Werden die neuen Freiheiten jetzt ausgereizt, hat die Union leichtes Spiel, die Uhren wieder zurückzudrehen. Ein Kommentar.
Cannabis-LegalisierungDie Konsumenten müssen jetzt vor allem rücksichtsvoll sein
Es ist eine Zeitenwende der anderen Art: Erstmals wird in einem großen europäischen Industrieland Cannabis legalisiert. Zwar gibt es nach wie vor gewisse Besitzgrenzen. Doch diese sind so hoch, dass sie für normale Konsumenten praktisch ohne Belang sind. Der oft verwendete Begriff einer Teillegalisierung trifft es damit nicht. Die jahrzehntelang praktizierte Verbotspolitik, die Konsumenten kriminalisiert und der Justiz mit Hunderttausenden Fällen belastet hat, ist Vergangenheit.
Mit der Gesetzesänderung ist es aber nicht getan. Damit die Ziele einer Legalisierung, also das Austrocknen des Schwarzmarktes und ein besserer Schutz für Kinder und Jugendliche, tatsächlich auch erreicht werden, müssen mindestens drei Bedingungen erfüllt werden. Erstens muss jetzt schnell der kommerzielle Handel mit Cannabis erlaubt werden, in einem ersten Schritt wie geplant über EU-konforme Modellprojekte.
Eigenanbau und Cannabis-Clubs mögen zwar für Menschen passen, die regelmäßig kiffen. Doch auch für den gelegentlichen Joint muss es möglichst unkompliziert sein, an Cannabis zu kommen. Ansonsten tritt genau das ein, was Kritiker nicht ganz zu Unrecht vorbringen: Die Freigabe wird zum Booster für den Schwarzmarkt.
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Zweitens muss der Vorschlag der Experten-Arbeitsgruppe für eine Verdreifachung des erlaubten THC-Grenzwertes im Straßenverkehr tatsächlich vom Bundestag beschlossen werden. Bliebe es beim alten Wert, würde die Legalisierung durch die Hintertür wieder ausgehebelt. Und drittens ist in der gesamten Bevölkerung ein Umdenken erforderlich, damit die bereits bestehende starke Polarisierung in der Gesellschaft nicht noch weiter verstärkt wird. Nötig ist mehr Toleranz aufseiten derjenigen, die die Legalisierung weiterhin für falsch halten.
Gefordert sind aber insbesondere die Konsumenten: Rücksichtnahme ist das Gebot der Stunde. Wer die neuen Freiheiten bis zum Äußersten ausreizt und kompromisslos auf seine Kifferrechte pocht, muss sich nicht wundern, wenn eine unionsgeführte Bundesregierung mit Zustimmung einer Bevölkerungsmehrheit irgendwann die Uhren tatsächlich wieder zurückdreht.