Köln – Impfwillige können sich künftig ohne Rücksicht auf die gültige Vorrangliste gegen Corona impfen lassen – wenn sie sich mit ihrem Arzt für den Impfstoff von Astrazeneca entscheiden. Das haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beschlossen, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag in Berlin mitteilte.
Demnach wird die Priorisierung bei diesem Impfstoff vollständig aufgehoben. Ärztinnen und Ärzte in Praxen könnten nun entscheiden, wer wann mit dem Impfen an die Reihe komme und ob das Präparat von Astrazeneca das passende sei, so Spahn.
Derzeit sind 7,1 Millionen oder 8,6 Prozent der Bundesbürger voll geimpft. Fast jeder Dritte hat mindestens eine Spritze bekommen. Bis Ende August sollen auch alle Zwölf - bis 18-Jährigen ein Impfangebot erhalten. Voraussetzung ist, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer wie erwartet im Juni ab zwölf Jahren zugelassen wird. Heute ist er erst ab 16 zugelassen.
Der Wegfall der Priorisierung bei Astrazeneca geht auf einen Vorschlag Spahns zurück. Der Bund beruft sich dabei auf einen Passus der Impfverordnung. Demnach kann von der Reihenfolge etwa nach Alter, Vorerkrankungen und Berufsgruppen abgewichen werden, wenn dies für eine effiziente Organisation oder eine zeitnahe Verwendung vorhandener Impfstoffe notwendig ist.
Astrazeneca laut Zastrow wirksamer als viele Grippe-Impfstoffe
Jürgen Zastrow, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln, wirbt für das Präparat des britisch-schwedischen Herstellers: „Nach Angaben der beteiligten Wissenschaftler schützt der Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 79 Prozent vor einer Infektion.“ Noch wichtiger aber sei, dass er „zu 100 Prozent vor schweren Krankheitsverläufen“ schütze. Zastrow verwies darauf, dass viele Grippe-Impfstoffe in den vergangenen Jahren bei Älteren eine Wirksamkeit von gerade einmal 50 Prozent hatten. „Sie retten trotzdem jährlich Hunderttausende.“
Fälle von Blutgerinseln im Gehirn nach Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff hatten zwischenzeitlich dafür gesorgt, dass das Mittel nicht mehr eingesetzt wurde.
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Jörg Timm, der Leiter der Virologie des Universitätsklinikum Düsseldorf. „Ich denke, das ist nicht gerechtfertigt. Astrazeneca hat in allen großen Studien bewiesen, dass der Schutz sehr gut ist. Bei den Impfkomplikationen, die beschrieben wurden, hat man einen ganz guten Überblick, wen das betrifft“, so der Virologe. Die individuelle Risikobewertung sei für jeden zumutbar. Idealerweise sollten Impfpatienten sich mit ihrem Hausarzt besprechen.
Abstand zur Astra-Zweitimpfung soll deutlich verkürzt werden
Laut Robert Koch-Institut wurden inzwischen rund 6,3 Millionen Astrazeneca-Dosen geimpft. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums wurden 9,3 Millionen Astrazeneca-Dosen an Länder und Großhändler ausgeliefert. Der britisch-schwedische Hersteller war immer wieder in den Schlagzeilen – obwohl Experten dessen Impfstoff Vaxzevria für gleichermaßen geeignet halten wie die Vakzine anderer Hersteller.
Künftig soll es dem Arzt in Absprache mit dem Impfling laut Bund-Länder-Beschluss auch freigestellt werden, den Abstand für eine Astrazeneca-Zweitimpfung zwischen vier und zwölf Wochen festzulegen. „Die Zweitimpfung haben jetzt viele lieber früher, auch mit Blick auf den Sommer – das geht mit Astrazeneca auch innerhalb der Zulassung“, hatte Spahn im WDR gesagt. Astrazeneca-Geimpfte müssten dann weniger lang warten bis zum Wegfall von Corona-Einschränkungen. Allerdings hätten sie im Fall einer früheren zweiten Spritze den Nachteil einer womöglich geringeren Wirksamkeit: Die Impfkommission empfiehlt für das Präparat einen Abstand von zwölf Wochen zwischen den Dosen. Hintergrund sind Beobachtungen, dass der längere Abstand zu einer besseren Wirksamkeit führt. (dpa, lh, ksta)