AboAbonnieren

Harter Lockdown gegen das CoronavirusHandel würde enorme Verluste erleiden

Lesezeit 5 Minuten
Lockdown_NRW_Auswirkungen

Für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen hätte es dramatische Folgen, sollten die bisher geltenden Regeln des Teil-Lockdown verschärft werden (Symbolbild). 

Köln – Wie reagieren Handel, Kultur und Politik auf Laschets Ankündigung eines harten Lockdowns in NRW nach Weihnachten? Und was bedeutet das für Silvesterfeiern? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Gibt es Kritik an den jüngsten Lockdown-Plänen von Laschet?

Ja. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält den Vorschlag für nicht weitreichend genug. „Laschets Vorschläge für einen Lockdown nach Weihnachten bis zum 10. Januar springen zu kurz und kommen zu spät. Wir können es uns nicht erlauben, bis nach Weihnachten mit dem Lockdown zu warten“, sagte der Bundestagsabgeordnete auf Anfrage.

Thomas Kutschaty, Chef der SPD-Fraktion im Landtag, erklärte, ein klarer und abgestimmter Kurs der Landesregierung in der Pandemie sei nicht erkennbar. „Während die FDP noch am Dienstag vor Schnellschüssen warnte, schießt der Ministerpräsident wenige Stunden später seine Forderung nach einem harten Lockdown aus der Hüfte. Was genau damit gemeint sein soll, hat er bisher keinem verraten.“

Alles zum Thema Henriette Reker

NRW-Gesundheitsminister Laumann verteidigt Laschet: Die Pläne seien „kein Sinneswandel“, sondern „die logische Folge der aktuellen Entwicklungen“. Laschet habe schon Anfang der Woche gesagt, dass man über restriktivere Maßnahmen nachdenken müsse, wenn sich die Gesamtlage nicht zeitnah verbessere.

Wie ist die Lage in Köln – und wie reagiert Henriette Reker?

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker zeigt Verständnis für die geplanten Verschärfungen. „Ein harter Lockdown würde sicher dazu beitragen, die Zahl der Neuinfektionen deutlich zu verringern. Ich halte ihn daher für notwendig.“ Die aktuellen Maßnahmen „haben dazu geführt, dass wir die Dynamik im Infektionsgeschehen bremsen konnten. Wir alle haben uns aber mehr erhofft, weil auch mehr nötig war und ist“, so die parteilose Oberbürgermeisterin.

Neuinfektionen-Deutschland

Die Entwicklung der Coronavirus-Infektionszahlen in Deutschland seit Beginn der Pandemie

In Köln habe man dennoch „eine deutliche Reduktion der Infizierten“ erreicht: „Die Kurve flacht seit Anfang November spürbar ab. Hatten wir auf dem Höhepunkt der zweiten Welle Ende Oktober noch eine Sieben-Tage-Inzidenz von 225 Fällen, haben wir sie nun auf 124 gesenkt.“ Doch auch diese Zahlen seien „natürlich immer noch zu hoch.“

Die nicht zufriedenstellende Entwicklung sei „durchaus zu erwarten“ gewesen. In den vergangenen Monaten habe es auf allen Ebenen Appelle an die Vernunft und das Verantwortungsbewusstsein gegeben, sagt die 64-Jährige. „Viele Menschen haben große Anstrengungen unternommen, um einen harten Lockdown zu verhindern, aber nicht alle haben sich an die Regeln gehalten.“

Es schmerze sie, „dass bei einem harten Lockdown das gesellschaftliche Leben völlig zum Erliegen käme und Branchen, die schon bislang harte Einschnitte hinnehmen mussten, noch stärker belastet würden.“ Allerdings habe man lernen müssen, „dass sich das Virus nicht mit Halbherzigkeit besiegen lässt. Wir müssen erkennen, dass wir zu ambitionslos waren“, sagt Reker.

Wie wahrscheinlich ist die Verlängerung des harten Lockdowns über das Ende der Weihnachtsferien hinaus?

Das kommt auf die Entwicklung bei den Infiziertenzahlen an. Karl Lauterbach hält die Entwicklung für noch nicht für absehbar: „Man kann keine Pläne für die nächsten Monate machen. Dafür ist die Pandemie zu unberechenbar.“ Eine Lockdown-Fortsetzun in harter oder seiner jetzigen weicheren Form ist also nicht auszuschließen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schlägt vor, dass die Weihnachtsferien auf den 16. Dezember vorgezogen werden. Müssen sich nun auch Eltern in NRW darauf einstellen?

Die Wissenschaftsakademie Leopoldina hatte empfohlen, die Schulpflicht ab dem 14. Dezember vorübergehend aufzuheben, um auf diese Weise vorgezogene Ferien zu ermöglichen. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer wies das am Mittwoch im Landtag mit Empörung zurück. Das werde es mit ihr als zuständiger Ministerin nicht geben. Angela Merkel plädierte im Bundestag für den 16. Dezember. Ob es dazu kommt, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. Nach aktuellem Stand beginnen die Winterferien in NRW am 19. Dezember.

Was bedeutet ein harter Lockdown für die Silvesterfeiern?

Aktuell dürfen sich fast überall in Deutschland nur zwei Haushalte mit bis zu fünf Personen treffen. Zwischen dem 23. Dezember und dem 1. Januar waren Lockerungen vereinbart – maximal zehn Personen sowie zusätzlich Kinder bis 14 Jahre. Die Lockerungen für Silvester würden bei einem harten Lockdown nach Weihnachten wohl kassiert werden.

Darf Silvester dann auch nicht geböllert werden?

Im engen Familienkreis wird das nach jetzigem Stand immer noch möglich sein. Auch die Supermärkte, in denen Silvesterraketen verkauft werden, wären ja weiterhin geöffnet. Die Bundesregierung empfiehlt allerdings, auf private Feuerwerke zu verzichten.

Dürfen die Verwandten trotzdem noch an Weihnachten im Hotel übernachten?

Laut aktueller Sachlage ist das so. Nach der Coronaschutzverordnung sind in Nordrhein-Westfalen nur „Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken“ verboten. Verwandtenbesuche mit Übernachtungen in Hotels, über Online-Plattformen gemieteten Wohnungen, Pensionen, Hostels und Ferienwohnungen sind demnach möglich, heißt es aus dem nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium.

NRW-Bayern-Coronavergleich

Vergleich von statistischen Daten der Coronavirus-Pandemie in Nordrhein-Westfalen und Bayern

„Dass nur diejenigen Leute sich besuchen können, die das Glück haben, Einfamilienhäuser zu haben, wo man vielleicht alles lösen kann, ist nicht meine Vorstellung von Gerechtigkeit“, betonte der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

Welche Folgen hätte ein Lockdown nach Weihnachten für den Einzelhandel?

„Jeder Tag mit geschlossenen Läden kostet in NRW zwischen 200 und 250 Millionen Euro Umsatz im Nonfood-Handel“, sagte Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverband NRW, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Mittwoch. Schon jetzt sei der innerstädtische Einzelhandel mit Mode, Parfümerie, Spielwaren und Sportartikeln sehr stark betroffen.

„Aktuell fürchtet jeder fünfte aller NRW-Einzelhändler um seine Existenz, bei den vorgenannten Branchen ist der Anteil höher!“ Achten verlangt für den Fall eines Lockdowns Entschädigungen für den Handel, wie sie auch der Gastronomie zugesagt worden seien.

Stehen Hamsterkäufe zu erwarten?

Achten rät dazu, einen etwaigen Jahres-End-Lockdown frühzeitig zu kommunizieren, um genau das zu vermeiden. „Sonst würde es zu Hamsterkäufen im Nonfood-Handel kommen. Auch müsste klar kommuniziert werden, dass keine Schließung von Geschäften des täglichen Bedarfs erfolgt, damit wir keine völlig unnötigen Hamsterkäufe im Lebensmitteleinzelhandel erleben!“

Was bedeutet der Lockdown für Kultur und Galerien?

Anders als Museen, Theater oder Konzerthäuser durften Galerien im aktuellen Lockdown geöffnet bleiben. Dies wird sich wohl ändern. Dabei beklagen viele Galeristen bereits jetzt Umsatzeinbußen von bis zu 70 Prozent. „Die Situation ist schwierig“, so Thomas Rehbein, Sprecher der Kölner Galerien, „weil sich unser Stammpublikum nicht mehr zu uns traut“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Online-Verkäufe hält Rehbein für einen „Wunschtraum“, denn „erklärungsbedürftige Kunst verkaufen sie nicht über die Internetseite.“ Während Kulturstaatsministerin Monika Grütters plant, die Hilfen für Kulturbetriebe auf zwei Millionen Euro zu verdoppeln, käme die Verlängerung des Lockdowns für das Kölner Museum Ludwig zur Unzeit – am 12. Dezember sollte die große Andy-Warhol-Ausstellung eröffnet werden.

„Leider verlieren wir voraussichtlich einen Monat“, sagt Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior. „Auch der Vorverkauf ist betroffen, da wir die Zeitfenster für den Museumsbesuch erst anbieten können, wenn wir das genaue Datum der Wiedereröffnung kennen.“ Man plane vorerst mit einer Schließung bis zum 10. Januar, so Dziewior. „Wir müssen solidarisch sein, auch wenn wir das Publikum vermissen. Es trifft ja alle.“