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Hoher NRW-Kripobeamter geht in Pension„Schon an meinem ersten Tag fielen Schüsse“

Lesezeit 4 Minuten
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Dieter Schürmann auf Aufnahmen der Duisburger Kripo Anfang der 80er Jahre

Düsseldorf – Die dreiteiligen Fotos werden von der Polizei erstellt, um Straftäter erkennungsdienstlich zu behandeln und zu registrieren. Es gibt wohl nur wenige Abzüge, die sich später in einem Bilderrahmen wiederfinden. Und doch zierten diese Aufnahmen viele Jahre ein Büro im Düsseldorfer Innenministerium, das jetzt geräumt wurde. Dieter Schürmann, der ranghöchste Kriminalpolizist von NRW, geht in Pension.„Das Foto zeigt mich, als ich verdeckter Ermittler in Duisburg war“, sagt der 65-Jährige und schmunzelt. „Die Aufnahmen konnten bei der Vernehmung von echten Kriminellen vorgelegt werden und sollten meine Glaubwürdigkeit in der Szene erhöhen.“

Von 2010 an war Schürmann zehn Jahre lang der Chef der Kriminalpolizei in NRW. Der Landeskriminaldirektor sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr in Pension gehen, aber auf Wunsch von Innenminister Herbert Reul (CDU) verlängerte er seine Dienstzeit. Jetzt ist aber endgültig Schluss. Der Mann, der schon mal mit Cowboystiefeln zum Dienst kam, hat die Kartons mit den Erinnerungsstücken gepackt.

Schießerei am ersten Tag bei der Kripo

Die Fahndungsfotos stammen aus der Zeit Anfang der 80 Jahre. Damals hat Schürmann gerade bei der Polizei angefangen. Der groß gewachsene Sohn aus einer Gastwirtsfamilie ist nach Einschätzung seiner Vorgesetzten ein idealer Lockvogel. „Es ging darum, Scheinkäufe zu tätigen. Wir hatten einen Koffer voll Geld dabei und sollten damit Kokain oder Haschisch kaufen. Sobald klar war, dass das Geschäft zustande kommen würde, haben die Kollegen zugegriffen“, erzählt Schürmann.

Das war nicht ganz ungefährlich. „Schon an meinem allerersten Tag bei der Kripo fielen Schüsse. Als ich das abends meinem Vater erzählt habe, dachte der, ich würde ihn veräppeln.“

Die Geschichten, die Schürmann erzählt, sind unterhaltsam – manche werfen zugleich ein Schlaglicht auf die oft improvisierte Polizeiarbeit in den 70er und 80er Jahren. „Ich habe sogar mal meinen eigenen Wagen, einen froschgrünen Ford-Capri, bei einem Einsatz als Zivilwagen genutzt“, erinnert er sich, „das wäre heute undenkbar.“

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Dieter Schürmann in seinem Büro bei der Duisburger Kripo in den 80er Jahren

Der unkonventionelle Ermittler wird schon bald zur Mordkommission versetzt. Im Duisburger Polizeipräsidium trifft er auf zwei Schauspieler, die gerade bei der Kripo hospitieren: Götz George und Eberhard Feik, alias Horst Schimanski und Christian Thanner. „Die beiden haben tatsächlich einiges aus unserem Alltag im KK 11 abgekupfert. Zum Beispiel den Gag, dass Thanner immer Kaffee gekocht hat, aber nie selbst eine Tasse abbekam, weil die Kollegen immer schneller waren.“

Fälle wie Drehbücher für Kinofilme

Auch das bisweilen robuste Vorgehen im Einsatz fand sich im „Tatort“ wieder. „Bei bestimmten Pappenheimern wurde erst die Türe eingetreten und dann geklingelt.“Filmreif waren auch manche Fälle. Schürmann erinnert sich an einen Mord in Spanien – unter der Leiche eines Holländers wird der Pass eines Mannes aus NRW gefunden.

Der Inhaber bekräftigt glaubhaft, der Ausweis sei ihm von einer bestimmten Person gestohlen worden. Schürmann und ein Kollege nehmen die Fährte auf und jagen dem vermeintlichen Hauptverdächtigen hinterher. Als nach langer Zeit endlich die Handschellen klicken, kommt es bei der Gegenüberstellung auf dem Präsidium zu einer faustdicken Überraschung.

Ein wichtiger Zeuge weist die Ermittler darauf hin, dass sie den falschen Mann geschnappt hatten. „Wir konnten es nicht fassen. Der Mörder war tatsächlich der Mann, dessen Pass unter der Leiche gefunden wurde. Mit dem hatten wir vor der Gegenüberstellung noch in unserem Büro Kaffee getrunken.“

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Der Erfolg von Polizeiarbeit hängt oft von Zufällen ab. Als Landeskriminaldirektor steht Schürmann oft im Rampenlicht, wenn es darum geht, die Misserfolge erklären. Zehn Jahre lang gingen so gut wie alle relevanten Vorgänge über seinen Schreibtisch. Was lief schief beim Loveparade-Einsatz? Warum wurde die Mordserie der NSU nicht früher entdeckt? Wieso wurde Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri nicht rechtzeitig gestoppt, obwohl die Sicherheitsbehörden in NRW ihn im Visier hatten?

Und wieso wurde der Syrer Amad A., der an den Folgen eines Zellenbrands starb, bei seiner Verhaftung mit einem Schwarzafrikaner verwechselt? Wenn in NRW nach Polizeiskandalen Parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingesetzt wurden, sitzt Schürmann regelmäßig im Zeugenstand. „Das ist etwas, was ich sicher nicht vermissen werde“, sagt der langjährige Kripo-Chef.

Verantwortung für falsche Annahmen vor Kölner Silvesternacht übernommen

Im Fall der Kölner Silvesternacht dauert die Befragung mehrere Stunden. Zahlreiche Pannen bei der Polizei hatten die massenhaften Übergriffe auf junge Frauen rund um den Hauptbahnhof begünstigt. Der damalige Innenminister Ralf Jäger (SPD) gerät massiv unter Druck. Was hat der Vertraute von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gewusst? Schürmann stellt seine Loyalität unter Beweis und übernimmt die Verantwortung für Fehleinschätzungen.

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Geht in den Ruhestand: Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann.

Obwohl Schürmann jetzt in Pension geht, will die Landregierung nicht ganz auf seine Expertise verzichten. Der 65-Jährige soll bei der Qualitätssicherung mithelfen und hofft, weiter einige Impulse setzen zu können. Der gebürtige Ostwestfale ist der Meinung, dass die Ausbildung für Kripobeamte noch gezielter erfolgen soll.

Und er kämpft leidenschaftlich für die Vorratsdatenspeicherung: „Niemand regt sich darüber auf, wenn die Banken unsere Kontobewegungen jahrelang speichern und daraus Bonitätsbilder erstellen. Aber wenn es darum geht, schwerste Straftaten zu verhindern, haben wir kein Vertrauen in den Staat. Das regt mich auf“, sagt Schürmann.

Zum Abschied erhielt er von den Kollegen eine Ballonfahrt.Sein Nachfolger wird Johannes Herrmanns. Er leitete zuletzt das Referat im Innenministerium, das für Organisierte Kriminalität zuständig ist.