Ex-Grünen-Fraktionschefin Kirsten Jahn hat die Stadtwerke-Affäre mitgeprägt. Jetzt will sie Parteichefin werden. Den Plan lehnen einige ab.
„Das geht nur ohne sie“Jahn will Parteichefin der Kölner Grünen werden – Widerstand aus eigenen Reihen

Lange ist es her: die damalige Grünen-Fraktionschefin Kirsten Jahn und der damalige Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank.
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Die frühere langjährige Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Kölner Stadtrat, Kirsten Jahn (48), greift erneut nach einem Spitzenposten: Jahn will Co-Vorsitzende des Kölner Kreisverbandes werden und stellt sich am 15. und 16. März mit Cyrill Ibn Salem (Co-Vorsitz, 32) und Sarah Brunner (politische Geschäftsführerin, 39) den Mitgliedern zur Wahl. Das bestätigte sie am Dienstag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zwischen 2014 und 2019 führte sie die Fraktion.
Aktuell arbeitet Jahn beim Immobilien-Projektentwickler Osmab als Abteilungsleiterin für Personal und interne Organisation. Sie sagte: „Ich habe ein Angebot an die Partei gemacht, als ehrenamtliche Vorsitzende mit einem Team zusammen für die Grünen arbeiten zu wollen. Ich möchte meine kommunalpolitische Erfahrung einbringen.“ Die bisherigen Vorsitzenden Katja Trompeter und Stefan Wolters treten nicht mehr an (wir berichteten).

Die Nippeser Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert gehört zu den Kritikern.
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Doch aus Teilen der Partei gibt es massiven Widerstand gegen Jahn wegen ihrer Beteiligung am größten kommunalpolitischen Skandal der vergangenen Jahre in Köln: der sogenannten Stadtwerke-Affäre im Jahr 2018.
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In einem Schreiben von Nippes-Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert (Grüne), das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, kritisiert sie unter anderem Jahns Verwicklung in die Affäre um die Verteilung von Spitzenposten in städtischen Betrieben. Zu den politischen Zielen der Grünen bei der Kommunalwahl am 14. September und den Verhandlungen mit anderen Parteien danach heißt es darin: „Das geht nur OHNE Kirsten Jahn als Kreisvorsitzende.“
Rufe nach Vertagung
Siebert forderte eine Vertagung der Wahl, weil die Vorstellungen der Kandidaten erst 17 Tage vor der Wahl bekannt gegeben wurden: „Es muss sichergestellt werden, dass auch die vielen Neumitglieder unserer Partei wissen, für wen sie da genau stimmen. Deshalb wäre es sinnvoll, die Vorstandswahl zu verschieben. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit!“
Diese Idee stützt auch Reinhold Goss, Vorsitzender des Ortsverbandes Innenstadt. Laut Goss sehen das noch drei bis vier der anderen neun Ortsverbände ähnlich, sie arbeiten demnach an Beschlüssen dazu. Eine Vertagung könnte Jahns Position als Kandidatin schwächen.

Reinhold Goss, Vorsitzender des Ortsverbandes Innenstadt
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Als eine der Architektinnen hat Jahn 2018 die Stadtwerke-Affäre mit ausgeklüngelt. SPD, CDU und Grünen, letztere beide in einem Bündnis im Stadtrat, verabredeten, wie einige hochdotierte Spitzenjobs in städtischen Gesellschaften besetzt werden sollten. Im Zentrum: die Schaffung eines neuen hauptamtlichen Geschäftsführers der Stadtwerke. Der damalige Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Stadtrat, Martin Börschel, sollte den Job erhalten – ohne Ausschreibung.
Doch der Deal wurde öffentlich und platzte, Börschel bekam den Job nicht und zog sich später aus Rat und Politik zurück, Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank wurde auf Druck der Partei gekündigt, Jahn durfte aber weitermachen.

Bild aus 2018: der damalige Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank und Fraktionschefin Kirsten Jahn.
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Bei der CDU blieben Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz und Fraktionschef Bernd Petelkau im Amt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sprach seinerzeit offen von einem Rückfall in alte Kölner Klüngelzeiten.
Der Deal machte bundesweit Schlagzeilen, Reker sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Die Affäre ist eine Blamage für die Stadt Köln.“ Die Grünen-Fraktion im Rat selbst schrieb am 3. Mai 2018: „Es hat den Ruf der Stadt Köln, aber auch der Kölner Grünen beschädigt.“ Und Jahn sagte: „Wir haben einmal unseren Kompass verloren. Das wird nicht mehr passieren.“
Am Dienstag sagte Jahn: „Ja, es gibt auch Vorbehalte gegen meine Kandidatur, diese nehme ich ernst und deshalb habe ich allen Mitgliedern ein Gesprächsangebot gemacht: Ich spreche gerne mit ihnen über meine Motive, die Sorgen der Mitglieder und meine Vorgeschichte. Ich weiß um meine Geschichte und ich stehe zu meiner Geschichte.“
Ich weiß um meine Geschichte und ich stehe zu meiner Geschichte
Jahn sitzt auch noch als sachkundige Einwohnerin der Grünen im Stadtentwicklungsausschuss. Auch diesen möglichen Interessenskonflikt mit ihrem Job für einen Immobilienentwickler kritisiert Bezirksbürgermeisterin Siebert in dem Brief. Die Fraktion verteidigte ihr Amt aber (wir berichteten 2022).
Unna verteidigt Jahn
Andere sehen Jahns Rolle anders als ihre Kritiker, beispielsweise das langjährige Ratsmitglied Ralf Unna. Er war auch Teil der Fraktion im Jahr 2018, sie segnete den Stadtwerke-Deal als einzige beteiligte Fraktion sogar mehrheitlich ab. Unna sitzt heute noch im Rat.
Seiner Aussage nach habe Jahn einen Fehler gemacht, „aber Menschen dürfen auch Fehler machen. Ich gehe davon aus, dass sie geläutert ist und bereit ist, ihre Erfahrung einzubringen. Das unterstütze ich und plädiere dafür, das Thema am Mittwoch in der Fraktion zu besprechen.“ Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) geht davon aus, dass Jahn ihre Kandidatur mit dem Spitzenpersonal aus Bund und Land und Stadtrat abgesichert hat.
Jahn hat laut eigener Aussage Lehren gezogen
Die Frage bis zum Wahltag ist: Setzt sich Unnas Position durch oder die der Kritiker? Ein wichtiger Faktor ist, dass die Grünen sich seit 2018 mehr als verdoppelt haben. Viele der Neumitglieder wissen von der Stadtwerke-Affäre vermutlich wenig. Welchem Lager sie sich anschließen, könnte Mitte März wichtig werden, falls der Termin bleibt. Alles halb so wild und vergessen? Oder doch eine zu große Hypothek für Jahn?
Jahn sagte am Dienstag: „Wir als Grüne und auch ich haben die Stadtwerke-Affäre aufgearbeitet und ich habe meine Lehren daraus gezogen. Ich bin jetzt gefestigter als damals. Ich hoffe, die Mitglieder nehmen mein Angebot an, aber am Ende ist es eine demokratische Wahl.“
Wechsel zum Lobbyverein
Ihre Beteiligung an der Stadtwerke-Affäre ist nicht das einzige Problem, auch ihren Abgang 2019 zum Lobbyverein Metropolregion Rheinland sehen Mitglieder kritisch.
Eine Ausschreibung des Geschäftsführerpostens bei dem überwiegend aus Steuergeldern finanzierten Verein hat es damals nicht gegeben, Jahns Bewerbung blieb bis zuletzt geheim. Und um andere nicht leer ausgehen zu lassen, wurde die Aachener CDU-Politikerin Ulla Thönnissen zur Co-Geschäftsführerin bestellt. Anfangs hatte der Verein zwei Geschäftsführerinnen – und drei weitere Angestellte. Jahn verteidigte den Wechsel als persönliche Entscheidung.
In dem Brief von Siebert heißt es über mögliche Kooperationsverhandlungen mit anderen Parteien: „Jahn würde dann einerseits mit ihren alten Klüngel-Kumpels Petelkau und Kienitz verhandeln, andererseits mit einer gestärkten Linke-Fraktion und Volt-Fraktion – die es sich ganz bestimmt nicht nehmen lassen werden, im Wahlkampf ihre Rolle in der Stadtwerke-Affäre, den unausgeschriebenen Metropolregion-Job und ihre Tätigkeit im Stadtentwicklungsausschuss anzuprangern.“
Übersicht der Ereignisse
Mai 2014: Die Grünen-Fraktion im Stadtrat wählt sie zur Vorsitzenden.
April 2018: Die Stadtwerke-Affäre wird öffentlich, der Deal von SPD, CDU und Grünen um mehrere Führungsposten in städtischen Gesellschaften platzt. Sie verteidigt das Vorgehen, weil eine Koalition von CDU und SPD im Raum stand, wenn die Grünen nicht zustimmen würden. Die Grünen waren im Bündnis mit der CDU.
Januar 2019: Jahn wird Geschäftsführerin des Lobbyvereins Metropolregion Rheinland mit Sitz in Köln. Die Stadt Köln ist ein Mitglied. Auch ihre Fraktion wird von Jahns Jobwechsel überrascht. Die Geografin hatte den hoch dotierten Job ohne eine öffentliche Ausschreibung erhalten. Von Klüngel ist erneut die Rede.
Februar 2019: In ihrer letzten Ratssitzung vor ihrem Ausscheiden sagt Jahn, sie verwehre sich dagegen, ihre Situation auch nur im Ansatz mit der Stadtwerke-Affäre zu vergleichen. „Ich habe mich wegen meiner Ausbildung und meinem Werdegang in zwei Besetzungsverfahren durchgesetzt, und ich hätte mich auch einer öffentlichen Ausschreibung gestellt.“
Dezember 2020: Jahn wird für die Grünen als sogenannte sachkundige Einwohnerin Mitglied des Stadtentwicklungsausschusses des Stadtrates.
Januar 2022: Jahn scheidet bei der Metropolregion aus.