Berlin – CDU-Chef Friedrich Merz kann der Idee eines verpflichtenden sozialen Jahres viel abgewinnen. „Ich habe noch keine persönlich abgeschlossene Meinung, aber meine grundsätzliche Haltung geht eher Richtung verpflichtendes Jahr als auf der Basis von Freiwilligkeit“, sagte Merz, der auch Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag ist, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Ich bin überrascht, wie hoch die Zustimmung gerade in der jungen Generation zu einem solchen verpflichtenden Jahr in Deutschland ist“, ergänzte er.
Auf dem CDU-Parteitag am 9. und 10. September in Hannover soll es zwei Anträge für ein sogenanntes „Deutschland-Jahr“ geben. Während einer mehr auf ein Pflichtjahr zielt, plädiert der andere mehr für Freiwilligkeit in Verbindung mit Anreizen wie der Anrechnung von Rentenpunkten oder Erleichterungen beim Numerus Clausus. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte kürzlich für einen Vorstoß für eine soziale Pflichtzeit viel Kritik erhalten.
Fehler in der Pandemie kein Maßstab für Pflichtjahr-Entscheidung
Der 66-jährige Merz betonte nun, das Feedback von Schulklassen und Besuchergruppen in Berlin zum Vorschlag einer Pflichtzeit sei „durch die Bank positiv. Aber ich kenne auch die Argumente, die dagegen sprechen.“ Ihn habe gefreut, dass der Bundespräsident sich in einer solchen Frage so klar positioniert habe. „Jetzt diskutieren wir darüber. Wenn es andere Meinungen gibt, umso besser. Dann haben wir eine interessante politische Debatte.“
Das Argument, viele junge Leute hätten in der Corona-Pandemie viele Einschnitte verkraften müssen, deswegen sollten sie nicht zusätzlich mit einem Pflichtjahr belastet werden, wies Merz zurück. Zwar räumte er ein, die Lockdowns seien für viele Jugendliche „eine Zeit von Entbehrung und Einsamkeit“ gewesen. Mit der Schließung von Schulen und Universitäten sei man wohl über das Ziel hinausgeschossen. „Wir müssen aus der Rückschau sagen, dass die Politik gerade mit Blick auf die junge Generation auch viele Fehler gemacht hat.“ Dies könne „aber nicht der Maßstab für eine solche Grundsatzentscheidung sein. Bei der Dienstpflicht blicken wir auf die nächsten 10, 20, 30 Jahre.“
Quotendebatte soll Parteitag nicht überlagern
Mit Blick auf die parteiintern umstrittene Frauenquote, über die ebenfalls in Hannover entschieden werden soll, gab sich Merz zuversichtlich, dass das Thema den Parteitag nicht überlagern wird. Die Quote wird vor allem im Wirtschaftsflügel und vom Parteinachwuchs von der Jungen Union (JU) abgelehnt. Um den Gegnern entgegenzukommen, hat Merz eine zeitliche Befristung vorgeschlagen.
Der CDU-Chef sagte, er nehme aus der gesamten Partei viel guten Willen wahr, dieses Thema jetzt zu entscheiden und es realistisch einzuschätzen. „Die Quotendebatte ist ein parteipolitisches, internes Thema der CDU, das sie lösen muss. Aber das ist mit Sicherheit nicht das Thema, das die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland am meisten interessiert“, betonte er.
Angesichts der anstehenden geheimen Abstimmung der 1001 Delegierten über die Quote sagte Merz: „Ich fürchte weder eine Niederlage, noch bereite ich mich auf einen zu bejubelnden Sieg vor.“ Es gehe darum, eine Grundsatzfrage zu entscheiden, die seit mehreren Jahren schwele und zu lange unbeantwortet geblieben sei.
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CSU-Chef Markus Söder ist nach Angaben von Merz für ein Grußwort nach Hannover eingeladen. „Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die beiden Parteivorsitzenden gegenseitig jederzeit die Möglichkeit haben, auf ihren wechselseitigen Parteitagen aufzutreten.“ Auf die Frage, wie er sein Verhältnis zu Söder in einem Satz beschreiben würde, sagte Merz: „Kollegial, freundschaftlich und sehr kooperativ.“
Vor der Bundestagswahl hatte es im vergangenen Jahr ein schweres Zerwürfnis zwischen dem damaligen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und Söder um die Kanzlerkandidatur der Union gegeben. Söder hatte den Machtkampf verloren, Laschet wiederum die Bundestagswahl. Zur Kanzlerkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl betonte Merz: „Diese Frage liegt heute nicht auf dem Tisch. Darüber entscheiden wir, wenn es so weit ist.“ (dpa)