Die Ampelparteien haben sich auf Maßnahmen zum Klimaschutz verständigt. Dabei drängten SPD und FDP die Grünen in die Ecke. Das Ergebnis könnte für die Ökopartei toxisch sein, kommentiert Markus Decker.
Kommentar zum Ampel-PaketDiese Koalitions-Kompromisse sind ein gefährlicher Cocktail für die Grünen
Was sich in der letzten Woche bei der Grünen-Fraktionsklausur angedeutet hatte, verdichtet sich nach dem Koalitionsausschuss in Marathonlänge zu einem Urteil: Die Ampelkoalitionäre sind fertig miteinander. Zweieinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl gehen die Überlegungen bereits weniger dahin, was SPD, Grüne und FDP noch gemeinsam machen können – sondern richten sich längst auf die Frage, was danach passiert und mit wem.
Bei der Bewältigung der durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelösten Krise haben sich alle drei Parteien bewährt. Und in der Innen- und Gesellschaftspolitik existieren genügend Schnittmengen für ein konsistentes Vorgehen. In der Klimaschutzpolitik liegen Sozialdemokraten, Grüne und Liberale jedoch weit auseinander.
Mehr noch: Kanzler Olaf Scholz und FDP-Chef Christian Lindner haben die jüngsten Beratungen genutzt, um neben dem Klimaschutz jene Partei und deren Vizekanzler Robert Habeck einen Kopf kürzer zu machen, die ihn wünschen.
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Für die Grünen unannehmbar: Verkehrsminister Wissing wird aus der Verantwortung entlassen
Wie so oft, so ist auch in diesem Kompromisspapier für jeden etwas dabei. Entsprechend freuen sich die Grünen darüber, dass 80 Prozent der zusätzlichen Lkw-Mauteinnahmen von der Straße auf die Schiene umgelenkt werden sollen. Diffus bleibt freilich, wie der soziale Ausgleich beim ab 2024 verordneten Verzicht auf Öl- und Gasheizungen gestaltet werden wird – und welche Fristen geplant sind.
Mindestens heikel ist überdies, dass die Planungsbeschleunigung den Ausbau von bis zu 1200 Autobahnkilometern umfasst. Für die Grünen unannehmbar ist schließlich die Übereinkunft, eben jenen Mann aus der Verantwortung für die Einhaltung der Klimaziele zu entlassen, den sie seit Monaten vehement zum Gegenteil auffordern: Verkehrsminister Volker Wissing.
Bei der Regierungsbildung 2021 verzichteten die Grünen auf das Ministerium. Jetzt müssen sie hinnehmen, dass der dort Verantwortliche von Scholz und Lindner goutiert ein fröhliches Eigenleben führt. Ein Tempolimit auf Autobahnen? Gibt es nicht. Eine Kappung des Dienstwagenprivilegs? Gibt es ebenfalls nicht. Was es gibt, ist ein von Wissing durchgesetztes Hintertürchen beim Aus für Autos mit Verbrennungsmotoren nach 2035. In der Summe ist das für die Ökopartei toxisch.
Der beliebteste Politiker der Republik ist aktuell ein Sozialdemokrat
Gewiss, die Grünen haben aus der Gesellschaft nicht mehr den Rückenwind, den sie im Bundestagswahljahr lange hatten. Beliebtester Politiker Deutschlands ist derzeit nicht Robert Habeck, sondern Verteidigungsminister Boris Pistorius – ein Sozialdemokrat.
Mag der Weltklimarat auch warnen, dass das Ziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, schon im kommenden Jahrzehnt Makulatur sein könnte: Die Bürger schrecken vor Klimaschutz offenbar zurück, wenn er Einschränkungen mit sich bringt. Mehr noch als um die Gewählten geht es um die Fähigkeit der Wähler zur Vernunft. Die Vernunft gebietet Entschlossenheit und Tempo zum Erhalt der eigenen Existenz.
Allerdings fehlt den Grünen zunehmend das kritische Potenzial. So starben in den letzten Monaten nacheinander Hans-Christian Ströbele, Werner Schulz und Antje Vollmer – drei einstige Abgeordnete mit Widerstandsgeist. Heute kommt der Widerstand allenfalls von der Grünen Jugend oder von Mitgliedern aus der dritten Reihe, die auf Parteitagen unentwegt unbequeme Anträge stellen und die jenseits der Parteitagshallen niemand kennt.
Auch wenn SPD und FDP effektiven Klimaschutz verhindern: Es sind vermutlich die Grünen, die den politischen Preis dafür bezahlen. Den einen wollen sie zu viel, den anderen wollen sie zu wenig. Und von beiden Gruppen dürften sie nun für schwach gehalten werden. Das ist ein gefährlicher Cocktail.