Der Salzburger Theologieprofessor Gregor Maria Hoff sieht die Wirkungsgeschichte der katholischen Weltsynode in Rom schon jetzt belastet.
Katholische WeltsynodeDie Zeit für Reformen läuft ab
Von Gregor Maria Hoff
Vor zwei Jahren hat Papst Franziskus zu einem Projekt eingeladen, das für die katholische Kirche eine echte Neuerung darstellt. Sie soll zu einer synodalen Kirche werden. Mit Beteiligung des ganzen Volkes Gottes. Nach eingehender Befragung der Ortskirchen und intensiver Vorbereitung hat nun die erste Vollversammlung der Synode zum Thema Synodalität in Rom stattgefunden. Nächstes Jahr geht es weiter.
Das synodale Projekt von Papst Franziskus nimmt sich Zeit. Die braucht es, schließlich muss die katholische Kirche erst lernen, wie echte Synodalität geht. Und der Reformstau der katholischen Kirche lässt sich auch nicht mit einem Federstrich beheben. Nicht einmal von einem Papst, der „seine Vollmacht jederzeit nach Gutdünken ausüben kann“, wie das Zweite Vatikanische Konzil festhält. Denn ohne Resonanz im Volk Gottes lassen sich zwar Glaubenssätze definieren und Kirchenstrukturen festlegen, sogar Bischöfe zustimmungsfrei berufen oder im Amt halten. Aber auf Dauer geht die Glaubwürdigkeit kirchlicher Machtmonopolisten verloren. Und damit die des Evangeliums.
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Nirgendwo wird dies so deutlich wie im Missbrauchskomplex der katholischen Kirche. Seine systemischen Ursachen nahm der „Synodale Weg“ in Deutschland ins Visier. Der erschien dem Papst vom anderen Ende der Welt zu parlamentarisch. Statt offener Debatten mit Abstimmungen verordnete Franziskus seinen Synodalen nun Hörlektionen. Aufmerksamkeit für andere Ansichten, kombiniert mit Gebetszeiten als Echoräume des Heiligen Geistes – das scheint in Rom beeindruckt zu haben.
Brisante Themen kamen auf die Synodentische, um die sich in innovativer Sitzordnung Kardinäle, Bischöfe und andere Getaufte bis hin zu Frauen scharten. Man kam so weit voran, dass man sich darüber verständigte, dass man sich verständigen muss. Keine Kleinigkeit, denn an der Option für eine Zulassung von Frauen zum priesterlichen Amt bis hin zur Segnung von homosexuellen Partnerschaften gab es ein Beratungsmenü, das zwar von vielen weltkirchlich befragten Ortskirchen gewünscht, aber nicht nach dem Gusto dogmatischer Feinschmecker war. Hatten nicht die Päpste vor Franziskus endgültig geklärt, dass diese Reformrezepte ketzerische Zutaten empfehlen?
Also verlangten einige Kardinäle vor der Synode päpstliche Klarstellungen. Der gab der Tradition Recht, erklärte sie aber für entwicklungsoffen. Man müsse ihren Sinn neu zur Geltung bringen. War damit schon entschieden, wohin die Synode steuern sollte? Manche Bischöfe witterten eine feindliche Übernahme des katholischen Wahrheitsunternehmens.
Giftig ging es nicht nur im Vorfeld der römischen Synode zu. Scharfe Zwischenrufe gingen auch während der Versammlung, die unter weitgehendem Schweigegebot stand, vom synodalen Spielfeldrand ein. Ist eine Synode nicht Bischöfen vorbehalten? Und nun sollten Laien sogar abstimmen dürfen? Auf dem Synodalen Weg in Deutschland wurde dies bereits praktiziert - aus Sicht der römischen Kurie ein Unding. Doch dann machte Franziskus es auch für die Weltsynode möglich. Damit stellte sich für Glaubenshüter wie Kardinal Gerhard Ludwig Müller die Frage nach der Legitimität dieser hybriden Veranstaltung. Doch was der Papst will, kann er mit voller Amtsgewalt durchsetzen.
Das gilt auch für lehrmäßigen Umkehrschub in Sachen Sexualmoral und Frauenordination mit Volk-Gottes-Beteiligung. Die Synode beriet einfach. Konkrete Ergebnisse waren in diesem Oktober nicht zu erwarten. Aber immerhin 80 Prozent der Synodalen stimmten dafür, die Reformthemen im kommenden Jahr zu beraten und darüber zu entscheiden. Dem Konsens der Gläubigen wird dabei eine hohe Bedeutung zugesprochen.
Dass in der katholischen Kirche Diskursräume geöffnet werden, stellt einen echten Gewinn dar. Auch wenn vieles unter die Beratungsgebetstische fiel. Einerseits erwähnt die Synode in ihrem „Brief an das Volk Gottes“ die vielfältigen Krisen der Welt, andererseits konnte sie sich angesichts des Terrorangriffs der Hamas auf Israel nicht zu einer gemeinsamen Stellungnahme durchringen.
Dass ein Gebet für die Opfer und für den Frieden nicht reicht; dass sich Israel und Juden weltweit von der katholischen Kirche ein Signal belastbarer Solidarität erwartet hätten – das war vielen Synodalen bewusst. Aber ihr Bemühen um eine gemeinsame Erklärung der Synode scheiterte dem Vernehmen nach am Widerstand von Vertretern der Kirchen des Ostens, die ihre Sorge auf die palästinensischen Christen und die heiligen Stätten der Christenheit in Israel konzentrierten.
Das Schweigen der Synode belastet ihre Wirkungsgeschichte schon jetzt. Schließlich ist das Judentum nicht irgendein Partner für katholische Religionsdialoge. Es gehört konstitutiv zur Bestimmung der Kirche. Auf einer Synode, in der die Kirche über ihre Verfassung nachdenkt, findet dies keinen Ort?
Das ist Ausdruck gespannter Kirchenverhältnisse. Wie geht man auf Dauer mit Gegensätzen um? Was sich in pastoral unterschiedlich bespielten Räumen eine Zeit lang machen lässt, erlaubt auf Dauer keine Widerspruchseinheit. In Amazonien keine Zölibatspflicht, woanders doch? Frauen werden im einigen Teilen der Welt mindestens zum Diakonat zugelassen, in anderen nicht? Es braucht Entscheidungen, wohin diese Kirche in Zukunft steuert.
Ein Fingerzeig kann der erklärte Wille der Synode sein, dass sich von der Kirche niemand ausgeschlossen fühlen soll. Immerhin: Die synodale Performance zeigt, dass die katholische Kirche lernfähig ist. Schon das treibt Traditionswahrer auf die Barrikaden. Papst Franziskus hat den unterschiedlichen Kirchenperspektiven Nahrung gegeben. Aber es braucht mehr, um in kirchlichen Widersprüchen zusammenzubleiben. Kann eine synodale Kirche der Weg sein, auf dem sich katholische Gegensätze leben lassen? Politisch verhärtete Positionen haben in den USA und in vielen europäischen Ländern zu Lagerbildungen geführt, die Zusammenarbeit, geschweige denn Konsens schier unmöglich machen.
Kann die synodale Option eine Inspiration auch für demokratische Kulturen werden? Von denen will die katholische Kirchenführung nur etwas wissen, solange sie nicht die bischöflich-päpstliche Entscheidungsmacht betreffen. Kein Wunder also, dass das Thema Machtmissbrauch keine entscheidende Rolle für die synodalen Beratungen spielte. Aber gerade hier gilt: Die Zeit läuft ab. Nicht erst in einem Jahr.
Zur Person
Gregor Maria Hoff, geboren 1964 in Mönchengladbach, ist Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Universität Salzburg. Hoff war Berater beim „Synodalen Weg“ der katholischen Kirche in Deutschland. (jf)