnach entsprechend den Auflagen und die Versorgung des Camps mit Wasser und Strom funktioniert ebenfalls und wird mit den Anmeldern abgerechnet. Via Crowdfunding sammeln Bederke und seine Mitstreiter in diesem Jahr Geld für Essen, saubere Toiletten, Müllabfuhr und eine Bühne. Rund 3.100 Euro waren dort bis Dienstagmittag gespendet worden.

Andere Menschen zeigen sich angesichts der ungewohnten Sylt-Klientel entspannt: „Ich finde, das Camp ist ein bunter Kontrastpunkt zu den sonst homogenen Sylt-Urlaubern. Ich werbe für Toleranz auf allen Seiten“, sagte Urlauberin Carola Bollenhaupt. Auch eine 80-jährige Sylterin, die nah am Camp wohnt, stören die Gäste auf der Wiese nicht: „Die machen ja nichts und sind ruhig - und es ist hier besser, als wenn sie an der Wilhelmine sitzen“, sagte sie. 

Krätze-Gerüchte im Camp auf Sylt nicht bestätigt

Laut dem Kreis Nordfriesland läuft die Zusammenarbeit mit den Veranstaltern reibungslos. „Zwischenzeitlich kursierte das Gerücht einer Skabiesinfektion (Krätze) innerhalb des Protestcamps. Dieses konnte sich in Rücksprache mit dem Veranstalter jedoch nicht bewahrheiten“, teilte Laura Lewin, Sprecherin des Kreises, mit. Es seien dennoch Handlungsinformationen für den Fall einer Infektion erteilt worden. 

Die Auflagen, wie bereitgestellte Chemietoiletten, Müllcontainer sowie Ordner mit weißen Armbinden oder Warnwesten, werden laut Lewin von den Verantwortlichen eingehalten. Früheren Angaben des Kreises zufolge ist das Protestcamp auf Sylt für den Zeitraum vom 22. Juli bis zum 1. September angemeldet. Bis zum 6. September müssen die Teilnehmer alles wieder abgebaut und aufgeräumt haben.

Auch Mitglieder der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands (APPD) tummeln sich jetzt im Camp. Via Instagram hatte die Gruppe „Chaostage“ vom 24. Juli bis zum 13. August auf der Nordseeinsel angekündigt. (dpa)