Die Waldbrände auf Rhodos sorgten europaweit für Schlagzeilen. Die Feuer sind gelöscht, nun geht es ans Aufräumen.
Waldbrände gelöscht, Alltag fernRhodos räumt auf: „Irgendwann kommt das Feuer zurück“
An den Stränden rund um Gennadi im Süden von Rhodos herrscht merkwürdige Ruhe. Ein paar Menschen sind in den Hotels, doch es sind keine Gäste, es sind welche, die anpacken. Sie räumen Gegenstände weg, fegen den Ruß zusammen, ersetzen Schilder, die das Feuer vernichtet hat.
Vor rund zwei Wochen brachen auf der griechischen Urlaubsinsel Waldbrände aus, tagelang waren sie außer Kontrolle. Wälder, Wildtiere, Straßen, Beachbars fielen dem Feuer zum Opfer. Zurück bleiben Schutt, Rauch und eine riesige Fläche verbrannter Natur. Die Brände sind gelöscht, doch noch ist der Alltag fern. Vier Menschen erzählen ihre Geschichte mit dem Feuer und der Insel.
Der freiwillige Helfer
Ein Feuerwehrauto fährt auf den Parkplatz von Vati, die Männer steigen aus und gehen auf Evangelios Efthymiou und seine Kollegen zu. Der 42-Jährige stellt seinen Plastikteller mit Salat ab, um den Einsatzkräften Wasser und Essen zu reichen. Ein Mann hat sich bei den Löscharbeiten im Landesinneren von Rhodos am Fuß verletzt, Efthymious Kollege kümmert sich sofort.
Eigentlich ist Evangelios Efthymiou Anwalt in Katerini auf dem Festland. Er hat dort seine eigene Kanzlei. Doch seit einigen Tagen ist er auf Rhodos, verpflegt und versorgt Feuerwehrleute zwischen den Einsätzen. Die einen kommen mit leichten Verbrennungen, die anderen mit Erschöpfungsanzeichen, wieder andere mit Rauchvergiftungen oder leichten Dehydrierungen. Immerhin, glücklicherweise kam es bisher durch die Brände weder zu Toten noch zu Schwerverletzten.
Efthymiou und das Team sind auf Rhodos 24 Stunden am Tag im Einsatz
„Als die Anfrage aus Rhodos kam, habe ich nicht gezögert“, sagt er. Seine Frau habe ihn ermutigt. Mit dem Boot fuhr er, zusammen mit anderen Freiwilligen, nach Rhodos. „Im Sommer ist in der Kanzlei eh wenig los, daher konnte ich sofort fahren“, erklärt er.
Seit 2007 ist Efthymiou beim Roten Kreuz. Damals wollte er eigentlich nur Erste Hilfe lernen, er wollte aktiv werden können, sollte er als Ersthelfer an einen Unfallort kommen. „Doch dann führte das eine zum anderen und nun bin ich hier auf Rhodos“, sagt er, während im Hintergrund wieder eine Rauchsäule von einem neuen kleinen Feuer aufsteigt.
Seit Ausbruch der Brände sind Efthymiou und das Team 24 Stunden am Tag im Einsatz, jeweils sechs bis acht Stunden am Tag. Normalerweise ist Efthymiou bei Fußballspielen oder an Marathonstrecken zugegen. Rhodos ist sein erster Einsatz dieser Dimension. Aber wahrscheinlich nicht der letzte. „Irgendwann kommt das Feuer zurück“, sagt er, „wenn nicht diesen Sommer, dann eben nächsten.“
Die Unternehmerin
Am Samstagmittag war Sabina Kühl noch mit den Wasserskiern draußen auf dem Meer. Die Feuer loderten schon einige Tage, aber sie waren noch ein Stück entfernt. Es brannte schon öfter in der Gegend, aber die Hauptverkehrsstraße war immer eine natürliche Grenze. „Ich dachte, das löschen die schon.“
Genau eine Woche nach dem Unglück sitzt Sabina Kühl auf dem Liegestuhl eines Hotels, das an ihren Wassersportbetrieb grenzt. Die Poolliegen sind verbrannt, die Poolbar kaum wiederzuerkennen.
Stundenlange Evakuierung auf Rhodos
Am Samstagmittag erhielt sie plötzlich eine Warnung aufs Handy. Sie solle sich in Sicherheit bringen. „Ich ging nach Hause, um ein paar Sachen zu packen und meine beiden Hunde zu holen“, sagt sie. Ihr Lebensgefährte Roland blieb an der Wassersportstation am Strand von Glystra. Er half per Boot, Urlaubende aus den umliegenden Hotels zu evakuieren, stundenlang.
Erst in der Nacht, als die Flammen nah an ihrem Wohnhaus waren, machte sich Sabina Kühl auf gen Süden der Insel. Eine Nacht verbrachte sie mit den Hunden auf der Straße, dann kam sie bei Freunden unter. Erst seit Freitag kann sie wieder in ihr Haus. „In der ersten Nacht habe ich gehofft und gebangt, dass unsere Anlage verschont bleibt“, sagt sie. Doch am nächsten Tag kam die Nachricht: Ein Freund, der mit dem Boot an der Küste vorbeifuhr, sah, dass von Sabinas Watersports nichts mehr übrig war.
Die Kielerin zog vor 16 Jahren auf die Insel
Vor 16 Jahren zog Sabina Kühl aus Kiel nach Rhodos. Die gelernte Sozialpädagogin hatte einen Sommer zuvor als Windsurflehrerin auf der Insel gearbeitet und sich in das Land verliebt. Das Meer, die Natur, das viele Grün. Sie beschloss, ihr Hobby zum Beruf zu machen, und gründete die Wassersportstation. Sie verleiht Stand-up-Paddling-Boards, Wakeboards, Wasserski, Kanus, Bananenboote und bietet Trips mit dem Motorboot, mit dem Segelschiff und dem Katamaran an.
Nach und nach baute sie sich ihr kleines Paradies im Naturschutzgebiet auf. „Unser Pech war, dass wir so nah an der Natur waren“, sagt sie. So konnte das Feuer übergreifen und mehr als 100.000 Euro Schaden anrichten. Immerhin – sein Zuhause hat das Paar nicht verloren.
Nichte startete Spendenaktion
Nach ein paar Tränen setzte Pragmatismus ein. „Ich will weiter auf Rhodos leben, und dafür brauche ich Einnahmen. Ich müsste bei allem bei null beginnen, also mache ich das, was ich am besten kann.“ Sabinas Watersports wird wiederaufgebaut, am Samstag startete die erste Katamarantour nach dem Feuer. Die Boote waren auf dem Meer und sicher. Freunde stellten einen Trailer zur Verfügung, dort wird nun sporadisch ein Übergangsbüro mit Ausleihstation eröffnet.
Schon an diesem Montag sollen die ersten Geräte ankommen, dann soll auch wieder Wassersport möglich sein. Ihre Nichte startete online eine Spendenaktion – denn Sabina Kühl war nicht gegen Brandschäden versichert. Der Ausfall in der Hauptgeschäftszeit trifft sie schwer. Doch nun gehe es darum, im August, September Oktober mitzunehmen, was möglich ist.
Die Pauschalurlauber
39 Grad um 12 Uhr Ortszeit, die Sonne knallt am Sonntag vom Himmel und Steffi K. löst Kreuzworträtsel am Strand von Faliraki. Ihr Mann Leslie besorgt Drinks von der Hotelbar, Tochter Emilia planscht im Wasser, Sohn Jakob liegt auf einem Schwimmring am Strand und liest. Es ist der erste Urlaubstag der Familie aus dem Allgäu.
Fast wäre der Urlaub geplatzt. „Wir sind froh, hier zu sein“, sagt Steffi K. Sie wollten unbedingt in den Urlaub – und unbedingt nach Griechenland. Vor fünf Jahren waren sie auf Rhodos, die Kinder damals noch zu klein, um die Insel bewusst wahrzunehmen. „Wir wollten ihnen Rhodos zeigen“, sagt die Mama.
Reise nach Griechenland wurde ursprünglich storniert
Daheim in Bayern verfolgten sie die Nachrichten über die Waldbrände, beobachteten Webcams, schauten sich Karten an, auf denen eingezeichnet ist, wie das Feuer sich ausbreitete. „Wir gingen davon aus, dass unser Urlaub wie geplant stattfinden kann.“ Doch dann kam der Reiseveranstalter – und teilte ihnen am Donnerstag mit, dass die Reise storniert sei. Also planten sie um.
Das Hotel, das sie sich ausgesucht hatten, ist noch bis 1. August geschlossen. Also musste ein neues her. Nun haben sie sich für neun Tage ins Calypso Beach eingemietet, haben mit Dertour einen Veranstalter gefunden, der nicht storniert. Statt am Montag ging es bereits am Samstag los, morgens um 6 Uhr mit dem Flieger ab München.
Stornierungen seien auf Rhodos spürbar
„Das Flugzeug war vielleicht zu einem Viertel besetzt“, sagt die elfjährige Tochter Emilia. Auch im Speisesaal und an einigen freien Liegen seien die Stornierungen der vergangenen Tage spürbar. Familie K. hat davon profitiert: Sie sind nun zwei Tage länger in Griechenland und zahlen 200 Euro weniger.
Leslie K. hat eine große Griechenland-Flagge auf dem rechten Oberarm tätowiert. „Einen größeren Griechenland-Fan finden Sie nicht“, sagt er.
Der Strandverkäufer
Als junger Mann hatte Michalis eine Kaffeebar auf Rhodos. Urlauberinnen und Urlauber kamen vorbei genau wie Einheimische, tauschten sich aus, plauderten, genossen die freie Zeit. „Dann kam All-Inclusive, und Shops wie meiner mussten schließen“, sagt er. Seither hat Michalis, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, einen neuen Job: Er vermietet Liegestühle und Sonnenschirme am Strand, seit 35 Jahren.
Der 63-Jährige sitzt am Tranganou Beach in seinem Stuhl, vor ihm auf dem Tisch ein Kartenlesegerät. Am Sonntagvormittag sind alle von Michalis betreute Liegen vermietet, er kann sich etwas zurücklehnen. Nur hin und wieder muss er neuen Strandgängern erzählen, dass sie sich andernorts umschauen müssen.
Tui fliegt wieder nach Rhodos
„Schau dich um“, sagt er, „der Tourismus ist da.“ Wieder. Obwohl Tranganou rund 35 Kilometer von den Waldbränden entfernt ist, spürte er in den vergangenen zwei Wochen die Auswirkungen. 25, 30 Prozent weniger Gäste habe es am Strand gegeben. Er hofft, dass schon in dieser Woche wieder Normalbetrieb ist.
Der Reisekonzern Tui beispielsweise hat bereits am Samstag erstmals wieder eigene Pauschaltouristen auf die Insel geflogen. Das bestätigte ein Sprecher des Konzerns am Sonntag. Demnach starteten Flüge ab Hannover, Düsseldorf und München nach Rhodos.
Maschinen aus Frankfurt und Stuttgart sollen am Nachmittag folgen. Tui-Chef Sebastian Ebel sprach sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur dafür aus, dass Menschen weiter auf der griechischen Insel Urlaub machen – „Wenn nicht jetzt, wann dann?“