Berlin – Christian Lindner hat mit Aussagen zum 9-Euro-Ticket und zum Dienstwagenprivileg erneut für kritische Reaktionen in der Politik und für Spott und Häme auf Twitter gesorgt. Der FDP-Politiker war am Sonntag zu Gast im ARD-Sommerinterview und äußerte sich dort zu diversen Themen – und eben auch zum beliebten 9-Euro-Ticket.
„Es wurde vor der FDP-Parteizentrale demonstriert, das waren viele linke Gruppen, Antifa zum Beispiel und andere, und die setzen sich dafür ein, dass das 9-Euro-Ticket verlängert wird“, hatte Lindner erklärt. Tags zuvor hatte der Finanzminister Kritik am Dienstwagenprivileg, in dessen Beschneidung viele Kritiker eine Möglichkeit zur Weiterfinanzierung des 9-Euro-Tickets sehen, beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung bereits als „linkes Framing“ bezeichnet.
„Bemerkenswert, wie zuverlässig es Lindner schafft, die Stimmung im Land zu verkennen“
Eine Verlängerung des beliebten Tickets schloss Lindner unterdessen erneut aus – mit Verweis darauf, dass eine Fortführung nicht finanzierbar sein. „Das würde 14 Milliarden Euro kosten“, erklärte Lindner. „Geld, das uns fehlt für die Bildung. Geld, das uns fehlen würde für das Schienennetz, also die Modernisierung.“ Das Ticketangebot endet diesen Monat.
Lindners Aussagen sorgten in der Folge für scharfe Kritik. „Es ist schon bemerkenswert, wie zuverlässig es Herr Lindner immer wieder schafft, die Stimmung im Land zu verkennen“, sagt der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser gegenüber dem „Spiegel“. Umfragen würden eindeutig zeigen, „dass eine große Mehrheit der Menschen in unserem Land weitere gezielte Entlastungen wie das 9-Euro-Ticket oder einen Gaspreisdeckel für den Grundbedarf finanziert durch eine Übergewinnsteuer fordert.“
Linke hofft auf Druck von „Nicht-Porschefahrern“ in der Ampel-Koalition
Auch Linken-Chefin Janine Wissler meldete sich zu Wort: „Wir hoffen sehr, dass die Nicht-Porschefahrer in der Bundesregierung hier an dieser Stelle noch mal Druck machen.“ Eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets könnte man „natürlich finanzieren, wenn man über so etwas wie das Dienstwagenprivileg mal ernsthaft redet, über umweltschädliche Subventionen, über eine Übergewinnsteuer.“
Kritische Reaktionen für seine Aussagen erntete Lindner allerdings nicht nur in der politischen Arena, sondern auch in vielen Beiträgen in den sozialen Netzwerken. So bekam ein Tweet des Journalisten Martin Eimermacher, der einen Videoausschnitt von Lindners Aussagen zeigte, mehr als 12.000 Gefällt-mir-Angaben. Das Video wurde bis zum Montagabend zudem über 350.000 Mal abgespielt. „Man fragt sich schon, wie viel Clown-Energy wir von ihm noch ertragen müssen“, hatte Eimermacher zum Video geschrieben. Gleichzeitig avancierte #9EuroTicketBleibt am Montag zum Toptrend auf Twitter in Deutschland.
Kritik und Spott auf Twitter für Christian Lindners Interview-Aussagen
Die Kritik an Lindner bediente sich dabei sowohl sachlichen Vorwürfen als auch spöttischen Witzchen. „Christian Lindner legte gestern nah, es sei vor allem ‚die Antifa‘, die sich für das 9-Euro-Ticket einsetzt. Klar, alles klassische Linksradikale wie Olaf Scholz, Volker Wissing und 70 Prozent der Deutschen“, schrieb ein Nutzer und spielte damit auf Umfragewerte und positive Aussagen von Kanzler Olaf Scholz und Verkehrsminister Volker Wissing bezüglich des Tickets an.
„Ich bin Antifa“, erklärte unterdessen Autorin und Mobilitätsexpertin Katja Diehl. Die Kulturwissenschaftlerin Asal Dardan schug in eine ähnliche Kerbe. „Dieses Land braucht radikal mehr Antifa“, schrieb sie bei Twitter. Auch Moderatorin und Autorin Aline von Drateln kommentierte Lindners Aussagen süffisant. „Cool, ich dachte, um Antifa zu sein muss ich die ganze Zeit schwarze Klamotten tragen und doofe Musik hören, aber ich muss einfach nur das 9-Euro-Ticket super finden!“
Wie geht es weiter mit der Debatte um das 9-Euro-Ticket?
Mareile Ihde, auf Twitter als FDP-nah bekannt, nahm unterdessen Lindners Vorwurf des „linken Framings“ aufs Korn – und fragte im Kontext der Antifa-Aussagen des Finanzministers zum 9-Euro-Ticket spöttisch: „Ist das dieses Framing?“ Unter „Framing“ versteht man, dass unterschiedliche Formulierungen einer Botschaft – bei gleichem Inhalt – das Verhalten des Empfängers unterschiedlich beeinflussen können. Dementsprechend kann das „Framing“ unterschiedlich ausfallen.
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Spannend bleibt unterdessen, wie es mit einer möglichen Nachfolge-Lösung für das 9-Euro-Ticket weitergeht. Während Finanzminister Lindner strikt dagegen ist, hatten sich noch im Juli in einer Umfrage des Instituts Kantar 79 Prozent der Befragten für ein ähnliches Ticket, das vom Staat unterstützt wird, ausgesprochen.
Zudem hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch am Wochenende von dem Ticket geschwärmt. Es sei „eine der besten Ideen, die wir hatten“, sagte Scholz beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Zu einer möglichen Nachfolge für das 9-Euro-Ticket äußerte sich der Kanzler jedoch nicht.