Joe Biden warnt vor einem Angriff auf die Demokratie und spielt dabei auf Donald Trump an.
„Ich werde nicht einknicken“Joe Biden spricht in Rede zur Lage der Nation über Putin, Trump – und sein Alter
US-Präsident Joe Biden hat bei der traditionellen Rede zur Lage der Nation vor den beiden Kammern des US-Kongresses in Washington zu wichtigen Themen wie dem Nahost-Konflikt, Wladimir Putin und die Situation in der Ukraine sowie der Kritik an seinem fortgeschrittenen Alter und zu seiner Gesundheit Stellung bezogen.
Der 81-jährige Demokrat prangerte die dramatische humanitäre Lage im Gazastreifen an und sicherte den Menschen dort weitere Hilfe zu. Israels Führung rief er zu einem besseren Schutz von Zivilisten auf. „Mehr als 30.000 Palästinenser wurden getötet, von denen die meisten nicht der Hamas angehören“, sagte Biden am Donnerstagabend (Ortszeit) in Washington. Kinder seien zu Waisen geworden, Menschen hätten ihre Häuser verloren und seien vertrieben worden. Viele seien ohne Nahrung, Wasser und Medizin. „Es ist herzzerreißend.“
Biden prangert humanitäre Lage in Gaza an und ermahnt Israel
Eindringlich wandte sich Biden an die israelische Führung, ihren Beitrag zu leisten zur humanitären Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung: „Israel muss mehr Hilfslieferungen nach Gaza zulassen und sicherstellen, dass die humanitären Helfer nicht ins Kreuzfeuer geraten“, mahnte der Demokrat. Die humanitäre Lage der Menschen in Gaza spitzt sich seit Wochen dramatisch zu. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treibt aber trotz laufender Verhandlungen über eine Waffenruhe die Bodenoffensive in Gaza voran und lässt humanitäre Hilfe beschränken.
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Die USA drängen Israel schon länger dazu, den Schutz der Zivilbevölkerung zu verstärken und mehr Hilfe für die Bevölkerung in Gaza zu ermöglichen. Zuletzt hatten hochrangige Vertreter von Bidens Regierung ihre Tonlage gegenüber Israel zunehmend verschärft. Das ließ Unmut erkennen, was den Widerhall ihrer Appelle bei der israelischen Führung angeht.
Biden: Werde vor russischem Präsidenten Putin „nicht einknicken“
Der US-Präsident nahm auch zum andauernden Krieg in der Ukraine Stellung und versicherte, er werde vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „nicht einknicken“. „Meine Botschaft an Präsident Putin, den ich schon lange kenne, ist einfach: Wir werden nicht einfach weggehen“, so der Demokrat zu Beginn der alljährlichen Ansprache im Kapitol. „Ich werde nicht einknicken.“
Biden forderte den Kongress auf, die seit Monaten blockierten Hilfen für das Land freizugeben. Wladimir Putin werde vor der Ukraine nicht Halt machen, betonte Biden. „Aber die Ukraine kann Putin stoppen, wenn wir sie unterstützen und mit den Waffen ausstatten, die sie zu ihrer Verteidigung braucht“, sagte er.
Joe Biden mit Spitze gegen Donald Trump
Seinem Vorgänger und möglichen Widersacher bei der kommenden US-Präsidentschaftswahl, Donald Trump, warf Biden vor, sich Russlands Präsident zu beugen. Dieser habe Wladimir Putin gesagt „tu, was immer du willst“, sagte Biden. „Ich finde das empörend, gefährlich und inakzeptabel.“
Unter dem Druck von Trump blockieren die Republikaner im Kongress seit Monaten ein neues Ukraine-Hilfspaket in Höhe von 60 Milliarden Dollar (rund 55,7 Milliarden Euro). Sie fordern im Gegenzug für ihre Zustimmung härtere Maßnahmen zur Sicherung der US-Grenze zu Mexiko. Immer wieder hatte Biden das Repräsentantenhaus aufgefordert, die Blockadehaltung aufzugeben.
Joe Biden gab in seiner Rede zu verstehen, dass er in Trump eine Gefahr sehe und vor einem Angriff auf die US-Demokratie gewarnt. Ohne Trumps Namen zu nennen, attackierte er immer wieder seinen wahrscheinlichen Konkurrenten bei der anstehenden Präsidentschaftswahl. Er wolle „den Kongress aufwecken und das amerikanische Volk auf die Gefahr aufmerksam machen“, sagte der 81-Jährige in der mehr als einstündigen Ansprache.
Joe Biden spricht über sein Alter und seinen Gesundheitszustand
Bei der traditionellen Rede zur Lage der Nation sprach Biden auch ein Reizthema an und äußerte sich zu seinem fortgeschrittenen Alter. „In meiner Laufbahn hat man mir immer wieder gesagt, ich sei zu jung und zu alt. Ob jung oder alt, ich habe immer gewusst, was Bestand hat“, sagte der 81-Jährige. Es sei die Idee Amerikas, dass alle gleich geschaffen seien und es verdienten, das ganze Leben lang gleich behandelt zu werden. „Wir sind dieser Idee nie ganz gerecht geworden, aber wir haben uns auch nie von ihr entfernt. Und ich werde mich auch jetzt nicht von ihr entfernen.“
Bidens Alter gilt als seine größte Bürde im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf. Der Demokrat war 2021 als ältester Präsident aller Zeiten ins Weiße Haus eingezogen und will bei der Wahl im November für eine weitere Amtszeit antreten. Sollte er erneut gewählt werden, wäre er am Ende seiner zweiten Amtszeit 86 Jahre alt. In Teilen der Bevölkerung und in Bidens eigener Partei hält sich der Enthusiasmus für seine Wiederwahlkampagne daher in Grenzen.
Der Demokrat macht regelmäßig Schlagzeilen mit Patzern und Versprechern. Bei der langen und viel beachteten Rede zur Lage der Nation, die diesmal mitten in den Präsidentschaftswahlkampf fiel, stand Biden deswegen unter besonderer Beobachtung.
Konkurrenten aus den Reihen der Republikaner, allen voran Bidens voraussichtlicher Herausforderer bei der Wahl im November, sein Amtsvorgänger Donald Trump, nutzen solche Fauxpas ausgiebig, um Bidens mentale und körperliche Fitness infrage zu stellen – auch wenn Trump selbst nur vier Jahre jünger ist und selbst regelmäßig peinliche Fehler macht. (pst mit dpa/afp)