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Auswertung des BKAFast täglich ein Femizid – Gewalt an Frauen nimmt zu

Lesezeit 4 Minuten
Orange besprühte Schuhpaare als Zeichen gegen Gewalt an Frauen.

Zeichen gegen Gewalt an Frauen bei den letztjährigen „Orange Days“ in der Kölner Schildergasse.

Frauenfeindliche Straftaten wurden erstmals eigens vom BKA ausgewertet. Das Ergebnis erschüttert. Kommt ein Hilfegesetz noch vor der Wahl?

Immer mehr Frauen und Mädchen in Deutschland werden laut Bundeskriminalamt (BKA) Opfer von Gewalt. Frauen würden immer häufiger zum Ziel von Straftaten, sagte BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung einer erstmals erstellten Auswertung zu Straftaten, die sich überwiegend gegen Frauen richten. So wurden 2023 rund 180.000 Mädchen und Frauen Opfer von häuslicher Gewalt, 17 Prozent mehr als 2019. Bei Sexualstraftaten betrug der Anstieg im selben Zeitraum 27 Prozent auf zuletzt rund 52.000 Opfer. Davon waren mehr als die Hälfte jünger als 18 Jahre.

Faeser: „Fast jeden Tag wird eine Frau oder ein Mädchen getötet“

Laut der Auswertung sind in fast allen betrachteten Bereichen in den vergangenen fünf Jahren deutlich mehr Fälle erfasst worden. Lediglich beim Menschenhandel seien die Opferzahlen in diesem Zeitraum auf gleichbleibendem Niveau geblieben. Tatverdächtig seien insgesamt meist Männer, hieß es. Zunehmend würden sich Straftaten auf den digitalen Raum ausweiten, erklärte Kretschmer. Auch müsse man von einem großen Dunkelfeld ausgehen. Die Statistik bezieht sich nur auf die Fälle, die Polizei oder Staatsanwaltschaft bekannt geworden sind. Für März werden Ergebnisse einer Studie zum Dunkelfeld erwartet.

„Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau oder ein Mädchen getötet“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Blick auf die erstmals umfassender erhobenen Zahlen zu Femiziden, also tödlicher Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts. 360 Frauen und Mädchen seien 2023 deswegen getötet worden. Dass Frauen Opfer würden, weil sie Frauen seien, sei unerträglich, so Faeser. „Wir müssen uns dem ganz entschieden entgegenstellen, mit allen Mitteln des Rechtsstaats, aber auch als Gesellschaft: im Netz genauso wie auf der Straße, in der Nachbarschaft, im persönlichen Umfeld, wo viele dieser Taten leider begangen werden.“

Faeser verwies darauf, dass es bereits eine versteckte App für Smartphones gebe, mit der Betroffene Beweise sichern und Hilfsangebote finden könnten. Auch richte die Bundespolizei rund um die Uhr besetzte Anlaufstellen an Bahnhöfen ein. Die Innenministerin spricht sich schon länger für elektronische Fußfesseln bei häuslicher Gewalt und für verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Männer aus. So könne man die Gewaltspirale stoppen. „Die Täter müssen sich ändern, um Gewalt gegen Frauen und Mädchen einzudämmen.“

Paus: Gewalthilfegesetz noch vor der Neuwahl beschließen

Gewalt gehöre für Frauen zum Alltag, in allen Schichten, beklagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). „Jede Gewalttat ist eine zu viel.“ Alle Frauen hätten das Recht auf ein sicheres und gewaltfreies Leben. Das sollte in Deutschland selbstverständlich sein, doch die Realität sei eine ganz andere. „Diese Realität muss uns aufrütteln.“

Nötig seien Prävention, Strafverfolgung, eine klare Ächtung von Gewalt und ein einfach zugängliches Schutz- und Hilfesystem, so Paus. Bundesweit gebe es rund 350 Frauenhäuser, 100 Schutzwohnungen und mehr als 600 Beratungsstellen. Das Angebot reiche jedoch vielerorts nicht aus. Deswegen wolle sie kommende Woche ein Gewalthilfegesetz ins Kabinett einbringen. Es sieht unter anderem vor, dass der Bund sich ab 2027 an der Finanzierung von Frauenhäusern beteiligt. Außerdem soll es einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung geben.

Die Ministerinnen Lisa Paus (l.) und Nancy Faeser in der Bundespressekonferenz.

Die Ministerinnen Lisa Paus (l.) und Nancy Faeser bei der Vorstellung des BKA-Berichts in Berlin.

Paus zeigte sich zuversichtlich, dass das Gesetz noch vor der geplanten Neuwahl des Bundestags im Februar beschlossen werden könne. Die Länder wollten es schon lange und auch der Union sei das Thema wichtig. Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU), äußerte sich jedoch skeptisch, ob der Zeitraum für das Anliegen noch ausreiche. Man könne das Konzept gerne nach der Wahl beschließen, sagte sie dem „Spiegel“.

Unterdessen fordert ein Bündnis von 22 Prominenten eine Zusammenarbeit der Fraktionen: In einem Video rufen unter anderem die TV-Stars Eva Mattes, Ursula Karven und Uwe Ochsenknecht dazu auf, das Gewalthilfegesetz jetzt zu beschließen.

Auch Caritas und der Sozialdienst katholischer Frauen sprachen sich für ein schnelles Handeln aus. Die Absicherung von Frauenhäusern sei unerlässlich, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Die Opfer brauchen Schutz - die oft ungeheuerlichen Taten müssen gesühnt werden.“ Die Vorständin des Sozialdienstes forderte, die Umsetzung eines Gewalthilfegesetzes auf die Prioritätenliste zu setzen. Dieses sei „ein notwendiger Schritt, um Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen und ihnen eine Perspektive zu geben“. (kna)