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Chefarzt nach zweiter Heirat gekündigtKatholische Kirche hat rechtswidrig gehandelt

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Die Kirchen sind der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland.

Luxemburg/Köln – Ein Arzt soll sich um seine Patienten und die Medizin kümmern. Das tut der leitende Internist des katholischen Vinzenz-Krankenhauses in Düsseldorf seit vielen Jahren. Doch als der 2008 geschiedene Katholik seine neue Partnerin heiratet, mit der er seit 2006 zusammenlebt, setzt ihn die Kirche vor die Tür: Verletzung der Loyalitätspflicht, Verstoß gegen die Unauflöslichkeit der Ehe.

Der Chefarzt geht vor Gericht und bekommt in allen Instanzen Recht. „Es passt nicht, dass zwei Chefärzte mit gleichen Verträgen und Pflichten das Gleiche tun, nämlich ein zweites Mal heiraten, und der eine verliert seinen Job, weil er katholisch ist, der andere darf bleiben, weil er evangelisch ist“, erklärt der Bochumer Anwalt Norbert H. Müller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im Jahr 2011 entscheidet das Bundesarbeitsgericht, dass die Entlassung rechtswidrig war. Das Verbot der Zweitheirat sei der Kirche offenbar nicht sehr wichtig. Von evangelischen oder konfessionslosen Chefärzten werde die Beachtung dieser Pflicht nämlich nicht verlangt.

Beschwerde des Erzbistums

Doch das unterlegene Erzbistum Köln gibt nicht auf. Gegen den Rat kundiger Juristen und Rechtspolitiker erhebt es Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat stets das im Grundgesetz verbriefte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen hochgehalten und steht zu dieser Linie. Es gibt den Fall 2014 zurück an das Bundesarbeitsgericht.

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Nun jedoch passiert, was die Skeptiker dem damaligen Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp als Quelle einer – aus kirchlicher Sicht drohenden – Gefahr zu vermitteln versucht haben: Die Erfurter Richter bitten den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung, wie sich deutsches Recht und europäische Normen zueinander verhalten, in diesem Fall insbesondere die Anti-Diskriminierungsbestimmungen der EU, die eine Ungleichbehandlung unter anderem aufgrund der Religions- oder Konfessionszugehörigkeit verbieten. Kenner des EuGH und seiner Rechtsprechung rechnen damit, dass die Kirche mit ihrem Pochen auf dem Selbstbestimmungsrecht schlechte Karten hat.

Kein Einfluss auf Qualifikation im Job

Was sich im Frühjahr bereits nach dem Votum des Generalanwalts beim EuGH abgezeichnet hat, dem die Luxemburger Richter in ihrem Urteil in aller Regel folgen, ist nun eingetreten: Die Kündigung des Chefarztes könne eine „verbotene Diskriminierung“ darstellen, haben die Richter an diesem Dienstag geurteilt. Die Anforderung, dass ein katholischer Chefarzt den „heiligen und unauflöslichen Charakter“ der Ehe nach kirchlichem Verständnis beachtet, erscheine nicht als „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“.

Im Klartext: Was der Arzt über das katholische Eheverständnis denkt und in welcher Form von Beziehung er lebt, das hat zunächst nichts mit der Qualifikation für seinen Job zu tun. Die Kirche darf von ihren Mitarbeitern zwar besondere Loyalitäten erwarten. Allerdings gelte das nur, wenn es im konkreten Fall „notwendig“ ist. Ob diese Bedingung im Fall des Düsseldorfer Chefarztes erfüllt ist, muss jetzt erneut das Bundesarbeitsgericht entscheiden.

Für den Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing, der die Kirche sowohl vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe als auch beim EuGH vertreten hat, ist dieses Urteil – natürlich – „nicht das, was die Kirche sich gewünscht hat“. Immerhin sei klar, dass die Kompetenz bei den nationalen Gerichten bleibt. „Das sakramentale Verständnis einer katholischen Ehe ist einem weltlichen Gericht natürlich schwer zu vermitteln“, sagt Thüsing. „Es wird nun um die Frage gehen, ob und inwieweit man unterschiedliche Loyalitätspflichten für Katholiken, Protestanten oder Konfessionslose formulieren kann.“

Grundsatzentscheidung

Der EuGH gibt den deutschen Richtern für ihr weiteres Vorgehen schon einige „Hinweise“: So erscheine die Akzeptanz des katholischen Eheverständnisses nicht notwendig, um glaubwürdig Chefarzt für Innere Medizin einer katholischen Klinik sein zu können. Diese Überlegung werde dadurch „bekräftigt“, dass die Klinik auch evangelische und konfessionslose Chefärzte einstelle, für die diese Loyalitätsanforderung nicht gelte.

Das Urteil aus Luxemburg wird nicht nur Folgen für den betroffenen Arzt haben, sondern den Charakter einer Grundsatzentscheidung annehmen. Da sind sich Experten sicher. „Nichts wird bleiben, wie es ist“, sagt ein führender Arbeitsrechtler. Das ist auch deshalb von so großer Bedeutung, weil die Kirchen nach dem öffentlichen Dienst die größten Arbeitgeber in Deutschland sind. Zusammen beschäftigen sie und ihre Sozialverbände etwa 1,5 Millionen Menschen – in der Seelsorge sowie in Kliniken, Kitas und anderen Sozialeinrichtungen. Das Erzbistum Köln gibt die Zahl seiner Beschäftigten mit 60000 an. Wegen der Vielfalt der Anstellungsträger (Pfarreien, Verbände, Orden, Caritas) dürfte die Gesamtzahl noch höher sein. Die Evangelische Kirche im Rheinland wiederum hat 1900 Mitarbeiter im Pfarrdienst, 19500 im sonstigen kirchlichen Dienst sowie 70000 in diakonischen Einrichtungen.

Für den Düsseldorfer Chefarzt ist jetzt, sagt sein Anwalt, „ein ganz wichtiger, höchst erfreulicher Zwischenschritt“ erreicht. „Meinem Mandanten ist nicht daran gelegen, Öl ins Feuer zu gießen. Natürlich ist er durch das Urteil erleichtert. Die lange Verfahrensdauer über die verschiedenen Instanzen war eine erhebliche Belastung.“ Nun hoffe er, dass die Position des EuGH vor dem Bundesarbeitsgericht Bestand hat.

Fortsetzung möglich

Es sieht alles danach aus. Und dennoch könnte diese unendliche Geschichte eine Fortsetzung bekommen: Die beiden höchsten Gerichte in Deutschland und Europa, das Bundesverfassungsgericht und der EuGH, liegen nämlich im Clinch. Die katholische Kirche könnte sie in ein erneutes Fernduell verwickeln, wenn sie ein zweites Mal nach Karlsruhe zieht. Thüsing hält das, ohne einer kirchlichen Entscheidung vorgreifen zu wollen, durchaus für möglich. „Ein deutlicherer Konflikt zwischen europäischem Recht und deutschem Verfassungsrecht als hier ist kaum denkbar. Die Grenzen der europäischen Rechtsprechung sowie die Reichweite einer nationalen Identität in grundlegenden Rechtsfragen sind noch sehr undeutlich abgesteckt und ausgelotet.“ Wie dieser Widerspruch aufzulösen ist, gehört „in die Rätselecken des Verfassungsrechts“.

Vielleicht aber verzichtet die Kirche darauf, den Konflikt bis zum Äußersten zu treiben. Den Fall des Düsseldorfer Chefarztes gäbe es heute nicht mehr, betont Thüsing. Auf Basis der geänderten „Grundordnung“ für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse von 2015 komme es heute nur mehr darauf an, ob die Wiederheirat nach einer Scheidung geeignet ist, ein „erhebliches Ärgernis“ zu erzeugen. Wer sich nicht exponiert, sollte also nichts mehr zu befürchten haben.