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Flut-UntersuchungsausschussLaschet verteidigt „kleinen Krisenstab“

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Armin Laschet (r, CDU), früherer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, kommt mit Ralf Witzel (FDP), dem Ausschuss-Vorsitzenden, zur Anhörung.

Düsseldorf – Es ist 20.05 Uhr, als Armin Laschet den Saal betritt. Zu dem Zeitpunkt tagt der Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zur Flut-Katastrophe schon seit zehn Stunden. Der frühere Ministerpräsident von NRW wirkt gelöst, scherzt mit den CDU-Abgeordneten. Er trägt eine gelbe Mappe unter dem Arm, stellt seine beiden Mobiltelefone auf stumm, als er im Zeugenstand platznimmt.

Der Untersuchungsausschuss soll herausfinden, ob es im Krisenmanagement der Landesregierung beim Umgang mit der Katastrophe Pannen gegeben hat. Meteorologen hatten schon seit dem 10. Juli davor gewarnt, dass es Starkregen mit der Gefahr von Überflutungen geben könnte. Tatsächlich kam es dann am 14. und 15. Juli in vielen Flußtälern zu verheerenden Schäden. Viele Kommunen wurden offenbar von den Wassermassen überrascht. Wurden die Warnungen nicht ernst genommen oder nicht rechtzeitig weitergegeben? Bei der Tragödie starben in NRW 49 Menschen, der Schaden wird mit 13 Milliarden Euro beziffert.

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Armin Laschet, damaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, besucht im Rahmen einer Reise in die Hochwassergebiete Müllberge von der Unwetterkatastrophe an der Gedenkstätte Vogelsang.

Laschet beginnt sein Statement mit einer zehnminütigen Erklärung darüber, wie er die kritischen Tage erlebt hat. Er habe die Bilder von den Verwüstungen noch genau vor Augen: „Tosende Wassermassen rissen alles mit, was ihnen im Weg stand. Viele Menschen standen vor den Trümmern ihrer Existenz. Wer diese Bilder gesehen hat, der wird sie nicht vergessen“, sagte Laschet.

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Der frühere Ministerpräsident verteidigt die Entscheidung, nur eine Koordinierungsgruppe zur Bewältigung der Katastrophe einberufen zu haben - und nicht den großen Krisenstab des Landes, der mehr Befugnisse gehabt hätte. „Der kleine Krisenstab hatte den Vorteil, dass einzelne Akteure wie Bundeswehr, Telekom, Bundespolizei und Deutsche Bahn durch Fachleute vertreten mit am Tisch saßen“, sagt Laschet.

„Schnelle und effektive Herangehensweise“

Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei bei einem Besuch von der „schnellen und effektiven Herangehensweise“ der Koordinierungsgruppe, die im NRW-Innenministerium tagte, beeindruckt gewesen. „Ich habe nicht gesehen, dass es einen weiteren Abstimmungsbedarf auf der Staatssekretärsebene nötig gewesen wäre. Es gab keine Erforderlichkeit, ein politisches Gremium einzuberufen“, erklärt Laschet.

Die Frage, warum NRW in der schlimmsten Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes auf die Einberufung des großen Krisenstabs verzichtet hat, war schon vor der Vernehmung von Laschet von der Opposition in Frage gestellt worden.

Wüst lässt Kritik abtropfen

Sechs Stunden vor dem Auftritt des früheren NRW-Ministerpräsidenten traf sein Nachfolger Hendrik Wüst in den Zeugenstand. Wüst kommt pünktlich um 14 Uhr, ohne Begleitung. Minutenlang bleibt er vor dem Zeugenstand stehen, um sich von den Fotografen ablichten zu lassen. Wüst lächelt bei der obligatorischen Belehrung durch den Ausschussvorsitzenden Ralf Witzel (FDP), der ihn wissen lässt, dass ihm bei einer vorsätzlichen Falschaussage eine Haftstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren droht.

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Ministerpräsident Hendrik Wüst (r, CDU) vor dem Untersuchungs-Ausschuss zur Flutkatastrophe im Gespräch mit Ralf Witzel (FDP), dem Ausschuss-Vorsitzenden.

Wüst war im Juli dieses Jahres noch NRW-Verkehrsminister. Er sei in seinem Urlaub an der Nordsee über die ersten Überflutungen informiert worden, berichtet der Politiker aus dem Münsterland. Auf die Frage eines AfD-Abgeordneten, warum er seinen Urlaub angesichts der schlimmsten Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg in NRW erst am 18. Juli abgebrochen habe, erklärt Wüst: „Wir waren jederzeit handlungsfähig, egal an welchem Ort.“

Ralf Jäger (SPD), früherer Innenminister von NRW, bezweifelt das. Mitarbeiter des Verkehrsministeriums hätten erst an der Koordinierungsgruppe teilgenommen, als die Flut schon wieder abgelaufen sei, hält er Wüst vor. „Ihnen werden die A 61 und 220 Straßen weggespült – und sie verzichten auf die Einrichtung eines Krisenstabs?“, fragt Jäger ungläubig.

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Bad Münstereifel nach der Flutkatastrophe am 14./15. Juli.

Der Ministerpräsident lässt die Kritik der Opposition abtropfen. Das Verkehrsressort sei nicht für den Katastrophenschutz zuständig, sondern vor allem für den Wideraufbau der Infrastruktur, erklärt Wüst kurz. Wetterdaten über das herannahende Unwetter habe er nicht erhalten. „Es gibt keine Situation, bei der ein Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen aufgrund einer Wettersituation persönliche Entscheidungen treffen muss“, so Wüst. Dies würde die Meldewege viel zu lang machen. Auch das Ausrücken der Räumfahrzeuge etwa bei Schneefall funktioniere ohne Beteiligung des Ministers.

Als zweiter Zeuge der Landesregierung tritt Nathanael Liminski in den Zeugenstand. Er ist der Chef der Staatskanzlei (CdS) und koordiniert die Abstimmung der Ministerien. Liminski war ein enger Vertrauter von Armin Laschet und dessen „rechte Hand“. Was weiß er über die Abläufe?

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Liminski erklärt, er habe sich schon am 12. Juli mit den drohenden Unwettern befasst. „Ich wollte wissen, was da auf uns zukommt“, sagt der CdS. Natürlich sei auch darüber diskutiert worden, ob der Ministerpräsident den großen Krisenstab einberufen müsse. Diese Prüfung sei von ihm beauftragt worden. Eine eindeutige Antwort habe es aber nicht gegeben. Für ihn sei wesentlich gewesen, ob der große Krisenstab bei der Bewältigung der Katastrophe viel verbessert hätte.

Nathanael Liminski

Stefan Kämmerling, Obmann der SPD im Landtag, zeigt sich enttäuscht über die Vernehmungen. Die Frage, warum die Landesregierung den großen Krisenstab nicht einberufen hätte, sei nicht zufriedenstellend beantwortet worden: „Ein Krisenstab hätte weitreichende Möglichkeiten gehabt, um die landesweite Lage jederzeit im Blick und auch im Griff zu behalten und die Menschen zu schützen. Vor allem, wenn er bereits im Vorfeld der Katastrophe aktiviert worden wäre, um in den entscheidenden Momenten reaktions- und handlungsfähig zu sein. Eine solche landesweite Koordinierung durch einen Krisenstab hat es im Vorfeld aber nicht gegeben“, erklärt der SPD-Politiker.

Zwei Feuerwehrmänner aus Hagen hatten am Vormittag als Zeugen ausgesagt. Die Praktiker hatten die Entscheidung der Landesregierung gegen einen Krisenstab kritisiert: „Eigentlich muss der Bundeswehreinsatz vom Krisenstab der Landesregierung gesteuert werden. Wir haben das auf eigene Faust getan, sonst stünden wir in Hagen heute noch mit Schippe und Schubkarre.“