CDU-ParteitagMerz und Ziemiak üben den Aufstand gegen Kramp-Karrenbauer
Berlin – Wenn Annegret Kramp-Karrenbauer an diesem Freitag gegen 12.00 Uhr in Leipzig aufs Parteitagspodium tritt, muss sie kämpfen wie noch nie. Es wird die wohl wichtigste Rede sein, seit AKK vor knapp einem Jahr in Hamburg Nachfolgerin von Angela Merkel als CDU-Chefin wurde.
Merz befeuert Führungsdebatte um AKK
Denn unter den 1001 Delegierten sitzen viele, die angesichts von Fehlern, miesen Beliebtheitswerten und mauen CDU-Umfragezahlen Zweifel haben, ob die Saarländerin kann, was sie will: Kanzlerin. Doch traut sich die für ihre Geschlossenheit bekannte CDU tatsächlich die Revolte zu? Planen die „Friends of Friedrich“ Merz die Meuterei? Und vor allem: Was will der Ex-Unionsfraktionschef selbst?
In den vergangenen Wochen hat Merz einiges dafür getan, die Führungsdebatte in der CDU zu befeuern - und sich dann wieder bemüht, Putschgerüchte zu zerstreuen. Nach dem historisch schlechten CDU-Ergebnis bei der Landtagswahl in Thüringen Ende Oktober fährt Merz einen Generalangriff auf seine Lieblingsgegnerin Angela Merkel, gibt nebenbei auch AKK einen mit. Wie ein Nebelteppich liege die Untätigkeit der Kanzlerin seit Jahren über dem Land.
Alles zum Thema Angela Merkel
- Zehn-Jahr-Feier in Siegburg Erzbistum investiert 63,8 Millionen Euro in die Integration
- Hitze und Fluten Der Klimawandel lässt sich bestenfalls bremsen – Vorbeugung ist alternativlos
- Scholz und Co. Rhetorisch werden in Deutschland kleine Brötchen gebacken
- „Übergangkoalition nach der Ära Merkel“ Warum ein Ampel-Aus gut, aber gefährlich wäre
- Rechtsextremismus Was in Großbritannien geschieht, könnte auch bei uns passieren
- Fragen und Antworten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrecht: Was es bedeutet
- Altkanzlerin wird 70 Die 11 skurrilsten Frisuren von Angela Merkel
Kandidatenfrage für Kanzleramt stellt sich erst 2021
Das gesamte Erscheinungsbild der Bundesregierung sei „grottenschlecht“. Selbst im Kreis seiner Unterstützer geht die Attacke manchen zu weit. Da habe wohl einer seine alten Verletzungen nicht verwunden, heißt es. Anfang November sagt Merz nach einer Umfrage, die ihm beste Chancen im Falle einer Kanzlerkandidatur bescheinigt, zwar stehe die Frage nicht an, er fühle sich aber durch die Zahlen „ermutigt“.
Vor ein paar Tagen sichert der 64-Jährige dann Kramp-Karrenbauer demonstrativ Unterstützung zu - ausgerechnet bei seinen Fans von der Jungen Union, die ihn immer wieder wie einen Heilsbringer feiern. In Leipzig stünden keine Personaldebatten an, die Kandidatenfrage für die Bundestagswahl 2021 müsse im kommenden Jahr geklärt werden, nicht jetzt.
Rede von AKK bei Parteitagspodium muss überzeugen
Und wenn er sich mal kritisch äußere, sei das doch kein Putschversuch. Freunde und Unterstützer sind konsterniert: Merz wolle AKK gar nicht stürzen, fragt man sich dort fast enttäuscht. Zaudert der Sauerländer wieder? Er sei kein Revolutionär, sagen andere, die ihn schon lange kennen.
Doch Kramp-Karrenbauer wird sich nicht täuschen lassen. Ihr dürfte nicht entgangen sein, dass sich das Murren in den Reihen von JU und Unions-Mittelstand nicht gelegt hat. Sie wisse, dass sie am Freitag eine Rede halten müsse, die mindestens so gut wie in Hamburg vor einem Jahr sei - eher noch viel besser, heißt es bei Gutmeinenden.
Merz wird sich in Aussprache zu Wort melden - Reaktionen ungewiss
In der Aussprache wird sich Merz zu Wort melden. Doch selbst, wenn er lediglich den Zustand der Koalition geißelt, mehr Führung verlangt und leidenschaftlich für eine neue Wirtschaftspolitik wirbt - offen ist, wie die Delegierten auf seine Worte reagieren. Man wird genau darauf achten, wer den lauteren und den längeren Applaus erhält. Die einen in der Partei erhoffen eine Art inoffizielle „Krönungsmesse“, die anderen sind sicher: Die wird es nicht geben.
Steht am Ende vielleicht sogar ein Delegierter auf und fordert, die Kanzlerkandidatur sofort zu entscheiden? Abgesehen davon, dass sie in der Parteispitze davon ausgehen, dass solch ein Überraschungsvorstoß vom CDU-Statut nicht gedeckt ist - Stichwort: Überrumpelungsverbot. Ob Merz das überhaupt gelegen käme? Auch er dürfte wissen, dass kein Kandidat die lange Strecke bis zur Wahl 2021 unbeschadet überstehen kann.
Ziemiak könnte für Unmut gegen Vorsitzende sorgen
Selbst wenn der Showdown ausbleibt: In der Antragsberatung am Freitagabend und Samstag werden die Delegierten genügend Gelegenheit haben, ihrem Unmut über die Vorsitzende, deren Generalsekretär Paul Ziemiak oder die Merkel-Regierung Luft zu machen.
So plädiert die von Ziemiak geführte Antragskommission dafür, einen JU-Antrag auf Urwahl zur Kanzlerkandidatur, der einem Misstrauensvotum gegen Kramp-Karrenbauer gleich käme, zusammen mit anderen ähnlichen Anträgen abzulehnen. Lediglich ein Antrag des Kreisverbands Ravensburg für mehr Mitgliederbeteiligung soll in eine Kommission der Partei überwiesen werden
Er sieht eine stärkere Mitgliedereinbindung bei zentralen Personalentscheidungen analog zu den Regionalkonferenzen bei der Vorsitzendenwahl 2018 vor. Gut möglich, dass die Delegierten sich nicht damit zufrieden geben, das auf die lange Bank zu schieben.
Wirtschaftsflügel und JU unzufrieden mit Grundrentre
Auch andere Themen könnten zum Ventil für den Unmut der Delegierten werden. So gibt es im Wirtschaftsflügel und bei der JU nach wie vor große Unzufriedenheit mit dem Koalitionskompromiss zur Grundrente. Offen ist auch, ob umstrittene Forderungen wie die der Frauen Union (FU) nach einem Reißverschlussverfahren für mehr weibliche Amts- und Mandatsträger tatsächlich wie geplant ebenfalls in eine Partei-Kommission verschoben werden.
Bei der Frage, ob der chinesische Telekomausrüster Huawei wie von Merkel gewollt nicht von vorneherein vom Ausbau des schnellen 5G-Netzes ausgeschlossen wird, gibt es in Parteikreisen die Sorge, die Delegierten könnten sich gegen diesen Kurs aussprechen.
CDU könnte die Fehler der SPD nachmachen
Selbst wenn in Leipzig die Revolte gegen Kramp-Karrenbauer ausbleibt - entschieden ist der Macht- und Richtungskampf in der CDU noch lange nicht. Höchstens aufgeschoben. Denn allen in der Partei ist klar: Sollte die SPD im Dezember oder später aus der Koalition aussteigen, wird die Debatte über die Kanzlerkandidatur mit voller Wucht erneut ausbrechen.
Bleiben die Sozialdemokraten an Bord, fürchten etliche in der Parteispitze, dass die CDU deren Fehler nachmacht - und sich bis zur Entscheidung über die Kanzlerkandidatur beim nächsten Parteitag Ende 2020 ebenfalls zerlegt.