Hauptsache, Heiligabend ist gesichert! Mit dieser Parole warb die Politik seit Oktober für verschärfte Corona-Regeln. Das hatte von Anfang an etwas Unernsthaftes, Spielerisches. Als ob es je in erster Linie darum gegangen wäre, dass Großeltern an Weihnachten ihre Enkelkinder sehen dürfen, und umgekehrt. Für die gesellschaftliche Stimmungslage mag der Ausblick auf die emotional so stark besetzten Tage vom 24. bis 26. Dezember durchaus eine Rolle gespielt haben. Aber gemessen an den Katastrophenszenarien, die von Woche zu Woche bedrängender werden, ist Weihnachten nun wirklich unser geringstes Problem.
Die Kanzlerin ist seit Wochen als Kassandra der Nation herumgezogen und hat zuletzt fast flehentlich darum gebeten, endlich vom Wird-schon-alles-gutgehen-Modus auf ein radikales Herunterfahren umzuschalten. Dazu gehörte auch Angela Merkels Appell, ein paar Tage Präsenz-Unterricht in den Schulen weniger doch einmal ins Verhältnis zu setzen zur Bewältigung einer Jahrhundert-Gefährdung für unzählige Menschen. Das wurde von den Ländern als Einmischung gewertet. Was für ein quälendes Klein-Klein!
Statt mit strengeren Auflagen endlich wieder vor das Pandemie-Geschehen zu kommen, haben die Verantwortlichen in den Ländern – Bayern ausgenommen – viel zu lange Last-Minute-Politik betrieben. Die Erwartung eines baldigen Verebbens der zweiten Corona-Welle hat sich als die „größte politische Fehleinschätzung des Jahres“ (Spiegel) erwiesen.
Harter Lockdown ist unausweichlich
Dass der harte Lockdown unausweichlich ist, sollte niemand bestreiten, der die täglichen Meldungen über Neuinfektionen, Covid-19-Tote und die Belastung der Intensivmedizin hört. Insofern sind die Beschlüsse vom Sonntag richtig. Sie stoßen bei den meisten Menschen ja auch auf Verständnis. Davon lenken nur die Anti-Corona-Schreihälse ab, denen die Verniedlichung der Pandemie und ihre dummen Sprüche von einer Corona-Diktatur nun endlich im Hals stecken bleiben sollten.
Trotzdem musste allen Ministerpräsidentinnen und -präsidenten längst klar gewesen sein, dass die Zehn-Personen-Regel für die Weihnachtsfeiertage nicht zu halten sein würde und auch, dass die weitgehend ungehinderte Mobilität die Lage weiter verschlimmern würde. Vollends grotesk wirkt es, dass der Verkauf von Silvesterfeuerwerk erst jetzt verboten wurde.
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Solch eine Hopplahopp-Politik ist das Gegenteil von Verlässlichkeit. Sie gefährdet den Erfolg der Pandemiebekämpfung. Denn anders als bei der ersten Corona-Welle im Frühjahr agieren die meisten Menschen inzwischen nicht mehr in vorauseilendem Gehorsam. Die Lehre lautet: Vorausschauend handeln. Das gilt für die Politik – und für uns alle. Und um noch einmal auf Weihnachten zurückzukommen: Es liegt auch an uns, dass 2020, wie die Kanzlerin es mit für sie ungewöhnlicher Dramatik formuliert hat – „für Oma und Opa nicht das letzte Weihnachten“ wird.