SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty wirft NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unverantwortliches Handeln in der Bewältigung des Coronavirus-Ausbruchs im Kreis Gütersloh vor.
Kutschaty fordert weitreichende Lockdown-Maßnahmen im Kreis.
Der SPD-Landespolitiker würde keine Tönnies-Fleischwaren kaufen. Ein Interview.
Herr Kutschaty, die Landesregierung will im Kreis Gütersloh trotz der hohen Infektionszahlen noch keinen Lockdown verhängen. Was halten Sie davon?
Was Armin Laschet in der aktuellen Situation macht, ist brandgefährlich. Damit riskiert er eine zweite große Infektionswelle, die sich über ganz Deutschland ausbreiten kann. Das ist unverantwortlich. Er setzt sich zudem über die Absprache der Ministerpräsidenten hinweg, die einen Lockdown vorsehen, wenn in einem Kreis 50 von 100.000 Menschen neu infiziert sind. Im Kreis Gütersloh liegt der Wert bei zirka 180. Infiziert sind aber über 1000 Personen. Laschet war der Erste, der Lockerungen gefordert hat. Jetzt will er nicht der Erste sein, der einen Lockdown verhängen muss, weil das als Scheitern seiner Politik gewertet würde. Schließlich bewirbt er sich um den CDU-Bundesvorsitz und träumt davon, Bundeskanzler zu werden.
Welche Maßnahmen halten Sie denn in der aktuellen Situation für angemessen?
Die Schritte, die uns im März aus der Krise geführt haben, könnten auch jetzt helfen. Das wichtigste Mittel ist aus meiner Sicht, die Kontaktbeschränkungen wieder einzuführen. Größere Versammlungen sollten also vorerst wieder verboten werden und Einrichtungen wie Schwimmbäder vorübergehend wieder zu machen. Auch die Schließung von Geschäften und Restaurants muss man jetzt leider in den Blick nehmen.
Das würde die Kinder zu Beginn der Sommerferien hart treffen….
Das ist ja das Schlimme. Kinder und Familien sind die Leidtragenden für eine Politik, die zu lange nicht genau hinschauen wollte. Covid-19 ist kein einfacher Schnupfen, sondern bedroht Menschenleben. Je konsequenter wir das Virus isolieren, umso schneller können die Maßnahmen wieder gelockert werden. Jeder Tag, den wir ohne Lockdown vor Ort ins Land ziehen lassen, birgt die Gefahr, dass das Virus sich von Gütersloh aus unkontrolliert ausbreitet.
Der Fleischhersteller Tönnies ist offenbar die Keimzelle des neuen Infektionsgeschehens. Sollten Verbraucher die Firmen-Produkte boykottieren?
Auf der Verpackung steht ja nicht darauf, dass die Wurst von Tönnies kommt – aber das sollte es eigentlich. Der Handel muss seine Lieferketten transparent machen, um dem Verbraucher eine faire Kaufentscheidung zu ermöglichen. Ich persönlich würde keine Fleischwaren von Tönnies kaufen, wenn ich das genau erkennen könnte. Vegetarier bin ich allerdings seit dem Tierskandal auf dem Hof der ehemaligen Umweltministerin Schulze Föcking.
Clemens Tönnies gilt als Unterstützer der CDU. Haben Sie den Verdacht, dass bei den Corona-Kontrollen in der Firma zuletzt ein Auge zudrückt wurden?
Tönnies hat der CDU Geld gespendet. Das ist erst einmal nichts Verwerfliches. Problematisch wird es, wenn daraus eine zu enge Nähe wird. Es gibt aber auch merkwürdige Querverbindungen zwischen Tönnies und dem CDU-Landrat Adenauer. Der hat einen Nebenhandel mit eingelegten Gurken gestartet – gemeinsam mit einem Biohof. Die Gläser wurden bis vor Kurzem auch im Werksverkauf von Tönnies angeboten. Auch bei einem Tönnies-Gewinnspiel gab es Gläser mit den Adenauer-Gurken zu gewinnen. Ob es weitere Verflechtungen zwischen Politik und Unternehmen gibt, muss aufgeklärt werden. Zu den Tests im Mai haben wir viele offene Fragen.
Welche Fragen haben Sie genau zu den Tests?
Wenn tatsächlich Corona-Tests auch im Unternehmen Tönnies selbst durchgeführt und in dessen Laboren ausgewertet worden sein sollten, hätte man den Bock zum Gärtner gemacht. Die Frage ist auch: Wer ist da eigentlich getestet worden? Bis zum vergangenen Wochenende lagen doch noch gar nicht alle vollständigen Personaldaten vor.
Wenn die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie verbessert werden, steigen die Preise. Darf Fleisch ein Luxusgut werden?
Nein. Aber es steht außer Diskussion, dass Arbeitsbedingungen wie in der Sklavenhaltung in der Fleischindustrie ein Ende haben müssen. Armin Laschet muss die Union jetzt auf Kurs bringen, damit das Verbot der ausbeuterischen Werksverträge durch die Bundesregierung schnellstmöglich umgesetzt werden kann.
Die Umfragewerte des Ministerpräsidenten sinken wieder. Die SPD kann davon derzeit allerdings nicht erkennbar profitieren. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Krisen sind immer die Stunde der Exekutive. Es stellt sich jetzt aber immer deutlicher heraus, dass Laschet ein schlechter Krisenmanager ist. Und zwar nicht nur im Umgang mit dem aktuellen Corona-Ausbruch im Kreis Gütersloh. Auch in der Schulpolitik hat die Landesregierung Eltern, Lehrer und Schüler mit ihrem Schlingerkurs verprellt. Die Corona-Krise hätte zu einem großen Bildungsaufbruch genutzt werden können – vor allem im Bereich des digitalen Unterrichts. Aber die Laschet-Regierung hat die Schulen und Lehrer mit Chaos im Stich gelassen.