Die öffentliche Debatte ist nach wie vor schrill, doch die Ampel-Parteien haben sich im Heizungsstreit ein wenig angenähert. Worüber noch gestritten wird, und wo sich Lösungen abzeichnen.
Starttermin, Brennstoffe, Soziales Darum geht es im Streit um den Heizungstausch
Um Deutschlands Heizungskeller tobt ein erbitterter Streit. Er hat die Koalition erschüttert, die Wirtschaft erbost, viele Menschen verunsichert. Und er hätte sogar das Zeug, die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ins Wanken zu bringen, wenn er nicht bald gelöst wird.
Immerhin: Abseits der mit politischen Kampfbegriffen wie „Heiz-Hammer“ und „Energie-Stasi“ geführten öffentlichen Debatte arbeiten Fachleute der Ampel-Koalition an Kompromissen, um die Regierungskrise zu verhindern. Die wichtigsten Streitpunkte und mögliche Lösungen im Überblick:
Gesetz sollte bis zur Bundestag-Sommerpause entschieden werden
Selbst in der vergleichsweise einfach zu beantwortenden Frage, wann denn das Gebäudeenergiegesetz und das darin enthaltene Installationsverbot für neue Öl- und Gasheizungen im Parlament beraten werden soll, waren sich die Koalitionäre bislang uneins. Eigentlich hätte das Gesetz in dieser Woche bereits in dieser Woche in das Parlament eingebracht werden sollen, so hatten sie es innerhalb der Ampel verabredet. Doch daraus wurde nichts, weil die FDP blockierte.
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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warf den Liberalen daraufhin „Wortbruch“ vor. Drei Sitzungswochen bleiben noch bis zur Sommerpause. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Freitag in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ betont, dass das Gesetz bis dahin in den Bundestag eingebracht werden solle. Auch das ist schon ein Kompromiss, ursprünglich hatte das Gesetz bis zur Sommerpause verabschiedet werden sollen.
Habeck wollte schon im Januar 2024 starten – jetzt soll der Start zeitlich versetzt stattfinden
Der Plan war ehrgeizig: Schon im Januar 2024 hätte das Gesetz nach dem Willen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Kraft treten sollen. Inzwischen zweifeln allerdings selbst die Grünen daran, dass ein so früher Starttermin sinnvoll ist. Habeck hat deshalb zuletzt mehrfach angedeutet, dass man über eine geringfügige Verschiebung reden könne.
In einem Interview mit den Funke-Zeitungen schlug er nun einen zeitlich versetzen Start vor. In einem ersten Schritt könnte die Installation von Öl- und Gasheizungen in Neubauten verboten werden, Bestandsgebäude würden dann später folgen. Auch bei den Übergangsfristen sieht der Vizekanzler Gestaltungsspielräume.
Brennstoff egal – Hauptsache klimaneutral
Für die FDP ist die Frage der Technologieoffenheit fast schon ein Glaubensbekenntnis. Aus Sicht der Liberalen spielt es keine Rolle, mit welchem Brennstoff Heizungen künftig betrieben werden – Hauptsache, sie sind klimaneutral. Der inzwischen geschasste Staatssekretär Patrick Graichen favorisierte hingegen die Fokussierung auf Wärmepumpen und grünen Strom. Das sei mit Abstand die effizienteste Lösung, argumentierte er. Seit dem Rückzug Graichens scheint es aber auch in dieser Frage Bewegung zu geben. Habeck kündigte nun an, sich das Thema Pellets noch einmal ansehen zu wollen.
Grüne möchten Förderung von bis zu 80 Prozent – FDP sperrt sich
In der Frage, welche Unterstützung Immobilienbesitzer bei einem Heizungstausch vom Staat erwarten dürfen, gibt es noch eine Menge Klärungsbedarf. Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) haben bereits Ende April ein Förderprogramm vorgestellt, das die Erstattung von mindestens 30 Prozent der Kosten für den Tausch eines Gas- oder Öl-Kessels vorsieht. Durch Boni für weniger finanzkräftige Eigenheimbesitzer oder für solche, die schneller oder umfangreicher modernisieren als sie müssten, kann der Förderanteil auf bis zu 50 Prozent steigen.
Den Grünen reicht das noch nicht: Sie wollen für Einkommensschwache eine Förderung von bis zu 80 Prozent, deren konkrete Höhe sich nach dem zu versteuernden Haushaltseinkommen bemessen soll. Auch die SPD fordert eine soziale Staffelung. Bislang scheitert diese an der FDP.
Mieterschutz ist unklar – SPD will Grenzen festlegen
Unklar ist bislang, wie Mieterinnen und Mieter vor steigenden Modernisierungsumlagen geschützt werden sollen. Die SPD will gesetzlich festschreiben, dass die Kosten für den Heizungstausch nur bis zu einer bestimmten Grenze auf die Miete umgelegt werden dürfen. Die bisherigen Regelungen sehen einen solchen Schutz nicht vor, weshalb Mieterverbände den Gesetzentwurf in seiner aktuellen Fassung ablehnen.
Senioren sollen vom Installationsverbot ausgenommen werden – FDP sieht Willkür
Wer älter als 80 Jahre ist, soll von dem Installationsverbot neuer Öl- und Gasheizungen ausgenommen werden, so sehen es die Pläne aus dem Wirtschaftsministerium vor. Die FDP hat Bedenken, weil sie die Altersgrenze für willkürlich hält. Die SPD wiederum fordert, die Ausnahme nicht an das Lebensalter, sondern an den Renteneintritt zu koppeln. Dann allerdings würde die Regelung für deutlich weniger Menschen gelten.
Deutschland hängt in der Wärmeplanung hoffnungslos zurück
Im europäischen Vergleich hängt Deutschland bei der Wärmeplanung hoffnungslos zurück, das sieht selbst die Opposition so. Städte und Gemeinden müssen prüfen und verbindlich festlegen, welche Viertel sie gegebenenfalls an ein Fernwärme- oder Wasserstoffnetz anschließen.
Ohne diese Informationen können Hausbesitzer kaum entscheiden, auf welche Heiztechnologie sie künftig setzen. Dass das Gebäudeenergiegesetz auf die fehlende Planung keine Rücksicht nimmt, wurde von Beginn an kritisiert. Bauministerin Geywitz hat nun ein Gesetz vorgelegt, um die Wärmeplanung zu beschleunigen. Da Städte und Gemeinde für eine seriöse Wärmeplanung allerdings Verbrauchsdaten benötigen, macht die Opposition auch gegen dieses Gesetz mobil. Am weitesten ging Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt, der von einer geplanten „Energie-Stasi“ sprach. Fachleute verweisen hingegen darauf, dass entsprechende Daten bereits in mehreren Bundesländern erhoben werden, und dass diese nicht bei Hausbesitzern, sondern bei Energieversorgern eingesammelt werden. (RND)