Stefan Gelbhaar, seit 2017 Berliner Bundestagsabgeordneter der Grünen, wurde Anfang Januar als Wahlkreiskandidat abgewählt. Mehrere Frauen behaupteten, von ihm bedrängt worden zu sein. Nun wachsen die Zweifel an dieser Darstellung.
Grüne BerlinParteifreundin von Stefan Gelbhaar vermutet „Intrige“
Die ehemalige Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Müller, hält die Vorwürfe gegen den Grünen-Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar wegen sexueller Belästigung und seine darauf folgende Abwahl als Wahlkreiskandidat in Berlin-Pankow für das Ergebnis einer Intrige. „Es bestätigt sich immer mehr, dass hier wahrscheinlich mit einer Intrige eine nicht genehme Person beschädigt und aus dem Verkehr gezogen werden sollte“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), nachdem der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) seine Berichterstattung teilweise korrigiert hatte, weil Zweifel an der Identität einer Person aufgetaucht waren, die Vorwürfe erhoben hatte.
Müller, die von 1998 bis 2002 Vorsitzende der Bundestagsfraktion war und heute einfaches Parteimitglied in Berlin-Pankow ist, fügte hinzu: „Es kann kein Zufall sein, dass einen Tag vor der Listenaufstellung die Beschwerden bei der Ombudsstelle auflaufen und das auch noch der Presse gesteckt wird. Für mich gilt die Unschuldsvermutung.“ Die Frau, die offenbar falsche Anschuldigungen erhoben hatte, habe sich „auf jeden Fall strafbar gemacht“.
Mit 98 Prozent nominiert
Der 48-jährige Gelbhaar, der dem Bundestag seit 2017 angehört und den Wahlkreis Berlin-Pankow 2021 direkt gewonnen hatte, war im November erneut mit rund 98 Prozent der Stimmen nominiert worden. Kurz bevor die Berliner Landesliste der Grünen bestimmt werden sollte, zog er seine Kandidatur für die Liste zurück. Dies war eine Reaktion auf die Vorwürfe.
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Anfang Januar trafen sich die Mitglieder des Kreisverbandes abermals, wählten Gelbhaar ab und kürten Julia Schneider zur Kandidatin. Sie ist derzeit noch Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Dabei hatte Gelbhaar mehrfach betont, dass die Vorwürfe „gelogen“ seien und es sich „um eine in Teilen geplante Aktion“ handele. Schneider sagte unmittelbar vor ihrer Wahl hingegen: „Wir sind nicht bei Gericht. Wir treffen eine politische Entscheidung. Das ist es, worum es heute Abend geht.“ Was Gelbhaar zur Last gelegt wird, thematisierten sie und andere Rednerinnen nicht.
Intrigen-Vorwurf: „Wir sind nicht bei Gericht“
Eine Grünen-Politikerin, die sich als Anne K. ausgab, hatte Gelbhaar massiv beschuldigt. Recherchen des Berliner „Tagesspiegels“ ergaben nun, dass die Frau vermutlich gar nicht existiert. Darauf reagierte wiederum der RBB, der nach eigenen Angaben mittlerweile Hinweise darauf hat, dass einige der bei der Ombudsstelle der Partei „eingegangenen uns bekannten anonymen Meldungen ebenfalls von der Person stammen könnten“. Damit könnte sich die Zahl der dem Vernehmen nach zwölf Meldungen, die Gelbhaar belasten, weiter reduzieren.
Eine führende Berliner Grünen-Politikerin hatte dem RND vor Gelbhaars Abwahl gesagt, zwölf Beschwerden seien „ganz schön viel“. Die schiere Zahl spreche dafür, dass diese Substanz hätten. Freilich sei beklagenswert, dass die Vorwürfe erst kurz vor der Entscheidung über die Zusammenstellung der Berliner Landesliste aufgetaucht seien. Tatsächlich gilt der Berliner Landesverband seit Längerem als intrigengeneigt. Überdies hatte keine der Frauen bei der Polizei Anzeige erstattet.
Bei weiteren prominenten Grünen-Politikerinnen, die ebenfalls anonym bleiben wollten, gehen die Meinungen auseinander. Eine sagte dem RND jetzt, die Vorwürfe kämen ihrer Kenntnis nach von Frauen aus unterschiedlichen Parteiflügeln und seien teilweise älter, „sodass es nicht nach einer Kampagne klingt“. Außerdem sei Gelbhaar schon früher mit einem Ombudsverfahren wegen ähnlicher Vorwürfe konfrontiert gewesen, ohne dass er sein Verhalten augenscheinlich verändert habe. Eine andere Grünen-Politikerin, die wie Müller von einer Intrige ausgeht, sprach mit Blick auf den gesamten Vorgang hingegen von „Wahnsinn“.
Dass Gelbhaar, der sich um Verkehrsthemen und Ostdeutschland kümmert, doch noch als Kandidat für die Bundestagswahl nominiert wird, ist ausgeschlossen. Die Frist, innerhalb derer Kreisverbände ihre Kandidaten benennen müssen, läuft am Montag aus. Bis dahin eine weitere Kreismitglieder-Versammlung einzuberufen, ist praktisch unmöglich.