AboAbonnieren

Umstrittene Linken-PolitikerinDas sind Sahra Wagenknechts Mitstreiterinnen und Mitstreiter

Lesezeit 5 Minuten
Sahra Wagenknecht (Die Linke) bei ihrem Auftritt im Steintor Variete Halle.

Sahra Wagenknecht (Die Linke) bei einem Auftritt im Steintor Variete Halle.

Wer wechselt aus der Linken in das neue Wagenknecht-Bündnis? Welche Folgen hat das für die Abgeordneten im Bundestag?

Der Countdown läuft. Vor Montag, 10 Uhr, wird sich keiner von Sahra Wagenknechts möglichen Mitstreiterinnen und Mitstreitern öffentlich über eine Zukunft in der neuen politischen Gruppierung BSW äußern. Dann tritt die Immer-noch-Linken­politikerin in Berlin vor die Bundes­presse­konferenz. Auch wenn das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nach ihrer Frontfrau benannt ist, braucht die 54-Jährige ein politisches Team. „Es dauerte so lange, weil man eine Partei nicht alleine gründen kann“, sagte Wagenknecht am Donnerstag­abend bei einer Lesung in Halle (Saale). „Man darf ja so was nicht leichtfertig auf den Weg bringen. Wenn, muss es so gut sein, dass es ein Erfolg werden kann. Und das hoffe ich jetzt.“

Zwei weitere Bundestags­abgeordnete werden am Montag neben Wagenknecht auf dem Podium sitzen: Nochfraktionschefin Amira Mohamed Ali und Christian Leye. Dass sie mit Wagenknecht wechseln, war schon lange vermutet worden. Mohamed Ali hatte im August angekündigt, nicht mehr erneut für den Fraktions­vorsitz zu kandidieren. Sie stellte sich damit hinter Wagenknecht. Einen Beschluss des Partei­vorstandes, der Wagenknecht zum Niederlegen ihres Mandats aufforderte, kritisierte Mohamed Ali als „den Wunsch, einen Teil der Mitgliedschaft aus der Partei zu drängen“.

Petra Pau darf Bundestagsvizepräsidentin bleiben

Einen neuen Fraktions­vorstand wird die Linke nicht mehr benötigen – nach dem vermuteten Abgang oder Ausschluss Wagenknechts und ihrer Mitstreiter werden sich zwei parlamentarische Gruppen bilden, da keines der beiden Lager die Mindestzahl von Abgeordneten für eine Fraktion zusammen­bekommen wird.

Bundestags­vizepräsidentin Petra Pau wird ihr Amt aber weiter ausüben dürfen, auch wenn nur Fraktionen das Vorschlagsrecht für einen Platz im Präsidium haben. Pau wurde auf Vorschlag der Linksfraktion für die gesamte Legislatur­periode gewählt.

Der andere Nochfraktionschef Dietmar Bartsch nannte Wagenknechts Pläne „falsch und verantwortungslos, weil am Ende des Tages werden insbesondere konservative und rechte Kräfte klatschen“. An der Spaltung sei aber nicht nur Wagenknecht schuld: „Das ist, wie wenn eine Ehe scheitert“, sagte er. Es trage nie nur eine Seite die Verantwortung.

Linken-Parteivize Lorenz Gösta Beutin macht Sahra Wagenknecht vor ihrem angekündigten Abgang schwere Vorwürfe. „Sahra Wagenknechts Plan ist, die Partei möglichst lange zu schädigen und dabei möglichst viele Ressourcen mitzunehmen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es ist vollkommen verantwortungslos, in der jetzigen Situation eines politischen Rechtsrucks und einer unsolidarischen Ampel-Politik, ausgerechnet gegen Die Linke zu arbeiten.“

Kritik aus dem Parteivorstand: Wagenknecht betreibt ein „Querfrontprojekt“

Ihr politisches Projekt spiele „ganz klar mit rassistischen Ressentiments“, sagte Beutin dem RND. „Was sie sagt, ist migranten- und queerfeindlich und gegen die Klimabewegung gerichtet. Sie verbreitet sogar fake news, um Klimaschutz madig zu machen. Mit dieser inhaltlichen Ausrichtung und dem erklärten Plan, AfD-Klientel zu gewinnen, lässt sich das, was sie anschiebt, durchaus als Querfrontprojekt bezeichnen.“

Für die Linkspartei sieht Beutin dennoch Hoffnung: „Sahra Wagenknecht und ihre Unterstützer haben sich verrechnet“, sagte er dem RND. „Auch diejenigen, die Kritik am aktuellen Kurs vorbringen, sind nicht bereit, diese Partei aufzugeben. Sie werden kämpfen, für die Linke und auch gegen die, die ihre Partei zerstören wollen. Ich persönlich bin da optimistisch, denn wenn der tatsächliche Kurs der Partei auch von außen endlich klarer erkennbar wird, werden wir auch wieder mehr Menschen überzeugen können. Es wäre doch schön, wenn wieder positive Nachrichten aus der Partei das Bild bestimmen.“

Amira Mohamed Ali, Co-Vorsitzender der Bundestagsfraktion von Die Linke, spricht im Plenum des Deutschen Bundestages.

Amira Mohamed Ali, Co-Vorsitzender der Bundestagsfraktion von Die Linke, spricht im Plenum des Deutschen Bundestages.

Neben Mohamed Ali und Leye werden mit ziemlicher Sicherheit weitere Abgeordnete wechseln. Der prominenteste unter ihnen dürfte Klaus Ernst sein. Der 68-jährige frühere Gewerkschafts­funktionär, WASG-Mitgründer und Ex-Linken-Parteichef hatte dem „Cicero“ gesagt: „Eine Wagenknecht-Partei ist eine Partei der Zukunft, weil die Leute danach schreien.“

Zu den engen Wagenknecht-Vertrauten aus der Bundestags­fraktion gehören zudem Sevim Dağdelen aus Bochum und Żaklin Nastić aus Hamburg. Nastić teilte dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) auf Anfrage mit, sie werde ab Montag, dem Tag der Wagenknecht-Presse­konferenz, wieder mit den Medien reden. Auch Alexander Ulrich aus Rheinland-Pfalz, ein weiterer sicherer Wechselkandidat, verweist auf den Montag, ebenso seine Abgeordneten­kollegin Jessica Tatti aus Baden-Württemberg und Andrej Hunko aus Aachen.

Überläufer zur SPD

Hunko sagte der „taz“, er bekäme „viele Rückmeldungen von nicht mehr aktiven oder ehemaligen Parteimitgliedern“, die ihm sagten: „Wenn es etwas Neues gibt, bin ich dabei.“

Der Ostbeauftragte der Linksfraktion Sören Pellmann hingegen hat einen Wechsel erneut ausgeschlossen. Der „Leipziger Volkszeitung“ sagte er: „Ich habe für mich entschieden, einem Parteiprojekt von Sahra Wagenknecht, sollte es denn ein solches geben, weder anzugehören noch es zu befördern.“ In Sachsen, wo im September 2024 ein neuer Landtag gewählt wird, zieht die Ex-Bundestags­abgeordnete Sabine Zimmermann die Fäden für einen Landes­verband der neuen Kraft. Bereits im Juni sagte sie der „Freien Presse“: „Wir müssen schnell handeln können, sobald die Entscheidung steht.“

Bereits in der vergangenen Woche trat Thomas Lutze aus dem Saarland aus Linkspartei und ‑fraktion aus und wechselte – zur SPD. Lutze rechnet damit, dass ihm weitere Abgeordnete folgen werden. „Wenn die Fraktion auseinander­bricht, dann werden weitere Abgeordnete der Linken zu den Grünen oder zur SPD gehen“, sagte er dem RND. „Sechs bis zehn würde ich einen Wechsel zur SPD zutrauen.“

Kalkül der SPD

Der SPD-Landes­verband des Saarlandes, wo Lutze seinen Wohnsitz hat und politisch aktiv ist, lehnte die Aufnahme des 54-Jährigen, ab. Der Berliner SPD-Landes­verband war dazu jedoch bereit. Dabei schaltete sich Lutze zufolge auch der aus Berlin stammende SPD-General­sekretär Kevin Kühnert ein. Dies geschah nach RND-Informationen aus dem Kalkül, weitere Linken-Abgeordnete zum Übertritt einzuladen.

Im Saarland empfing Wagenknecht vor Kurzem auch „Emma“-Chefredakteurin Alice Schwarzer zum Interview für eine achtseitige Titelgeschichte des feministischen Magazins. Schwarzer und Wagenknecht standen im Februar zusammen in Berlin auf der Bühne ihrer Friedens­demo – sie schätzen und duzen sich. Dass Schwarzer an Wagenknechts Seite in die Parteipolitik wechselt, gilt jedoch als unwahrscheinlich.

In dem Interview sprechen die beiden über die Begrenzung der Migration (Wagenknecht: „Es war eine Riesen­dummheit, das über Jahre der AfD zu überlassen“), über Feminismus (den Wagenknecht vor allem ökonomisch definiert) – und über Wagenknechts charakteristische Hochsteckfrisur. 15 Minuten brauche sie jeden Morgen dafür, sagt Wagenknecht – die Nadeln über Nacht drin zu lassen, ginge nicht. „Die piken, und es sieht am nächsten Tag auch struppig aus.“

Das Interview endet mit Schwarzers Hinweis: „Sahra, Oskar entkorkt gerade den Sancerre.“