Düsseldorf – Gut ein halbes Jahr vor dem folgenschweren Einsturz der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem hat der Geologische Dienst des Landes NRW sich zur Standsicherheit des Tagesbaus geäußert. Das geht aus einem Schreiben des Landesbetriebs an die Bezirksregierung Arnsberg hervor, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Darin steht, es beständen „starke Bedenken gegen die Standsicherheit“ des Böschungssystems. Diese sei „durch keins der bisher eingereichten Gutachten nachgewiesen worden.“
Das Schreiben war am Freitag auch ein Thema in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschuss Flut im Düsseldorfer Landtag vor der Landtagswahl. Dort war NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart als Zeuge vorgeladen. Der FDP-Politiker erklärte, er habe erst aus den Medien von dem Schreiben erfahren. Der WDR hatte zuerst über den Vorgang berichtet.
Das Wirtschaftsministerium ist als Aufsichtsbehörde für die Bergbauaufsicht in NRW zuständig. Johannes Remmel, Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, erklärte, Pinkwart habe „seine Fachaufsicht vernachlässigt“. Hier zeige sich „erneut das Bild einer Landesregierung, die ihrer Verantwortung nicht nachgekommen“ sei.
Die Opposition kritisierte zudem, Pinkwart haben das Parlament nach der Flutkatastrophe nicht vollständig über seine Erkenntnisse zum Einsturz der Grube informiert. Ein Referatsleiter hatte den Minister am 24. August darüber in Kenntnis gesetzt, dass es möglicherweise schwerwiegende Versäumnisse beim Hochwasserschutz an der Kiesgrube gab. „Diese brisanten Informationen wurden dem Fachausschuss aber nicht mitgeteilt“, sagte Stefan Kämmerling, Obmann der SPD. Pinkwart verteidigte das Vorgehen. Bei dem Bericht des Referatsleiters habe es sich nur um Mutmaßungen gehandelt. Daher habe er „keine Vorverurteilungen“ aussprechen wollen.
Gutachter war möglicherweise befangen
Wie sich jetzt herausstelle, war einer der Gutachter, die von der Bezirksregierung Arnsberg eingesetzt wurden, um den Unterausschuss für Bergbausicherheit über den Einsturz der Grube zu unterrichten, 2015 selbst für den Grubenbetreiber an der Konzeption der Hochwasserschutzpläne beteiligt. „Es ist mehr als fraglich, ob dieser Gutachter über die nötige Neutralität verfügt, um das Geschehen aufzuarbeiten“, so Kämmerling. Er habe schließlich seine eigene Arbeit begutachten müssen.
Pinkwart verweist auf die Staatsanwaltschaft
Pinkwart verwies darauf, die interne Aufklärung des Grubeneinsturzes sei auf Bitte der Staatsanwaltschaft vorerst auf Eis gelegt worden. Die Kölner Behörde ermittelt wegen des Verdachts des fahrlässigen Herbeiführens einer Überschwemmung durch Unterlassen und Verstoß gegen das Bergbaugesetz. Aus Sicht von Pinkwart ist die Ursache für den Einsturz der Kiesgrube „weiterhin unklar“. Möglicherweise könne das Unglück auch durch das Versagen des vorgelagerten Hochwasserschutzes an der Erft verursacht worden sein.
Das Wirtschaftsministerium nahm nach der Vernehmung des Ministers schriftlich zu dem Schreiben des Geologischen Dienstes Stellung. Die Warnung stehe „in keinem Zusammenhang“ zu dem Schadensereignis an der Südböschung des Tagebaus Blessem, hieß es. Vielmehr gehe es um die Beurteilung der Standsicherheit bei einem ansteigenden Grundwasserspiegel nach dem Ende des Braunkohleabbaus.