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Erstmals seit 2021 nicht WahlsiegerIm Rennen um die Zweitstimmen endet die grüne Welle in Köln

Lesezeit 6 Minuten
Köln, RSK, Wahlabend bei den Grünen

Erstmals seit 2017 holen die Grünen nicht genug Zweitstimmen, um stärkste Kraft in Köln zu werden. Zwei Direktmandate gewinnen sie trotzdem.

Grüne und CDU haben sich in Köln ein enges Rennen bei den Zweitstimmen geliefert: Erstmals seit 2017 sind die Grünen nicht mehr stärkste Kraft.

Die CDU gewinnt die Wahl bei den Zweitstimmen in Köln, doch Grund zu Freude herrscht bei der Union nicht, sie holt über die Erststimmen keines der vier Direktmandate. Diese gehen je zweimal an die SPD und die Grünen. Im Gesamtergebnis landet die SPD mit Abstand auf Rang drei.

Völlig überraschend holt die Linke mit knapp 15 Prozent ihr bestes Ergebnis aller Zeiten in Köln. Die Kreisvorsitzende Nadine Mai sagt: „Ich bin völlig überwältigt, damit haben wir überhaupt nicht gerechnet.“ Laut ihrer Aussage habe der Partei die gemeinsame Abstimmung der CDU mit der AfD im Bundestag genützt. „Das war ein Dammbruch, der uns total geholfen hat.“ Wir geben Ihnen einen Überblick über die vier Kölner Wahlkreise.

So hat der Wahlkreis 92: Köln I gewählt

Spannender hätte es kaum sein können: Die beiden Bundestagsabgeordneten Sanae Abdi von der SPD und Serap Güler von der CDU liefern sich im Kölner Südosten ein Kopf-an-Kopf Rennen, das am Sonntag erst tief in der Nacht endet – mit einem neuerlichen Triumph für Abdi. 456 Stimmen geben den Ausschlag, so viele Kölnerinnen und Kölner mehr hatten für die 38-Jährige gestimmt. In Prozent der Wählerstimmen lag Abdi bei 24,9 und Güler bei 24,6. „Dass wir den Wahlkreis halten konnten, war sehr wichtig für uns als Kölner SPD“, sagt Abdi. Und: „Zu sehen, dass so viele Menschen mir ihre Stimme geschenkt haben, tut gut.“

Die SPD-Kandidatin Sanae Abdi freut sich über ein knappes Direktmandat, ist vom bundesweiten Wahlergebnis aber enttäuscht.

Die SPD-Kandidatin Sanae Abdi freut sich über ein knappes Direktmandat, ist vom bundesweiten Wahlergebnis aber enttäuscht.

Bei den vergangenen Bundestagswahlen 2021 war Abdi noch die Kölner Überraschung, als Newcomerin hatte sie den traditionell hart umkämpften Wahlkreis für sich entschieden und war in den Deutschen Bundestag eingezogen. Auch diesmal war im Vorfeld der Wahlen klar, dass es wieder eng werden würden in der Innenstadt, Kalk und Porz. Güler war zu Abdi in den Wahlkreis gewechselt und wollte ihn für ihre Partei zurückerobern. In der Nacht war klar: Güler hat es geschafft.

Roman Schulte von den Grünen erzielte das drittbeste Ergebnis, dahinter folgten Fabian Jacobi von der AfD, Kalle Gerigk von den Linken und Fardad Hooghoughi von der FDP. Abdi hatte ihr Team nach der langen und nervenaufreibenden Wahlnacht für ein Jubel-Frühstück am Sonntagmorgen eingeladen. Anschließend geht es für sie nach Berlin, das Zugticket hatte sich vorsorglich schon gebucht.

Das sind die Ergebnisse aus dem Wahlkreis 93: Köln II

Am Ende ist es eine klare Sache: Platzhirsch Sven Lehmann hat zum zweiten Mal direkt den Wahlkreis 93 im Kölner Südwesten gewonnen. 2021 hatte Lehmann Historisches geschafft: Er gewann damals das erste Kölner Direktmandat für die Grünen. Danach wurde Lehmann Staatssekretär im Familienministerium und Queer-Beauftragter der Bundesregierung. Er saß auch schon 2017 bis 2021 Bundestag. Lehmann sagt: „Ich bin stolz darauf, die Grünen-Hochburg verteidigt zu haben.“ Das sei ihm besonders wichtig gewesen.

Die Grünen in Köln feiern am Wahlabend den Sieg ihres Direktkandidaten Sven Lehmann.

Die Grünen in Köln feiern am Wahlabend den Sieg ihres Direktkandidaten Sven Lehmann.

Er liegt am Ende deutlich vor CDU-Quereinsteiger Daniel Otte, der Anwalt ist erst vor wenigen Monate in die Politik eingestiegen. Otte spricht deshalb am späten Abend von einem „Achtungserfolg“. Er ist während des Telefonats unterwegs zur Wahlparty der Grünen, um Lehmann zu gratulieren. Otte sagt: „Das Ergebnis ist schon enttäuschend. Wir hatten uns mehr ausgerechnet.“

Die 69 Jahre alte Schauspielerin und Schriftstellerin Renan Demirkan (SPD) liegt mit gut 16 Prozent abgeschlagen auf Rang drei, kann demnach nicht in den Kampf um das Direktmandat eingreifen. Sie sagt: „Das mit dem Lachen fällt mir gerade sehr schwer. Wenn es traurig ist, sollte man die Trauer auch zulassen. Das hilft dabei zu reflektieren, was wir besser machen müssen.“ Die Kandidatin der Linken, Lea Reisner, schafft es sogar in den Bundestag, sie sagt: „Es ist abgefahren, ich bin völlig baff.“

So ging die Wahl im Wahlkreis 94: Köln III aus

Es ist Mitternacht, als im Nordwesten der Stadt ein Denkmal vom Sockel stürzt. Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, muss bei seinem siebten Anlauf seit 2002 zum ersten Mal das Direktmandat abgeben – an Katharina Dröge, die den gleichen Job für die Grünen in Berlin macht.

Kölner Grünen-Direktkandidatin Katharina Dröge feiert ihren Wahlsieg auf der Wahlparty in Berlin.

Kölner Grünen-Direktkandidatin Katharina Dröge feiert ihren Wahlsieg auf der Wahlparty in Berlin.

Die beiden liefern sich den ganzen Abend über einen Auszählungskrimi, bei dem Dröge letztlich mit hauchdünnem Vorsprung von rund 0,3 Prozent die Nase vorn hat. Es ist das Duell zweier Verlierer der Ampelkoalition, beide werden aber in den Bundestag zurückkehren. Mützenich wohl sogar mit der SPD als Juniorpartner in einer schwarz-roten Koalition und Dröge erneut als Fraktionsvorsitzende ihrer Partei. Mützenich gibt den Fraktionsvorsitz noch am Wahlabend ab.

Beide, das werden die Wahlanalysen wohl zeigen, haben vor allem an die Linke verloren, deren Kandidatin Nadine Mai es auf überraschende 11,2 Prozent bringt. Bei den Zweitstimmen liegen die Grünen am Ende mit 21,9 Prozent vor der SPD (19,9) und der CDU (19,3). Auch hier überrascht die Linke mit einem völlig unerwarteten Ergebnis von 16,4 Prozent. Die AfD kommt über 11,2 Prozent nicht hinaus, die FDP verpasst mit 3,4 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde in diesem Wahlkreis deutlich. Auch das BSW bleibt mit knapp 4,3 Prozent unter dieser Marke.

Die Ergebnisse des Wahlkreises 100: Köln IV-Leverkusen

Auf Bundesebene musste Karl Lauterbach als Bundesgesundheitsminister der SPD eine herbe Schlappe einstecken, in seinem Wahlkreis Leverkusen/Köln IV holte er trotz dramatischer Verluste wieder das Direktmandat. Der 61 Jahre alte Mediziner zieht damit zum sechsten Mal in Folge auf direktem Weg in den Deutschen Bundestag ein.

Lauterbach bedankte sich bei den „Mitbewerbern“ auf das Mandat für einen „sehr fairen“ Wahlkampf . Und bei den Grünen-Wählern dafür, dass viele ihre Stimme geteilt hätten und ihm die Erststimme gaben. „Es gibt viel zu tun, die demokratischen Kräfte müssen zusammenhalten“, sagte Lauterbach. Er wolle sich für einen Schuldenerlass stark überschuldeter Kommunen einsetzen und für verbesserte Bedingungen der energieintensiven Industrie.

Karl Lauterbach holt sich trotz massiver Verluste zum sechsten Mal in Folge ein Direktmandat.

Karl Lauterbach holt sich trotz massiver Verluste zum sechsten Mal in Folge ein Direktmandat.

Bei der Wahl 2021 während der Corona-Pandemie hatte Lauterbach auf die damalige CDU-Gegenkandidatin 25,2 Prozentpunkte Vorsprung. Der schmolz am Sonntag heftig zusammen: Siegmar Heß wurde Lauterbach zwar nicht ernsthaft gefährlich, holte aber deutlich auf. Heß verwies darauf, dass Lauterbach als Gesundheitsminister deutlich mehr Medienpräsenz habe: „Unter den gegebenen Bedingungen ist das ein sehr ordentliches Ergebnis.“ Er sprach von einem „sehr deutlichen Sprung nach vorn“.

Einen Platz auf der NRW-Landesliste der SPD hat Lauterbach erneut nicht in Anspruch genommen, auf dieses Sicherungsnetz verzichtete er. Seine große Hoffnung vor den Wahlen war, als Gesundheitsminister weitermachen zu können. Seine Herzens-Reform mit dem Namen „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ hatte er nach dem verfrühten Aus der Ampel-Koalition zwar noch durchbekommen, er sieht aber weiteren Reformbedarf im Gesundheitswesen und würde gern dafür sorgen, dass sein Gesetz nicht von einer neuen Regierung verwässert wird.

Nyke Slawik von den Grünen landete auf Rang drei, wird aber über die Landesliste wohl erneut in den Bundestag einziehen. Dort wolle sie ihre erfolgreiche Verkehrspolitik fortsetzen, sagte sie.