Köln – Julian Assange ist seit zwei Jahren im Hochsicherheitsgefängnis und seit bald zehn Jahren nicht mehr in Freiheit. Weil er mit Wikileaks geheime Daten veröffentlicht hat, die Folter, Kriegsverbrechen, Korruption, Ausspionierung und Machtmissbrauch in allen Facetten offenbarten, galt er vielen als einer der wichtigsten Journalisten weltweit. Dann stürzte er über Vorwürfe von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch, die inzwischen fallengelassen wurden. Wie haben Sie seine Arbeit nach den ersten Veröffentlichungen wahrgenommen? Schwarzer: Ich war von Anbeginn an von Assanges Mut tief beeindruckt. Dass er es gewagt hat, die Kriegsverbrechen öffentlich zu machen, war und ist großartig und bitter nötig.
Was dachten Sie, als die Vorwürfe gegen ihn aufkamen?
Als die Vorwürfe der Vergewaltigung aufkamen, war ich sofort misstrauisch. Mein Engagement gegen sexuelle Gewalt ist bekannt, aber auch solche Vorwürfe lassen sich missbrauchen. Mir scheint es kein Zufall, dass das just in einem Moment auftauchte, in dem die USA seiner habhaft werden wollte. Und in der Tat bewegt sich das ganze Geschehen ja eher im Graubereich, wie auch die Klägerinnen selber inzwischen einräumen.
Das öffentliche Bild hat sich seitdem stark gewandelt. Plötzlich galt er als größenwahnsinniger, ungepflegter Typ, der nicht nur seine Mitarbeiter schlecht behandelt, sondern sich auch gegenüber Frauen nicht im Griff hat. Die großen Zeitungen, die die Wikileaks-Daten ausgewertet und veröffentlicht hatten, wurden erstaunlich leise. Wie haben Sie die Fokussierung auf seine vermeintlichen Schwächen erlebt? Die Stigmatisierung?
Ich halte die Image-Schädigung von Assange für keinen Zufall. So demontiert man Helden, wenn man ihnen nicht sachlich ans Zeug kann. Dann degradiert man sie moralisch.
Was würde eine Auslieferung an die USA für die Pressefreiheit bedeuten? Was bedeutet der Fall schon jetzt für die Arbeit von investigativen Journalisten?
Seine Auslieferung an die USA wäre ein Desaster für die Pressefreiheit.
Annalena Baerbock hat sich für seine Freilassung starkgemacht, bevor sie Außenministerin wurde. Jüngst sagte sie in eine Kamera, sie müsse „erst die Hintergründe des Verfahrens prüfen“. Offizielle Anfragen beantwortet das Auswärtige Amt nicht. Wie passt das zusammen? Ist es naiv, zu denken, eine Partei wie die Grünen, die Pressefreiheit und Menschenrechte besonders hochhält, könne, müsse vielleicht sogar, auch in diplomatisch brisanten Fällen bei ihrer Haltung bleiben, um glaubwürdig zu bleiben?
Eine Außenministerin hat eben andere Zwänge als eine frei flottierende Grüne. Und ja, es wäre naiv zu glauben, die Grünen würden sich als Regierungspartei solchen Zwängen nicht beugen. Dennoch würde ich mir gerade von einer rotgrüngelben Koalition mehr Mut im Fall Assange wünschen und ein klares Wort für ihn.
Welche Art von öffentlichem Druck könnte helfen?
Die Medien haben sehr von Assanges Enthüllungen profitiert und damit Auflage gemacht - jetzt sollten sie gefälligst auch zu ihm stehen! Dass sie so lange zu seiner Inhaftierung geschwiegen haben, ist ein Skandal.