Gewalt gegen Angestellte im öffentlichen Dienst nimmt zu. NRW-Innenminister Reul startet eine Initiative, damit sich Mitarbeitende besser selbst schützen können.
AngriffeBespuckt, bepöbelt, bedroht – Staatsbedienstete sollen Selbstschutz lernen
Marc Busche ist Professor für plastische Chirurgie am Klinikum Leverkusen. An diesem Montag ist der Chefarzt ins Düsseldorfer Innenministerium gekommen, um an einem Netzwerktreffen teilzunehmen. Busche engagiert sich bei der Initiative „#sicherimDienst“.
„Es kommt immer wieder vor, dass unsere Mitarbeiter von Patienten attackiert werden“, berichtet der Mediziner. „Ich bin selbst schon körperlich von einem Mann angegriffen worden, der angeblich zu lange auf sein Rezept gewartet hat. Die Grundgereiztheit hat extrem zugenommen.“
In NRW arbeiten rund 900.000 Menschen im öffentlichen Dienst. Zu ihrem Alltag gehört es, den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu führen. Dabei sind sie immer häufiger gefährlichen Situationen ausgesetzt. „Im vergangenen Jahr gab es mehr als 9000 Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. „Wir wollen die Mitarbeiter jetzt besser vor Angriffen schützen. Denn Null Toleranz bei Gewalt gilt auch für den öffentlichen Dienst – und ganz besonders da.“
Reul: Angriffe auf Polizei an Silvester „die Spitze des Eisbergs“
Die Angriffe auf Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht nenn der CDU-Politiker „nur die Spitze des Eisbergs“. In Jobcentern, in den Amtstuben der Kommunalverwaltungen und im Gesundheitswesen wird gespuckt, gepöbelt und gedroht. „Oft eskalieren Situationen, wenn Menschen mit einem Google-Halbwissen sich schlecht oder falsch behandelt fühlen“, berichtet Stefan Meuter vom Feuerwehrverband im Rhein-Kreis Neuss. „Wir müssen ständig diskutieren. Selbst wenn es brennt, werden Straßensperrungen nicht akzeptiert.“
Während die Polizei dafür ausgebildet ist, sich zu verteidigen, stehen Verwaltungsmitarbeiter, Sanitäterinnen oder auch Lehrer körperlichen Angriffen meist völlig unbeholfen gegenüber. Das Präventionsnetzwerk bietet jetzt Workshops an, die die Mitarbeitenden auf den Umgang mit heiklen Situationen vorbereiten soll.
„Wir zeigen den Leuten, wie sie Attacken gegen Kopf und Hals am besten abblocken können“, erklärt Volker Haupt, Anti-Gewalt-Trainer von der Polizei in Aachen. „Im Idealfall stößt man den Angreifer zurück und flieht sofort aus dem Zimmer.“
„Berufsspezifisches Interventions- und Sicherheitskonzept“, heißt der Leitfaden, den das Präventionsnetzwerk entwickelt hat. Vor einem Jahr wurde das Projekt ins Leben gerufen, mittlerweile machen mehr als 350 Behörden, Organisationen und Verbände mit.
„Die Menschen im öffentlichen Dienst stärken sich gegenseitig, tauschen sich aus, geben ihre guten Ideen weiter“, sagt Innenminister Reul. „Der öffentliche Dienst rüstet auf und macht sich wehrhafter. Gewalt gegen die Leute, die den Laden am Laufen halten, ist nicht nur in sich paradox, sondern macht mich in jeder Hinsicht fassungslos.“