Lagebild zur KriminalitätNRW-Polizei registriert deutlich mehr Straftaten durch Clans
Lesezeit 3 Minuten
Die Polizei hat einen neuen Lagebericht zur Clankriminalität in NRW vorgestellt.
Demnach ist das Ausmaß der kriminellen Handlungen, besonders im Ruhrgebiet, im Vergleich zu den Vorjahren weiter gewachsen.
Doch was bedeutet das im Detail? Und wie geht die Polizei gegen Clans vor? Die Hintergründe.
Düsseldorf – Seine Verbrecher-Karriere begann er im Alter von elf Jahren: Der Jungkriminelle aus dem türkisch-libanesischen Clan-Milieu im Ruhrpott brach in seine Schule ein, klaute in Geschäften, verprügelte mit Kumpels andere Schüler oder raubte sie aus. Er bedrohte Kinder mit einem Messer. Als die Lehrerin ihn zurechtwies, schlug der so Getadelte einfach zu. „Als ob ich Angst vor Ihnen hätte. Ich steche hier alle ab. Ich hau’ sie kaputt“, drohte der Schläger.
Der Junge stammte aus einer einschlägig bekannten Großfamilie. Drei seiner älteren Geschwister füllen etliche Strafakten, sein Vater ebenfalls. Doch der Jüngste der Sippe toppte alles. Bald tauchte er in der Intensivtäterdatei auf: Gefährliche Körperverletzung, Bandendiebstähle, Drogendelikte folgten. Bei Revierkämpfen machte er gegnerischen Clan-Angehörigen klar, „wer hier das Sagen hat.“ Heute ist der Delinquent gerade 19 Jahre alt. Sein Strafregister weist bereits 24 Einträge auf. Derzeit sitzt der Serientäter zwei Jahre und fünf Monate wegen Fahrens ohne Führerschein in fünf Fällen ab.
Ein Drittel der Straftaten
Gut fünf Prozent von Clanmitgliedern verübten im vergangenen Jahr fast ein Drittel aller Straftaten, die durch türkisch-arabischstämmige Großfamilien an Rhein und Ruhr begangen wurden. Dies geht aus dem zweiten Lagebild „Clankriminalität“ hervor, das NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und der Leitende Kriminaldirektor des Landeskriminalamts (LKA) NRW, Thomas Jungbluth, am Montag vorgestellt haben. Demnach stiegen die Fallzahlen verglichen mit 2018 um mehr als 30 Prozent auf 6104.
Jede dritte Straftat drehte sich um Gewalt. Gleich sieben versuchte Tötungsdelikte zählt der Report auf, gefolgt von Betrügereien (15,4 Prozent), Diebstahl und Einbruch (14 Prozent). „Dies macht klar, dass Clankriminalität keine Kleinkriminalität ist“, erklärte Reul, der hinzufügte, dass man einen langen Atem brauche, um das Phänomen wirksam zu bekämpfen.
Kriminelle Familienzweige
Nach seinen Angaben zahlt sich die „Politik der 1000 Nadelstiche“ inzwischen spürbar aus: Seit der Unions-Politiker den Kampf gegen die kriminellen türkisch-arabischstämmigen Familienzweige vor zwei Jahren forcierte, verzeichneten die Strafverfolger 1400 Kontrollaktionen mit dem Schwerpunkt im Ruhrgebiet, 570 Festnahmen sowie 10000 Verwarngelder. Allein in 15 Verfahren auf dem Feld der Organisierten Kriminalität (OK) wurden knapp zwei Millionen Euro abgeschöpft.
Aus Sicht von LKA-OK-Chef Jungbluth gibt es zwei Gründe für die eklatante Zunahme der Fälle: Zum einen habe sich „der Verfolgungsdruck durch die Polizei erhöht“. Zum anderen habe man schwere Verkehrsdelikte wie Unfallflucht, Fahren ohne Führerschein oder die unter Clan-Machos häufiger gepflegten illegalen Autorennen mit hochgetunten Sportwagen in die Statistik aufgenommen. So stellten Zivilfahnder in Essen bei einer Großrazzia im Revier unter anderem einen Audi R 8 im Wert von 250000 Euro sicher. Der Fahrer war gerade im Begriff gewesen, sich mit einem Konkurrenten aus dem Clan-Milieu auf einer Schnellstraße ein Rennen zu liefern.
Um mehr als ein Drittel kletterte auch die Zahl der Tatverdächtigen auf 3779. Inzwischen registriert das LKA kriminelle Ableger aus 111 Großfamilien. Jede fünfte Tat soll auf das Konto der beiden mächtigsten Clans Omeirat und El Zein gehen.
Hotspot Essen
Als absoluter Clan-Hotspot firmiert Essen mit 852 Delikten im Jahr 2019. Die Ruhrschiene bildet seit der Zuwanderung durch Großfamilien aus dem Libanon neben Berlin und Bremen das Hauptoperationsgebiet. Auf Platz sieben rangiert allerdings bereits Köln mit 246 Straftaten.
Inzwischen verfügt die Hälfte der kriminellen Clanmitglieder über einen deutschen Pass. Dieser Umstand belege, so Jungbluth, dass das viel beschworene Mittel der Abschiebung hier nicht greife.
An erster Stelle stehe bei den Clans die Familienehre, die es zu verteidigen gelte – die Staatsgewalt gelte demnach nichts. An den Sicherheitsbehörden sei es nun, durch Repression und Prävention das Entstehen „einer Parallelwelt“ zu verhindern.