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EuropawahlDas bedeutet der Ausgang der Wahl für die Bundespolitik

Lesezeit 4 Minuten
Brandenburg, Frankfurt (Oder): Eine Person steckt ihren Stimmzettel in eine Wahlurne mit der Aufschrift „Urne EU-Wahl“.

Für die einen bitter, für andere unerwartete Erfolge: Die Europawahl wird von den Parteien in Deutschland unetrschiedlich aufgenommen,

Für die SPD ist die Wahl eine harte Niederlage. Die in Teilen rechtsextreme AfD konnte deutlich zulegen.

Der SPD-Chef hat keine gute Laune an diesem Abend. „Es gibt nichts schön zu reden“, sagt Lars Klingbeil. „Das ist eine bittere Niederlage.“ Er werde gar nicht erst versuchen, noch irgendetwas Positives zu suchen. Eine halbe Stunde sind die Wahllokale in Deutschland da geschlossen.

Und es ist klar: Die SPD hat noch einmal verloren, das schlechte Ergebnis von 2019 nochmal unterboten. Sie ist an die dritte Stelle gerutscht, hinter Union und AfD. Obwohl sie den Kanzler stellt, obwohl immer wieder Tausende Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert haben, zuletzt am Wahlwochenende etwa in Berlin, Leizpig und Dresden.

„Frustrierend“ sei das, sagt Klingbeil, er wirkt erschöpft. Dann stellt er auf Attacke: „Unsere Leute wollen uns kämpfen sehen“, verkündet er, aber die Erschöpfung klingt immer noch durch. Ist das eine Ansage an den Kanzler? Ein SPD-Spitzenpolitiker nach dem anderen wird das gefragt an diesem Wahlabend. „Olaf Scholz hat unser Vertrauen“, sagt SPD-Co-Chefin Saskia Esken. Generalsekretär Kevin Kühnert formuliert es so: „Wir gewinnen und verlieren zusammen.“

Die Attacke beziehen sie alle auf etwas anderes – auf die Haushaltsberatungen zuvorderst, die bis Anfang Juli abgeschlossen sein sollen. Investitionen müssten her, Rentenkürzungen seien tabu, sagt Kühnert. „Aus der Zeit gefallene Sparvorgaben“ werde die SPD nicht mitmachen. „Da wird es ein bisschen ruckeln“, kündigt Kühnert an.

Lindner: Koketterie mit einem vorzeitigen Ende der Ampel

Das liegt nahe: FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner fordert Haushaltsdisziplin und hat immer wieder mit einem vorzeitigen Ende der Ampel kokettiert. Lindner hatte die Europawahl als zentrale Wegmarke ausgerufen: Hier wollte man gut abschneiden, und den seit Monaten mauen Umfragewerten der Partei etwas entgegensetzen. Besser als bei der letzten Europawahl – das hat FDP-Chef Christian Lindner als Ziel vorgegeben und lieber nicht das deutlich bessere Ergebnis der Bundestagswahl zum Maßstab gemacht.

Nun ist auch das Ergebnis der letzten Europawahl wohl nicht erreicht, die FDP liegt hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Generalsekretär Bijan-Djir-Sarai sagt dennoch, er sei erleichtert. Schließlich habe seine Partei in Umfragen auch mal bei drei Prozent gelegen. Und er fordert erneut eine Wirtschaftswende.

Herber Dämpfer für die Grünen

Für die Grünen ist das Ergebnis ein herber Dämpfer. Das sensationelle Wahlergebnis der Europawahl 2019 hatte in der Partei kaum einer erneut erwartet, aber nun wurden wohl auch die 14,6 Prozent der Bundestagswahl verfehlt. „Das ist nicht der Anspruch, mit dem wir in diese Wahl gegangen sind“, sagt die Co-Parteichefin Ricarda Lang. Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner, der lange als Geschäftsführer der Partei Wahlkämpfe organisierte zeigt sich ebenso ernüchtert: „Das Ergebnis ist für uns ein Rückfall auf die Zeit von 2014?, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. „Das ist ein Weckruf für uns.“ Denkbar ist, dass sich die Kanzlerkandidaten-Frage nun bei den Grünen ganz anders stellt – nicht mit dem Fokus, wer sie übernehmen sollte, sondern ob es sie überhaupt geben kann.

Bei der CDU stellt sich ein zufriedener Parteichef Friedrich Merz vor die Kameras. „Dies ist ein guter Tag für die Union“, sagt er unter Applaus. Er spricht von einer Ermutigung und Ermunterung – und man muss davon ausgehen, dass er dabei die Entscheidung fürd die Kanzlerkandidatur mitdenkt, die im Herbst nach den Landtagswahen fallen soll. Besser als Scholz schneidet Merz allerdings persönlich in den Umfragen nicht ab. Die Union fremdelte mit Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen, die sie als EU-Kommissionspräsidentin als zu grün angehaucht empfanden. Die wiederum schloss im Wahlkampf nicht aus, sich von Rechtsaußen-Parteien von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni wählen zu lassen. Von der Leyen kandidiert allein mit dem Ziel, ihre Amtszeit zu verlängern – für das Europäische Parlament trat sie gar nicht erst an.

Nicht alle in der Union euphorisch

Nicht alle in der Union sind an diesem Abend euphorisch. Auf ein Ergebnis über 30 Prozent hatten einige in der Union vor der Wahl gehofft. Die CSU hat das Ziel ihres Parteichefs Markus Söder, viel besser als 2019 abzuschneiden, nicht erreicht.

Und das Ergebnis der AfD kommt bei Merz zumindest im ersten Überschwang nicht vor. Die in Teilen rechtsextreme Partei konnte zulegen - trotz eines skandalbehafteten Wahlkampfes und auch nach den Vorwürfen der Bestechung aus russlandfreundlichen und chinesischen Kreisen gegen die Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron. Krah und Bystron erscheinen nicht zur Wahlparty. Parteichefin Alice Weidel spricht dort von einem „holrigen Wahlkampfstart“.

Unklar ist, wie es mit der AfD nun im EU-Parlament weitergeht, Marine Le Pen, Frontfrau des französischen Rassemblement National (RN), hatte die AfD vor der Wahl aus der rechten ID-Fraktion im Parlament geworfen. René Aust, der die AfD-Delegation in Brüssel statt Krah anführen könnte, macht sich Hoffnungen, dass Le Pen nach einer „Beziehungspause“ die AfD wieder umarmt.

Bleibt noch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das sich zu Gute halten kann wenige Monate nach Parteigründung hat es den Einzug ins Europaparlament geschafft zu haben. Die Linkspartei, von der sich das BSW abgespalten hat, stürzte ab.