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Angehöriger befürchtet Ermordung„Schreie am Telefon“ letzter Kontakt – Zehnköpfige Familie nach Hamas-Angriff vermisst

Lesezeit 4 Minuten
Israelische Soldaten bergen am Dienstag Leichen von getöteten Zivilisten im Kibbuz Kfar Azza. Hamas-Terroristen begingen in vielen israelischen Siedlungen am Samstag Gräueltaten. Viele Menschen werden weiterhin vermisst.

Israelische Soldaten bergen am Dienstag Leichen von getöteten Zivilisten im Kibbuz Kfar Azza. Hamas-Terroristen begingen in vielen israelischen Siedlungen am Samstag Gräueltaten. Viele Menschen werden weiterhin vermisst.

Zehn Familienangehörige von Yotam Kipnis sind verschwunden, darunter seine Eltern. „Ich befürchte das Schlimmste“, sagt der 29-Jährige.

Nach dem Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel wird immer klarer, wie brutal die Terroristen bei ihrem Überfall auf die israelischen Siedlungen in Grenznähe vorgegangen sind. Während aus manchen Kibbuzen Berichte über geköpfte Kinder kommen, werden in anderen Siedlungen ganze Familien weiterhin vermisst.

Im Gespräch mit der britischen Zeitung „The Guardian“ erklärte ein Israeli nun, insgesamt zehn seiner Familienangehörigen seien seit Samstagvormittag nicht mehr auffindbar. Um 8.30 Uhr am Samstag habe er zuletzt etwas von seinen Eltern gehört, erklärte Yotam Kipnis, ein 29-jähriger Menschenrechtsaktivist. Zu diesem Zeitpunkt habe er das letzte Mal seine Mutter erreicht, die Eltern Kipnis‘ sollen sich demnach zu dem Zeitpunkt in ihrem Haus im Kibbuz Be’eri versteckt haben.

Israeli vermisst nach Hamas-Angriff zehn Familienangehörige aus Kibbuz – darunter auch Kinder

„Ich habe versucht, sie um 10 Uhr noch einmal anzurufen, aber sie ging nicht ran“, sagte Kipnis, der in dem Kibbuz im Süden Israels aufgewachsen ist, etwas mehr als sechs Kilometer von der Grenze zum Gazastreifen entfernt. „Aber ich habe von anderen Verwandten und Freunden der Familie gehört, dass sie gegen 9.30 Uhr mit ihr sprachen und sie ihnen sagte, dass jemand in die Unterkunft eindringen würde“, fügte Kipnis an. „Sie hörten Schreie am Telefon – seitdem habe ich meine Eltern nicht mehr erreichen können.“

Insgesamt seien mittlerweile mehr als 100 Leichen in der Siedlung gefunden worden, erklärte der Israeli. Sein Vater Lilach und seine Mutter Eviatar blieben jedoch weiterhin unauffindbar. Acht weitere Familienmitglieder aus dem Kibbuz werden seinen Angaben zufolge ebenfalls vermisst, darunter auch drei kleine Kinder. Auch ein Krankenpfleger, der sich um die an einer Autoimmunkrankheit leidende Mutter Eviatar gekümmert habe, sei nicht auffindbar, erklärte Kipnis.

Vermisste Familienangehörige nach Hamas-Angriff auf Israel: „Ich befürchte das Schlimmste“

„Ich befürchte das Schlimmste, aber vielleicht sind sie noch am Leben und werden als Geiseln gehalten“, erklärte der besorgte Angehörige. „Ich möchte, dass die Menschen über die Situation der Geiseln im Gazastreifen Bescheid wissen, und ich möchte, dass die Situation so schnell wie möglich beendet wird, und zwar mit so wenig Opfern und so wenig Schaden wie möglich.“ Kipnis hat nach eigenen Angaben das Rote Kreuz und Menschenrechtsgruppen kontaktiert, aber noch keine Angaben über seine Angehörigen erhalten.

Der 29-Jährige kritisierte vor diesem Hintergrund auch Aussagen des rechtsextremen israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich, der bei einer Kabinettssitzung am späten Samstag die israelische Armee aufgefordert hatte, „die Hamas brutal zu treffen und die Gefangenen dabei nicht in Betracht zu ziehen“. Smotrich spreche nicht für alle Israelis, sagte Kipnis dem „Guardian“ nun.

Kibbuz-Bewohner fürchteten Angriff: „Hatten das Gefühl, dass die Sache irgendwann explodieren würde“

„Der Finanzminister sagt, dass er sich nicht wirklich um die Geiseln kümmert, wenn es um die Kriegsanstrengungen geht“, kritisierte Kipnis. „Aber ich möchte, dass die Öffentlichkeit weiß, dass uns die Geiseln nicht egal sind. Sie sind Familien und unsere Freunde. Sie sind Menschen, und wir müssen alles tun, um ihre Freilassung zu erreichen und das Blutvergießen so schnell wie möglich zu beenden.“ Die Lage sei ohnehin bereits schlimm genug, betonte der Israeli. „Ich habe schon viele meiner Freunde und Angehörigen in diesem Krieg verloren.“

Die Bewohner des Kibbuz Be’eri hätten eine derartige Gräueltat bereits lange befürchtet, führte der 29-Jährige zudem aus. „Ein Freund von mir pflegte zu sagen, dass unser Leben in den Kibbuzim zu 95 Prozent Himmel und zu fünf Prozent Hölle ist“, sagte er. Die wiederholten Raketenangriffe der Hamas und die Bedrohung durch die Tunnel, die den Terroristen grenzüberschreitende Angriffe ermöglichten, habe in den letzten Jahren bereits zu einer „nagenden Angst“ in der Siedlung geführt. „Wir hatten das Gefühl, dass die Sache irgendwann explodieren würde“, erklärte Kipnis.

Terrororganisation Hamas beginnt Großangriff auf Israel – und begeht Gräueltaten

Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas hatte am Samstag einen Großangriff auf Israel gestartet. Die israelische Armee reagierte mit Luftangriffen auf den Gazastreifen und mobilisierte Zehntausende Soldaten, um die eingedrungenen Hamas-Kämpfer zurückzuschlagen. Die Zahl der Todesopfer stieg inzwischen auf mehr als 900 auf israelischer und mehr als 830 auf palästinensischer Seite; tausende weitere Menschen wurden verletzt. Die Hamas verschleppte etwa 150 Zivilisten und Soldaten aus Israel als Geiseln in den Gazastreifen. (das)